24.02.2022
72. Berlinale 2022

»Ich habe eine weibliche Seite, das ist alles«

Denis Côté
Denis Côté und die Frauen. Auf dem roten Berlinale-Teppich mit seinen Schauspielerinnen
(Foto: © Erik Weiss / Berlinale 2022)

Denis Côté über Un été comme ça, den männlichen Blick und die Wahrheit, kein Agent provocateur zu sein

Beim nächsten Film ist alles anders: Bei Denis Côté weiß man nie, was einen erwartet. Wie Olivier Assayas, François Ozon oder Bruno Dumont erfindet er sich immer wieder neu, anders als zum Beispiel Hong Sang-soo, dessen großes Thema der Deleuze’schen These von Differenz und Wieder­ho­lung folgt. Côté macht Doku­mentar- und Spiel­filme, oft auch Filme im Zwischen­raum. Außerdem ist er ein Berlinale-Stammgast. Sein Zombie-Film Réper­toire des villes disparues (2019), Boris sans Béatrice (2017) und auch schon Vic + Flo ont vu un ours (2013) liefen im Wett­be­werb. Sein Doku­men­tar­film Bestiaire (2012), den man besser in Anfüh­rungs­zei­chen setzt, lief im Forum. Letztes Jahr hat er seinen expe­ri­men­tellen Spielfilm Hygiène sociale in Encoun­ters gezeigt, dieses Jahr war er mit Un été comme ça wieder im Wett­be­werb vertreten.

Un été comme ça ist ein heute eigent­lich unmög­li­cher Film. Er erzählt über das sexuelle Verlangen junger Frauen, die sich ihren Obses­sionen in einem Retreat hingeben – aller­dings unter Abwe­sen­heit des männ­li­chen Lust­ob­jekts. Das liest sich wie ein Internats- oder Klos­ter­schü­le­rinnen-Sexfilm, umgeht aber geschickt alle narra­tiven Fallen, ist überaus sinnlich, entdra­ma­ti­siert erzählt und hallt noch lange nach.

Ich treffe Denis Côté im Foyer des großen Hyatt, das im Berlinale-Jahr 2022 unwahr­schein­lich ruhig und entspannt ist. Côté spricht szenisch, fast schon comichaft, mit unver­mit­telt wört­li­cher Rede. Und natürlich in breit­ge­zo­genem Québec-Fran­zö­sisch, das die Diphthonge ungwöhn­lich ausein­an­der­fallen lässt. So geht es immer wieder um: »ba-iser«.

Das Gespräch führte Dunja Bialas

artechock: Manche finden ja, dein Film ist eine der großen Provo­ka­tionen, die du in unserer Zeit machen konntest: von der weib­li­chen Sexua­lität und dem weib­li­chen Sexus zu sprechen, ohne selbst eine Frau zu sein. Was antwor­test du?

Denis Côté: Zunächst einmal: Ich komme aus Kanada. Québec ist seit langem eine sehr femi­nis­tisch ausge­rich­tete Gesell­schaft. Wir sind, das muss einmal gesagt werden, weiter fort­ge­schritten als das alte Europa. Bei uns wurde „Me too“ und seine Begleit­um­s­tände sehr stark aufge­nommen und disku­tiert. Als ich aber meinen neuen Film als Projekt begonnen habe, habe ich mich gefragt: Warum gibt es im Kino von Québec seit 25 Jahren so wenig Sex? Es gibt viel­leicht drei oder sogar nur zwei Filme, in denen Sex vorkommt. In 25 Jahren! Sind wir shy, sind wir prüde? Ich hab mir gesagt: Ich werde jetzt nicht den „film de cul québecois“, den Porno aus Québec machen. Ich habe keine Lust, die Leute zu provo­zieren, ich weiß ganz genau, in welcher Zeit wir leben. Ich bin dann auf ein Buch über Nympho­manie gestoßen. Was steckt in dem Wort „Nympho­manie“? Vor Freud, nach Freud, heute? Das gab mir ernst­hafte Anhalts­punkte, da wusste ich, dass ich einen Film machen konnte, der voller Respekt sein würde, mit der richtigen Distanz erzählt und gefilmt. Ich wusste aber auch: Die ganze Zeit würde ich eine Ziel­scheibe auf meiner Stirn kleben haben. Straight white middle aged man. Ich wusste es!

artechock: Wie bist du dann als Mann vorge­gangen?

