China/HK 2006 · 114 min. · FSK: ab 12 Regie: Zhang Yimou Drehbuch: Zhang Yimou, Wun Nan, Bian Zhihong Kamera: Zhao Xiaoding Darsteller: Chow Yun-Fat, Gong Li, Jay Chou, Liu Ye, Ni Dahong u.a. |
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Eine Kaiserin sinnt auf Rache |
Zum dritten Mal in fünf Jahren wendet sich der chinesische Regisseur Zhang Yimou nach Hero (2003) und House of Flying Daggers (2004) sowie einer Unterbrechung mit dem kleinen, stillen Film Riding Alone for Thousands of Miles – der im Gegensatz zu diesen hierzulande bezeichnenderweise nicht ins Kino kam – nun dem Martial Arts Film zu. Dieses in China traditionsreiche Genre blüht derzeit wie schon lange nicht mehr, zugleich ist es mit Filmen wie Chen Kaiges Wu Ji und Feng Xiaogangs The Banquet (beide 2006), die in der Volksrepublik viele Millionen ins Kino lockten und zu den erfolgreichsten Werken der chinesischen Filmgeschichte gehören, in eine neue, sozusagen neobarocke Phase getreten: Überladene Tableaus, zu bewegten Ornamenten choreographierte und entindividualisierte Statistenmassen, betonte Körperlichkeit, opernhafte und an chinesische Bühnentraditionen angelehnte Gestensprache und insgesamt starke Stilisierung prägen dieses extrem aufwändige Ausstattungskino, das seine märchenhaften, fiktiven Handlungen mit todesverachtenden Helden, strengen Fürsten, schönen wie bösen Prinzessinnen zumeist vor dem Hintergrund historischer Ereignisse der chinesischen Geschichte erzählt. Mit den spielerischen Anfängen des Genres im berühmten The Burning of the Red Lotus Monastery von 1928, oder der cool-nüchternen Effizienz eines King Hu, der sich mit Filmen wie A Touch of Zen in den 60-ern und 70-ern den Ruf des chinesischen John Ford erwarb, hat dieses spektakuläre Massenkino genauso wenig zu tun, wie mit den Bloodshed-Filmen (z.B. One Armed Swordsman) der gleichen Epoche.
Zu dieser Entwicklung – je nach Perspektive ein neuer Höhepunkt der Martial Arts oder der Anfang ihres Endes – hat Zhang, einst berühmt geworden mit kritischen und vielfach prämierten Autorenfilmen (Rotes Kornfeld, Leben!, Keiner weniger – Not One Less), in den letzten Jahren selbst viel beigetragen. Mögen Filme wie Hero aber auch im oberflächlichen Blick der meisten westlicher Beobachter nur als unfreiwillig komisch oder gar »totalitär« geschmäht und schnell als Spektakelkino abgetan werden – sie knüpfen jedenfalls an chinesische Traditionen an, popularisieren diese in einer Weise, die auch westlichen Zuschauerschichten zugänglich ist, und sind dabei nicht unrealistischer oder »künstlicher« als durchschnittliches Hollywoodkino.
All dies gilt nun auch für The Curse of the Golden Flower (dt.: Der Fluch der Goldenen Blume). Ursprünglich auf Cao Yus in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts angesiedeltes Stück Das Gewitter zurückgehend, spielt der Film am kaiserlichen Hof der späten Tang Dynastie im Jahr 928. Der herrische Kaiser und seine ihm entfremdete Frau planen ihre wechselseitige Ermordung. Verkompliziert wird dies durch eine rachsüchtige erste Ehefrau, eine geheime Liebesaffaire und zwei unterschiedliche Fälle von Inzest, nicht zuletzt aber auch durch die strenge Etikette. Zhang badet förmlich in der Inszenierung dieser höfischen Gesellschaft, ihren hochgradig ritualisierten Bewegungen, den überladenen Räumen, und endlosen Korridoren der »Verbotenen Stadt«, die doch keine Fluchtmöglichkeit offenlassen, und den schweren Kostümen, deren Gewicht für den Zuschauer förmlich spürbar wird. Ungemein einfallsreich inszeniert die Regie eine Welt, die zugleich überbordend wie beklemmend ist. Wie in Form eines Kammerspiels in Rote Laterne gehen Freiheit und Angst, Furcht und Eigennutz auch hier untrennbare Verbindungen ein. The Curse of the Golden Flower ist darin ein Film über die Psychologie von Führungsschichten.
