05.07.2007
24. Filmfest München 2007

Innenschau einer Wohlstandsgesellschaft

AUTISTiC DISCO
Autistic Disco von Hans Steinbichler
(Foto: Zorro Film)

Filmfest, verweht: München nach vier Jahren unter Andreas Ströhl zwischen Zen und Müdigkeit

Von Rüdiger Suchsland

Meine Lieb­lings­an­ek­dote aus 25 Jahren Filmfest ist diese Geschichte mit Sergio Leone. Muss wohl 1986 oder so gewesen sein: Weil der Mann schließ­lich »Spaghetti-Western« gedreht hat, kam Film­fest­boss Eberhard Hauff auf die gloriose Idee, zu seinen Ehren ein Spaghetti-Essen zu veran­stalten. Kaum einer der Geladenen kam – vermut­lich hatte man vergessen die Einla­dungen zu versenden, oder das Essen fand parallel zum VFF-FFF-BVK-ZDF-BR-HighMerit-LowHopes-Award statt, wie man die Preise auf dem Filmfest ja gern nennt. Also wurden die Fahrer verdon­nert. Die meisten von ihnen kannten Leone nicht, denn eine Quali­fi­ka­tion für Festi­val­fahrer ist ja tiefes Desin­ter­esse am Kino, damit sie den Gästen nicht mit Privat­wün­schen auf die Nerven fallen. So saß dann Sergio Leone in München im Kreis von Eberhard Hauff und seiner Entourage und einem Dutzend kino­un­be­leckter Fahrer, und aß schlechte Münchner Spaghetti. Sagen die, die dabei waren. Ein tref­fendes Sinnbild fürs Filmfest in seiner Mischung aus Glamour und Verzweif­lung, Ambition und Takt­lo­sig­keit, Verstand und Mir-san-mir. Hätte ich gern gesehen.

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Kleiner Blick in die Zukunft: Im Jahr 2032 feiert das Filmfest sein 50. Jubiläum. Leiter Andreas Ströhl ist dann gerade so jung wie Hauff bei seinem Abschied. Der hoch­be­tagte Richard Linklater kommt zum dritten Mal nach München, diesmal auf Wunsch des Festi­val­lei­ters. Robert Fischer moderiert in gewohnter Perfek­tion, und lässt zu aller Über­ra­schung bereits nach 40 Minuten die erste Publi­kums­frage zu. Sie stammt von Andreas Ströhl. Susanna Gomes gibt nach 25 Jahren die Leitung der Ameri­canA­sian-Indies auf. Mitt­ler­weile werden die Karten zur begehrten Indie-Party auf ebay verstei­gert. Der rüstige Leiter der deutsch-baye­ri­schen Reihe verkündet, er wolle noch ein paar Jährchen dran­hängen. Der begehrte »Steu­er­spar­preis Baye­ri­scher Film« wird erstmals ohne Jury verliehen, um unnötige Kosten zu vermeiden. Die Preis­stifter teilen das Geld jetzt einfach direkt unter sich auf.

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Gute Filme, schlechtes Wetter – so könnte man das dies­jäh­rige, das 25te Filmfest bilan­zieren. Und dann hinzu­fügen, dass das ja besser ist, als umgekehrt.
Obwohl… Das Filmfest war schließ­lich schon immer vor allem Fest, und zum Jubiläum gelang Andreas Ströhl und seinem Team eine Ausgabe, die allemal genug inter­es­sante Filme und angenehme Stimmung bot. Auch an den letzten Tagen gab es noch ein paar schöne Filme zu sehen, etwa den norwe­gi­schen Knaller REPRISE, Joachim Triers Debüt über zwei Jugend­freunde, Träume und Konkur­renz – in manchen Momenten sah das aus, wie Truffauts Jules und Jim. Auch konnte man am letzten Tag noch William Friedkin in einem wunder­baren Film­ge­spräch zuhören, indem sich der mehrfache Oscar­ge­winner (French Connec­tion) schlag­fertig und anek­do­ten­spru­delnd zu seinem Werk äußerte, und sich als Zen-Meister des Kinos präsen­tierte – »Ich suche nie Geschichten, sie finden mich.« Gerade solche Momente und einige seltene Filme sind es, weswegen man das Filmfest wirklich braucht.