Côté: Für mich war klar, dass ich möglichst nur Frauen in meinem Team haben sollte. Eine weibliche Sexologin. Montage: eine Frau. Bei der Sichtung des Rohschnitts war nur ein Mann zugegen, aber ich merkte auch: Ich brauche die Meinung eines Mannes nicht. Am Set gab es keinen „Inti­mi­täts-Koor­di­nator“, den man manchmal braucht. Alle vertrauten einander. Allmäh­lich entstand ein Film, in dem es sehr viel weniger um Sex und Nacktheit ging als um die Menschen. Ich glaube, dass der Film ein Spiegel unserer Nicht-Sexua­lität ist, in dem es keine Verur­tei­lung und keine Moral geben kann. Und auch keine Botschaft. Man muss vage bleiben, beob­achten und darf nicht eingreifen.

artechock: Für mich zeigt der Film eine Anti-Therapie, fast ohne Klimax. Es gibt keine Heilung oder ähnliches, was man viel­leicht erwarten könnte. Wieso hast du auf den großen Plot verzichtet?

Côté: Ja, was kam dabei raus? Erst einmal ein Film über zwei Stunden: das ist ziemlich lang. Außerdem ein Film, in dem es keinen Anfang, keine Mitte und kein Ende gibt. Alles ist ein wenig playful. Wie auch alle meine anderen Filme ein wenig mit dem Zuschauer spielen. Was wir gemacht haben: eine erste Szene, die gleich mal zehn Minuten dauert. In der einem alles erklärt wird, was kommen wird, die ganzen Regeln. Oh, da ist ein Mann…

artechock: Man macht sich auf alles gefasst…

Côté: Dieje­nigen, die mich kennen, wissen: Der Mann wird nichts Böses machen. Die Frauen werden nicht hyste­risch werden, sich nicht umbringen und auch nicht schreien. Ich spiele aber mit den Erwar­tungen des Zuschauers, mit den Konven­tionen der Fiktion und des Doku­men­tar­films. Und am Ende… bah! Wie eine meiner Schau­spie­le­rinnen bei der Pres­se­kon­fe­renz gesagt hat: Während zwei Stunden und siebzehn Minuten haben Sie uns zugesehen, wie wir uns ausge­zogen, mastur­biert und unser Leben erzählt haben. Wenn der Film aber zuende geht, verschwinden wir vom See und kehren wieder in unser Enigma zurück. Keiner wird uns jemals wirklich verstehen. Davon erzähle ich als Mann.

Man darf aber nicht vergessen: die Leute werden die Inhalts­an­gabe lesen und sich sagen – äh, das hat ein Mann gemacht! Das will ich nicht sehen! Dieje­nigen aber, die den Film sehen, sollen mir sagen, ob ich die richtige Distanz gefunden habe, ob ich meine Haus­auf­gaben gemacht habe. Das wäre ein Kompli­ment. Wenn man aber sagt: das ist provo­ca­tion, shocking, contro­ver­sial, das glaube ich nicht. Mein Film ist nicht nympho­ma­nisch. Ein Sexfilm 2022 kann selbst die Bour­geoisie nicht mehr scho­ckieren!

artechock: Hast du vor dem Film Recher­chen gemacht oder mit Sexologen oder Pati­en­tinnen gespro­chen?

Côté: Das klingt jetzt viel­leicht nicht so cool, aber: Ich mache gerne Film über Dinge, von denen ich nichts weiß. Das Kino hat sich oft im Dunklen voran­be­wegt und für uns Sujets entdeckt, ohne dass wir darauf gefasst waren. Als ich die Tiere für Bestiaire gefilmt habe, waren mir Zoos völlig egal. Das Soziale inter­es­siert mich. Als ich die Körper­kul­tur­istik für Ta peau si lisse gefilmt habe: Haben mich da Body­builder inter­es­siert? Nicht wirklich! Dann komme ich mit der weib­li­chen Sexua­lität, da kann ich nicht mit vorge­fer­tigten Meinungen ankommen: Ich weiß, dass sie so und so ist. Ich will nichts lesen à la »Denis versteht die Frauen«. Das ist nicht das Ziel. Ich kann natürlich auch nicht so tun, als wäre ich neu auf der Welt. Eine Sexologin hat mir gesagt, ich hätte eine Form der kogni­tiven Verhal­tens­the­rapie entworfen, die im Grunde eine Anti-Therapie ist. Man schaut hin, wie die Menschen leben, man akzep­tiert sie für das und in dem, was sie sind, und niemals sagt man: Wir müssen ihre Probleme in den Griff bekommen. Sie sollen lernen, sich zu akzep­tieren. Das ist recht neu, das ist sehr 2015, 2020. Sie sagte: Diese Art der Therapie in deinem Haus – das es so nirgendwo gibt – ist genial.