Vor allem ist dies aber ein Film über die Natur von Passionen. Denn sowohl der Kaiser wie seine Frau, die hier bis aufs Blut und schließlich mit dem Blutdurst und einer Vernichtungsbereitschaft, wie man sie aus Macbeth oder Shakespeares anderen Königdramen kennt, gegeneinander und ums eigene Überleben kämpfen, sind keine kühlen Machtmenschen. Sie lieben und hassen, sind stolz, rachedurstig und selbstzerstörerisch. Während er dies ausmalt und in allen subtilen, oft unausgesprochenen Details zerlegt betont Zhang doch immer, wie gefährlich und letztlich nicht ernst zu nehmen solche Leidenschaften sind. Indem er einerseits die Freiheit der Gefühle feiert, andererseits stoische Zurückhaltung als das erfolgreichere, weil überlebensdienlichere Konzept darstellt, steht Zhang weiterhin in der Tradition seiner Generation und seines eignen Filmemachens, das das Festhalten an Individualität schon immer mit Wachsamkeit gegenüber Autoritäten gepaart hat, dem Bewusstsein, dass der Wind sich überaus schnell drehen kann.
Zum Ausmalen dieses Melodrams ist Zhang jedes Mittel recht. Neben der Opulenz von Kostümen und Setdesign auch der dicht gewobene, bombastische Soundtrack Shigeru Umebayashis und der häufige Einsatz satter Primärfarben: Wie immer bei Zhang steht eine Farbe im Zentrum. Nach intensivem Rot (Hero) und zwielichtig schillerndem Grün (House of Flying Daggers) ist dieser Film von kaiserlich-opulentem Gelbgold geprägt – die Farbe der Rüstungen, der Kleider, des Lichts wie der Chrysanthemenfelder. Der Film ist auch Starkino par excellence: Mit Hongkongs Chow Yun-Fat und der von ihm entdeckten Gong Li, die untrennbar verbunden mit seinen Anfängen erstmal seit über zehn Jahren wieder in einem Zhang-Yimou-Film mitwirkt, führt Zhang die beiden Superstars der 80er zusammen. In der bisher von diesem Regisseur ungekannten Leichtigkeit des Umgangs mit all diesen Elementen, in seiner Unbekümmertheit gegenüber Mainstream-Gepflogenheiten wird Zhang zunehmend zu einem chinesischen Steven Spielberg.
So spektakulär viele der Kampfszenen sind, können sie doch im Hinblick auf Poesie und Originalität jenen aus Hero und House of Flying Daggers zumeist nicht das Wasser reichen. Die Ausnahme bildet eine Szene in der eine Gruppe von Attentätern sich in der Nacht an Seilen zu Boden gleiten lässt. Aber die wahren Kämpfe in diesem Film ereignen sich bei Banketten, Audienzen, zwischen den Vorhängen der Salons und im Bett, mittels bloßer Blicke, rasch hingeworfener Sätze, in wenigen Berührungen.
Nicht zu unterschätzen ist schließlich die Komik des Films. Dialoge wie Gesten unterminieren erkennbar das Melodram und legen die schwarze Komödie in seinem Zentrum frei. Indem Zhang hier von der Dekadenz alter Eliten und neuer Aufsteiger erzählt, indem er die Depression inmitten von Reichtum und Konsum, die Abgründe einer Überflußgesellschaft sinnlich vor Augen führt, erzählt sein Film auch eine aktuelle Geschichte über das neureiche China der Gegenwart. Das Fazit, auch hierin bleibt Zhang sich treu, ist überaus pessimistisch. Jenseits solcher, in diesem Fall keineswegs zwingender politischer Konnotationen, ist The Curse of the Golden Flower nicht zuletzt ein vergnüglicher Film, hochästhetisch – und visuell selbstverständlich over-the-top.