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Alles bestens also? Leider nicht. Denn auch wenn es an den einzelnen Filmen nicht viel auszu­setzen gibt, sind doch einige struk­tu­relle, grund­sätz­liche Probleme des Filmfest weiterhin ungelöst, sodass man sich mittel­fristig Sorgen machen muss. Als Ströhl vor vier Jahren die Nachfolge von Eberhard Hauff antrat, versprach er eine äußer­liche wie inner­liche Runder­neue­rung, behutsam zwar, aber dennoch spürbar, keine Revo­lu­tion, aber sichtbare Reformen. Die waren nach dem über­langen Hauff-Regime auch dringend nötig. Ströhl bemän­gelte damals selbst ausufernde und unüber­sicht­liche Reihen, fehlende Schwer­punkt­set­zung, Entfrem­dung vom Publikum und nicht zuletzt das Ausblenden ganzer Stil­formen des modernen Kinos.
Einiges hat er geändert: Das Design. Die blöden Motti – »Das Schönste am Film sind die Frauen« – wurden abge­schafft. Die Kinomeile begründet. Alles Kosmetik. Wichtiger: Das Programm ist besser geworden: Etwas jünger, etwas expe­ri­men­teller. Trotzdem – das zeigt etwa die Asien-Sektion, wie die deutsche, die Latino- und die inter­na­tio­nale Reihe – ist es nicht mutig genug, fehlen immer noch wichtige Tendenzen und Hand­schriften. Zu sehr gibt Ströhl Terrain preis, überlässt inter­es­sante, moderne Stile der Konkur­renz vor Ort: Dem Fantasy-Filmfest, dem Asien-Filmfest, dem Dok-Fest, den Programm­kinos – nicht zu reden von Festivals in anderen Städten.
Die mit viel Lärm einge­führte Kinomeile dagegen ist reine Behaup­tung. Sie hat ebenso viele Vorteile, wie Nachteile. Und sie dient nur der Branche, also jenen, die in viele Filme pro Tag gehen.
Der wiederum aber fehlt nach wie vor ein Festi­val­zen­trum, ein Ort, wo alle alle treffen, wo Filme, Partys, Diskus­sionen statt­finden. Der Gasteig leistet das nicht, ist abends immer scheintot, das Forum war so ein Ort, wurde aber wieder aufge­geben – man kann nur vermuten, dass das Filmfest von der Stadt gedrängt wird, den unge­liebten Gasteig zu »bespielen«. In der Stadt jenseits der »Kinomeile« ist das Filmfest dagegen fast unsichtbar.
Wenn man ein Festival fürs breite Publikum sein will – warum gibt es dann keine Ermäßi­gung für Viel­gänger? Warum keine Zehner­karten, keinen Pass fürs ganze Festival?

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Heute hat man weniger Geld, aber man zeigt mehr Filme – fast 100 mehr als in Hauffs letztem Jahr. Totaler Unsinn! Der nicht nur das normale Publikum über­for­dert.
Daneben Unsinn und Pein­lich­keiten, die sich leicht abschaffen ließen: Regisseur Bruce McDonald kam schon zur Eröffnung nicht rein, weil die Security wieder mal ihre Aufgabe miss­ver­stand. Das Publikum sollte Rucksäcke im Gasteig abgeben, was man dort sonst nicht muss, und auch nicht in den übrigen Filmfest-Kinos. Ein schlei­miger Dilettant von Moderator, der auch vor French Connec­tion nur »gute Unter­hal­tung« wünscht, als wär man beim BR-Fernsehen. Darf es beim Filmfest ach mal keine Unter­hal­tung sein, könnte man vorher irgendwas erzählen, was auch Fans und Kenner über­rascht?

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Ströhl auf der Pres­se­kon­fe­renz, auf die Frage nach dem »neuen Team«: »Weil wir das müssen.« Aha. Geht’s auch weniger eupho­risch und humorvoll? Auf die Frage nach Wünschen: Fehl­an­zeige.

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Wird Klaus Eder gehen? Er sagt ja. Seine Kollegen sagen viel­leicht. Ströhl sagt nichts. Und andere Jour­na­listen sagen Nein.