artechock: Gibt es trotzdem ein Vorbild für das Haus am See? Man denkt zum Beispiel an Internate oder Kloster…

Côté: Es erinnert an ameri­ka­ni­sche Well­ness­kli­niken, Stil „New Age“, aber es existiert nicht. Das ist nur Kino. Einer sagte mal: Moment mal, der Sozi­al­ar­beiter ist ein Mann, in Frau­en­häu­sern gibt es das nicht. Ich sagte, ja, der ist dafür da, damit der Film mit ihm und den Erwar­tungen spielen kann, damit wir mit dem Publikum Spaß haben können. Un été comme ça ist kein Doku­men­tar­film, kein Sozi­al­film. Wenn ich in den Kritiken lese, der Film sei zu lose gesponnen und nicht realis­tisch, kann man diese Quali­täts­kri­tie­rien zwar akzep­tieren, aber nicht als Vorwurf.

artechock: …und auch nicht als Kriterien des Kinos. Mir fällt vor allem die Kamera von François Messier-Rhéault auf, mit dem du schon oft zusam­men­ge­ar­beitet hast. Am Anfang trennt seine Kadrie­rung in extremen Close-ups die einzelnen Figuren vonein­ander. Das Korn des 35mm-Materials dringt direkt in die Körper und die Poren der Haut ein, das hat etwas sehr Orga­ni­sches.

Côté: Mit François hatte ich die extremen Close-ups verein­bart, um wirklich in die Figuren einzu­treten. Ich habe gesagt: Keine Post­karten! Das Haus ist schön, der See, der Himmel, die Bäume sind schön: Das ist uns egal. Es geht um die Menschen in diesem Haus, da filmt man nicht den Rasen oder die Straße. Es ist ein Film des Innen, in vielerlei Hinsicht. Das muss aber auch nicht klaus­tro­phob werden oder angst­ein­flößend.

artechock: Oft wirkt das wie genau kadrierte Portraits. Portraits der Frauen, der Körper…

Côté: Ich wollte zu Ta peau si lisse zurück­kehren und das ähnlich machen. Ganz nah an der Haut filmen. Bei der Bondage-Szene habe ich mich gefragt: Schaffen wir es, eine Szene, die auf dem Papier viel­leicht gewalt­tätig sein könnte, zu etwas Schönem zu machen? Das knarzende Seil, die einge­schnürte Haut, die gequetschte Brust – die Leute sind scho­ckiert, bevor sie es überhaupt gesehen haben. Lasst uns eine schöne Bondage-Szene machen! In einem anderen Film wäre das viel­leicht, um zu scho­ckieren. Dann lässt man das Mädchen schreien. Oh, Bondage! Wir haben harte Dinge auf sehr sanfte Weise gezeigt. Das Problem war natürlich, dass François ein Mann ist. Aber auch er ist sehr, sehr sanft. Einmal habe ich zu ihm gesagt: François, wenn du einmal erregt bist und es in deiner Kame­ra­ar­beit siehst, sagst du es mir. Und ich dir auch. Unsere Schau­spie­le­rinnen sind schön, sie haben schöne Körper, aber das muss unbedingt zweit­rangig werden. Vergiss die Nacktheit! Wenn ich den Film sehe, finde ich nicht, dass das Sex ist. Ist das sexua­li­sie­rend? Es ging uns darum, die richtige Distanz zu finden.

artechock: Und auch die richtige Länge. Mir ist aufge­fallen, dass die Szenen oft sehr lange dauern, mit einem sehr späten Schnitt. Sie entfalten sich, ohne sich drama­tur­gisch zuzu­spitzen.