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Ersatz ist jeden­falls genug vorhanden, denn offenbar geht es dabei allein um Verjün­gung minus 40. Das JeKaMiMa-Prinzip statt Konzept und Kontakten. Konsens und Nettig­keit statt Kompetenz. Besser wird’s so jeden­falls nicht werden.

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Fazit: Längst ist das Filmfest nicht mehr die klare Nummer zwei in Deutsch­land, die es Mitte der 90er einmal war – nur der Etat ist noch erst­klassig –, sondern ein deutsches Provinz-Festival unter mehreren. Mitte der 90er besuchten Stars wie Robert de Niro, Susan Sarandon, Audrey Hepburn, Polanski und George Lucas das Festival. Natürlich ist die Konkur­renz schärfer geworden, hat sich vieles gewandelt.
Doch manches ließe sich verbes­sern, und es ist nicht recht vers­tänd­lich, warum Ströhl das nicht anpackt: Weit über 200 Filme blähen das Festival bis zur Schmerz­grenze auf, unter Hauff waren es zuletzt 150 und damals wollte Ströhl »konzen­trieren«. Ein Festival, auch wenn es sich Publi­kums­fes­tival nennt – zum Publikum gehören übrigens auch die Branche, auch Auswär­tige –, ist aber kein Gemischt­wa­ren­laden, es hat die Funktion eines Kurators: es muss den Wust des Vorhan­denen redu­zieren, ordnen und gewichten, dem Publikum erklären, was unent­behr­lich ist, was auch noch wichtig, und was nur für Spezia­listen inter­es­sant ist. Für solche Bekennt­nisse zum Bestimmten und der Absage ans Beliebige braucht man aber Mut und Leiden­schaft, die leider beim Filmfest derzeit nicht wirklich erkennbar ist. Die Hauffsche Markt­schreierei wurde abge­schafft, aber was kam statt­dessen?
Tradition, hat mal ein kluger Mann gesagt, heißt nicht Asche verwalten, sondern eine Flamme am brennen halten. Zur Zeit sieht man niemanden fürs Filmfest brennen. Statt Leiden­schaft ist eine gewisse Müdigkeit, ein unin­spi­riertes Verwalten des Gegebenen erkennbar. Das genügt aber einfach nicht.

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Den High-Hopes-Award schaffte man ab, dafür führte man jetzt einen CINEVISION AWARD ein, auch ein Name, der in seinem Schwach­sinn von Hauff persön­lich stammen könnte. Trotzdem eine gute Idee, und schön, dass man aus Fehlern lernt. Doch dann wieder die Jury: Ulrike von Ribbeck, Christian Brückner und Karsten Kastelan sind nette Leute – aber eben auch eine Regis­seurin, die noch keinen Langfilm publi­ziert hat, ein Schau­spieler, den man fast nur als Synchron­spre­cher kennt, und ein Film­jour­na­list, der nirgendwo schreibt.

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In seiner Novelle »Ein flie­hendes Pferd«, erschienen 1978, erzählt der Schrift­steller Martin Walser von einer abge­nutzten Ehe. Jetzt hat Rainer Kauffmann, einst mit seiner erfolg­rei­chen Bezie­hungs­komödie Stadt­ge­spräch eine der Hoff­nungen des deutschen 90er-Jahre-Kinos, inzwi­schen eher Experte für gehobene Fern­seh­spiele, den Stoff verfilmt – als gehobenes Fern­seh­spiel, das gestern trotzdem und sehr passen­der­weise das vom Fernsehen stark mitge­prägte Filmfest München abschloß.
Im Zentrum des Films steht das Ehepaar Helmut und Sabine, gespielt von Ulrich Noethen und Kauff­manns Lieb­lings­schau­spie­lerin Katja Riemann. Seit 12 Jahren machen sie im immer­glei­chen Haus im immer­glei­chen Boden­see­kaff den immer­glei­chen Bade­ur­laub. Die Kinder sind aus dem Haus, Helmut zieht sich ins Schne­cken­haus seines Innen­le­bens zurück und liest den Pessi­mis­mus­phi­lo­so­phen Scho­pen­hauer. Sabine liegt in der Sonne und kühlt ihren Frust im Bodensee. Doch plötzlich werden sie gestört:
Es ist Klaus Buch, ein eher unge­liebter Klas­sen­ka­merad aus Helmuts Vergan­gen­heit, der den Trott des gelang­weilten Paares stört, und gemeinsam mit seiner jungen, attrak­tiven Gefährtin Helen die einge­fahren Verhält­nisse gehörig aufmischt. Ulrich Tukur spielt diese Nerven­säge als extro­ver­tierten Wich­tig­tuer – ein Licht­blick in einem überaus biederen, unin­spi­rierten Film, dem es nie gelingt irgendein Interesse für diesen 30 Jahre alten Stoff zu erzeugen, ihn für die Gegenwart zu aktua­li­sieren.
Dabei hatte Walser »Ein flie­hendes Pferd« auch als zeitloses Portrait einer satu­rierten Rebellion angelegt, als sarkas­ti­sche Innen­schau des Bürger­tums einer Wohl­stands­ge­sell­schaft, die feige und leiden­schaftslos geworden, nicht wirklich etwas mit sich anzu­fangen weiß. Das könnte uns heute einiges zu erzählen haben. Doch Rainer Kauffmann bebildert nur, anstatt etwas frei­zu­legen – und plötzlich sieht Walsers Szenario überaus alt aus, wie stecken­ge­blieben in einer Zeit, als Nackt­baden noch zur Chiffre gesell­schaft­li­cher Befreiung werden konnte.

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Deutsche Filme sind tradi­tio­nell einer der Schwer­punkte beim mit über 230 Filmen in acht Tagen über­la­denen Filmfest München, dass in diesem Jahr sein 25 Jubiläum feierte.
Klar dass da auch Marcus H. Rosen­müller nicht fehlen durfte, dessen Debüt Wer früher stirbt, ist länger tot im Vorjahr den Regie­för­der­preis und dann noch so manches mehr gewann. Mit seinem neuen Film bewegt sich Rosen­müller in gewohnt hölzernem Stil auf gewohntem Terrain: Beste Zeit erzählt von zwei Mädchen im Voral­pen­land und ihrem Alltag zwischen Aufbruchsträumen, Lange­weile und den Dorf­bur­schen, die sich für sie inter­es­sieren, oder eben gerade nicht. Rosen­müller zeigt eine im Grunde heile, zeitlose Welt, wo alle Bayrisch reden, Bier trinken, auf einem Hof leben und von der Dorfdisco träumen – und die Gegenwart in ihren schönen wie häss­li­chen Seiten konse­quent ausge­blendet bleibt. Eine behaup­tete Idylle. Es ist der Blick eines modernen Heimat­fil­mers, der Kino ausschließ­lich als Flucht­ma­schine versteht und im Prinzip nicht viel zu sagen hat, außer dass doch alles nicht so schlimm ist, man nett zuein­ander sein und nicht zuviel träumen sollte. Opas Kino, das vor 40 Jahren schon vom Ober­hau­sener Manifest für tot erklärt worden war, steht bei diesem Enkel wieder auf, glatter, intel­li­genter, aber kein bisschen inter­es­santer und getunkt in viel Bieder­meier-Moral.

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Absurd, dass der eine oder andere dies ober­fläch­liche Geplänkel dann mit den Filmen Hans Stein­bich­lers, oder gar mit der »Berliner Schule« gleich­setzen wollte. Stein­bich­lers neuen Film Autistic Disco als Heimat­fillm, ob alt oder neu, zu bezeichnen, ist sowieso nur leere Behaup­tung, weil’s gut klingt. Münchner Lokal­pa­trioten mögen sich zwar wünschen, dass es hier einen »Neuen Heimat­film« geben würde, aber ihn einfach mal kurz auszu­rufen, genügt dann doch nicht. Und bei Rosen­müller ist es erst mal der ganz alte.
Die Beob­ach­tung, dass das baye­ri­sche Kino in der Reihe »Neue Deutsche Filme« dominiert, ist natürlich trotzdem richtig. Man sollte sie am besten gleich in »Neue Baye­ri­sche Filme« umtaufen, und die Nord­lichter gar nicht mehr einladen.