Côté: Da hat mir meine Cutterin Dounia Sichov geholfen. Als Mann würde ich viel­leicht schneller schneiden. Sie hat zu mir gesagt: Denis, diese Szene wurde mit einem Anfang, einer Mitte und einem Ende geschrieben. Ich kenne die Regis­seure! Weil sie nicht wollen, dass ein Film zu lang wird, schneiden sie das Ende der Szene ab, weil man es nicht braucht. Nicht mit mir! – So haben die Szenen jetzt einen echten Anfang: Sami, kannst du in mein Zimmer kommen? – Ja, Gaëlle. Sie sprechen mitein­ander, sie sehen sich an, er geht raus, sie schließt die Tür hinter ihm. Ende der Szene.

Das ist auch Anti-Porno­gra­phie, die geht schneller, an meinem Rechner. Klick, klick, klick, und dann hab ich’s! Meine Phan­tasmen oder mein Begehren haben in dem Film nichts zu suchen, ich weiß, was ich heute Abend machen kann. Ich habe ein Leben. Nicht wie alte Regis­seure, diese Zeiten haben wir auch erlebt, die meinen, über die Ängste ihrer schönen Schau­spie­le­rinnen ein sexuelles Leben phan­ta­sieren zu können, das sie seit vierzig Jahren nicht mehr haben. Ich mache keinen Film, um meine Phan­tasmen zu stillen.

artechock: Die Frauen sehen sich auf eine gewisse Weise recht ähnlich, teilweise sind sie sogar schwer ausein­an­der­zu­halten. Aber auch die Szenen sind irgendwie gleich. Wie kam das?

Côté: Am Ende des Castings hatte ich drei weiße Frauen, das war nicht sehr divers. Es geht mir nicht darum, einen Film nach einem Katalog zu machen. Es ist ein sehr fiktio­naler Film. Und es gibt auch schlechte Szenen: Sie gehen zum See, sie reiten. So hebt und senkt sich der Film. Das hat mir Bruno Dumont gesagt: Sieh zu, dass du immer auch Szenen drin hast, die ein wenig schlecht sind, nach oder vor einer starken Szene. Dann wirkt die starke Szene gleich noch mal ein bisschen stärker! Akzep­tiere schlechte Szenen! Ich mag auch keine Filme, die zu sehr vom Drehbuch abhängen.

artechock: Es gibt nur eine Figur, der du eine Vergan­gen­heit verliehen hast, mit der klas­si­schen Backstory Wound, weil sie von ihrem Vater miss­braucht wurde. Bei den anderen lässt du im Unklaren, warum sie besessen von Sex sind. Warum?

Côté: Wir wissen nichts von den wirk­li­chen Problemen Sexsüch­tiger. Für mich ist die 22-jährige Geisha eine, die alles fickt, was sich bewegt. Wie viele junge Menschen spürt sie ihre eigene Existenz über die sexuelle Aktivität. Sie rühmt sich damit, man sagt ihr, ja, du bist cool! In fünf Jahren hat sie sich dann viel­leicht beruhigt. Léonie musste durch den Inzest, durch den Schmerz, sie hasst sich selbst. Was man täglich in unseren Büros antrifft. Das kann man machen. Die Dritte wollte ich etwas fremder haben, sie hat mentale Probleme. Sie hat intrusive sexuelle Gedanken, Zwangs­ge­danken. Das kenne ich nicht. Meine Sexologin meinte, dass das eher selten ist, aber auch gut. Das sind meine Figuren im Alter von 20, 30 und 40 Jahren. Sie haben eher kleine Probleme, nicht die ganz großen, darauf hatte ich keine Lust. Das verhin­dert auch, über ihre Sexua­lität zu urteilen oder die große Heils­ge­schichte erzählen zu müssen.

artechock: Inwiefern sind es noch die Phan­ta­sien von Frauen?