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In dem Zusam­men­hang passt der Regie­för­der­preis für Fata Morgana perfekt ins Bild. Ein geradezu klischee­haft typischer München-Film: Sieht gut aus und hat nichts zu sagen, eine leere Form mit Charak­teren ohne Charakter. Ein Ausflug mit dem Jeep in die marok­ka­ni­sche Wüste wird für das junge Pärchen Daniel und Laura zum Albtraum. Eine Reise in die Fins­ternis ihres Inneren, aber vor allem des deutschen Filme­ma­chens – unter gleißender Wüsten­hitze. Jean-Hugues Anglade spielt eine reine Kopf­ge­burt, einen Geist der den Film in Bewegung bringen soll. Aber Maria Zielcke, Matthias Schweig­höfer können hier nichts retten, zu schlecht geschrieben ist der Stoff, zu ober­fläch­lich insze­niert. Traurig am Preis für Simon Groß ist, dass man damit einen Regisseur noch in seiner Ober­fläch­lich­keit bestätigt, anstatt ihm klar­zu­ma­chen, wo es hapert, dass ein formales Talent damit wahr­schein­lich ein für allemal aufs falsche Gleis gesetzt wird.
Aber die wesent­li­chen Ingre­di­en­zien, die anderen besseren Filmen fehlten, die hatte Fata Morgana natürlich: FFF-Förderung, BR-Geld und über die HFF eine feste Bayern-Veran­ke­rung. So kam es, dass ein Film vom Publikum belacht und zum Teil ausgebuht, jeden­falls nie ernst genommen wurde, aber doch den Preis gewann.
Zwar hatten die Preis­stifter nach jahre­langer, heftiger Kritik, nicht zuletzt bei artechock, ein Einsehen, und strichen die Nomi­nie­rungen für den Regie­preis. Ein allzu­ty­pisch Münchner Mauschel­preis bleibt er trotzdem. Denn Dreh­buch­au­toren und Darsteller sind weiterhin nominiert – nach völlig intrans­pa­renten Kriterien, von unbe­kannten Nomi­nie­rern. Weiterhin fungiert der hoch­ran­gige FFF-Mitar­beiter und -Pres­se­spre­cher Lothar Just auch als Pres­se­spre­cher des Preises – eine unmög­liche Kombi­na­tion. Und letztlich sprechen die Preis­träger für sich, wider­legen den bei vielen vorhan­denen Korrup­tions- und Mauschel­ver­dacht an keiner Stelle: Blickt man auf die Liste der Preis­träger zurück ist erkennbar, dass fast alle Filme entspre­chende Betei­li­gungen und Förde­rungen aufweisen können, das Filme­ma­cher aus Berlin und Köln keine Chance auf einen Regie­preis haben (Ausnahme: Hans Wein­gartner) und dass ziemlich schlechte Filme in München schon oft über weit bessere gewonnen haben. Der »Förder­preis Deutscher Film« verachtet im letzten Jahrzehnt mit ganz wenigen Ausnahmen konse­quent Anspruch, Komple­xität, Hoch­kultur, und fördert gefällige, ange­passte Konsens­film­chen oder plumpes Gepose wie Fata Morgana.

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Am meisten Gesprächs­stoff bot beim Filmfest trotzdem der deutsche Film Die Uner­zo­genen von der Berliner Studentin Pia Marais – der viel­leicht aller- aller­beste Film des Filmfests. Über ein Little Girl Lost in Deutsch­land, zwischen Drogen und Parties, Sex und Ich-Gesell­schaft. Viel zu subtil, um ihn auf Floskeln zu bringen, und einfach zu gut, um Konsens in einer Jury zu erzielen, in der ein Sönke Wortmann sitzt. In jedem Fall sprach jeder Zweite auf der Indie-Party irgend­wann von diesem deutschen Film, der so gar nicht »typisch deutsch« wirkte.

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Am Sonntag dann noch ein Treffen mit Ulla Rapp, die 25 Jahre die Inde­pend­ents betreute, jetzt aufhören will. Der letzte Blick auf sie bei ihrem Gang über die Wörth-Straße. Eine tolle Frau, mit der eine Ära zuende geht. Und die genau die Begeis­te­rung in jeder Faser verkör­pert, die dem Filmfest ansonsten fehlt.

Rüdiger Suchsland