Côté: Die Sexologin sagte zu mir: Die Szene mit der Fußball­mann­schaft ist genial! Ich fand sie beim Schreiben selbst ein wenig trashig. Sie aber meinte: Stell dir vor, in so einer Welt zu leben, wo eine Frau, die Lust hat, auf ein Fußball­feld gehen und fünfzehn Männer blasen kann. In einer Welt zu leben, wo das erlaubt wäre! – Ah. – Es muss cool sein, eine Frau zu sein, die Lust auf so etwas hat und das machen kann! – Ah. – Sie hat Lust, es zu tun, ich urteile nicht über sie. Dann ist es gut.
Das hat mein Denken völlig umge­stülpt, denn ich hatte die Szene geschrieben, mit dem Gefühl, dass das ein wenig… naja. So habe ich auch etwas gelernt, auch über mich. Der Film ist auch ein Spiegel der eigenen Sexua­lität, umso besser.

artechock: Der Film ist auch sehr physisch, nicht nur sexuell. Die Figuren haben eine große körper­liche Präsenz…

Côté: …die mir reicht. Ich brauche keine Schreie und keine großen Gesten. Sie sind da, voilà. Ein Körper allein erzählt schon eine Geschichte. Die Figur der Octavia, die Anne Ratte-Polle spielt, ist etwas mehr geschrieben. Sie hat eine Freundin, ein Außen, sie bringt mehr Geschichte mit als die anderen. Wer sind die anderen, was wollen sie? Sie haben ihren Körper.

artechock: Wie kam Anne Ratte-Polle in den Film?

Côté: Ich habe sie bei einem Abend­essen kennen­ge­lernt, wo mich ihr tragi­sches Gesicht angezogen hat. Sie erinnert an Jodie Foster. Ich wollte sie unbedingt in meinem Film haben und habe nur für sie die Figur der Deutschen kreiert, die von einer Uni für ein thera­peu­ti­sches Expe­ri­ment nach Kanada kommt. Sie konnte aber kein Fran­zö­sisch. Sie wollte nur die Dialoge lernen, ich habe ihr aber gesagt: Nein, du lernst Fran­zö­sisch! Ein Jahr später hatte sie das Drehbuch ins Deutsche übersetzt. Ich wollte dann mit ihr auf Fran­zö­sisch über das Drehbuch sprechen, um ihren Fort­schritt zu sehen, sie konnte aber kein Wort. Das war im Februar 2020. Innerhalb von sechs Monaten konnte sie dann Fran­zö­sisch. Dann kam noch das Problem mit dem Québe­quois dazu, aber das geht anderen auch so, keiner versteht uns. Wir sprechen deshalb langsam.

artechock: Octavia bringt noch die lesbische Liebe mit in den Film. Damit hast du die ganze Klaviatur aufge­klappt, inklusive hete­ro­se­xu­ellem Mann, auto­se­xu­ellen Frauen und einer schwan­geren Insti­tuts­lei­terin.

Côté: Was ich nur nicht wollte, war eine Anzie­hungs­kraft zwischen den Frauen. Sie sprechen auch kaum mitein­ander. Warum? Weil sie ganz mit sich und ihren Obses­sionen beschäf­tigt sind. Ich wollte keine Liebes­be­zie­hungen. Einer sagte mal zu mir: Aber ist das nicht alles ein bisschen männ­li­ches Schwanz-Phantasma? Frauen, die über Schwänze phan­ta­sieren? – Ah. Es gibt immer welche, die mir den Film vorhalten und ihn als Männer­phan­tasie atta­ckieren wollen. Hoffent­lich findet man aber auch die Distanz in dem Film.

artechock: Wie hast du zu dieser Distanz gefunden?

Côté: In Persona von Ingmar Bergman. Bergman ist ein Mann, von dem es – wie über Almodóvar – heißt, dass er die Frauen wirklich kennt. Das sind aber keine Männer, die Frauen kennen, das kann man nicht sagen. Das sind Männer, die eine weibliche Seite in sich tragen. Ich kann in mir auch eine weibliche Seite sehen. Die gibt es genauso, wie Frauen, die mit einem männ­li­chen Blick Filme machen, wie zum Beispiel Claire Denis. Mein Film ist nicht vulgär, aber auch kein prüder Film. Er ist kein Film, der sich dafür entschul­digt zu exis­tieren. Man muss nur akzep­tieren, dass er von einem Mann gemacht wurde, der eine feminine Seite hat. Das ist alles.