21.05.2009
62. Filmfestspiele Cannes 2009

Götter, Gräber und Versehrte

Inglourious Basterds
Inglourious Basterds
(Foto: Universal Pictures International Germany GmbH)

Cantona oder: Die Philosophie, Protestanten und Naziskalps

Von Rüdiger Suchsland

Gott auf dem Götter­berg. »Cannes, das ist der Gipfel des Kinos, der Olymp.« schwärmte Quentin Tarantino, »Hier geht es wirklich um Kino. Nicht um irgend­etwas sonst. Ich bin kein ameri­ka­ni­scher Filme­ma­cher. Ich mache Filme für Planet Earth. Und Cannes reprä­sen­tiert das.« Es war eine denk­wür­dige Pres­se­kon­fe­renz, die der Inde­pen­dent-Regisseur Tarantino, der vor 15 Jahren hier mit Pulp Fiction die Goldene Palme gewonnen hatte, und so zum Regiestar aufstieg, nach der Premiere seines mit Spannung erwar­teten Inglou­rious Basterds gab.

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Nicht Planet Hollywood also. Das war es, was Taran­tinos Sätze an diesem Morgen so inter­es­sant machte: Dass sich hier ein Ameri­kaner sehr bewusst und sehr deutlich zum Welt­bürger des Welt­staats Kino erklärte, dass er Stellung bezog gegen jene Dominanz des Marketing, des Geldes und des seichten Star­ge­habes, das Hollywood heute reprä­sen­tiert, und das die ganze Filmwelt infiziert hat. Außer Cannes: »Hier spielt Kino wirklich eine Rolle. Die Passion für Filmkunst. Es geht nicht um Geld und auch nicht um Stars – trotz Brad Pitt, der hier neben mir sitzt. Er ist der Diener des Films, nicht umgekehrt.« Der Diener Brad Pitt lächelte dazu, nickte mit dem Kopf, und sagte die üblichen Hollywood-Sätze, wie gern er besonders mit diesem Regisseur zusam­men­ge­ar­beitet habe.

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Für seine deutschen Darsteller hatte Tarantino viel Lob. Besonders für Christoph Waltz: »Erst als Christoph Waltz vorge­spro­chen hat, waren wir sicher, den Film machen zu können. Ohne die richtige Besetzung hätte ich ihn nicht gemacht.« Auch dessen Charakter, einen überaus unan­ge­nehmen SS-Oberst liebt der Regisseur. Denn »als Regisseur bin ich Gott. Ich erschuf die Charak­tere.«

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Cantona oder: Die Philo­so­phie. Er heißt Eric, ist fana­ti­scher Fan von Manchester United, und von Beruf Brief­träger. Seit neuestem leidet er an Depres­sionen, und wer das Reihen­haus im tristen Arbei­ter­viertel von Manchester sieht, versteht, warum. Im Schrank stapeln sich Briefe, die er nicht ausge­tragen hat. In der Betriebs-Psycho­gruppe, die es auch bei der briti­schen Post gibt, wird ihm und seinen Arbeits­kol­legen vorge­schlagen, sich ein Vorbild und Idol zu wählen. Eine illustre Runde kommt da zusammen: Ghandi, Mandela, Castro, Sinatra, Sammy Davis Jr. Eric wählt seinen Namens­vetter, er wählt den Franzosen Eric Cantona, der von 1992 bis 1997 bei Manchester United spielte.

Das ist die Ausgangs­si­tua­tion von Ken Loachs neuem Film Looking for Eric, der jetzt bei den Film­fest­spielen von Cannes Premiere hatte. Ken Loach ist berühmt für politisch enga­gierte Arbei­ter­dramen aus liberal-trotz­kis­ti­scher Perspek­tive. Das Hoch auf die Arbei­ter­so­li­da­rität gibt es auch hier, aber im Zentrum des Film steht die poetische Über­schrei­tung der Wirk­lich­keit. Denn ManU-Fan Eric, der im Schlaf­zimmer ein lebens­großes Poster seines Idols Eric Cantona an der Wand hat, raucht einen Joint zu viel, da steht Cantona plötzlich leib­haftig in seiner Küche. Es ist der Coup von Loach, dass es ihm gelungen ist, den Spieler im Ruhestand für die Leinwand zu reak­ti­vieren, Cantona also dazu zu gewinnen, sich selbst zu spielen.
Cantona tut das mit einer Präsenz und einem Charisma, das alles andere hier in den Schatten stellt. Eigent­lich ist Looking for Eric ein lang­wei­liger Film, allzu leichte, seichte Kost, die längst bekannte Loach-Themen unori­gi­nell variiert und wieder­holt. Durch Cantona aber wird es großes Kino.

Cantona wird zum persön­li­chen Trainer der Haupt­figur, des Losers Eric, der diesen – wie einst Bogart die Woody-Allen-Figur in Play It Again, Sam – mit Rat und Tat unter­s­tützt. Bei Loach wirkt Cantona wie ein cool-relaxten Zen-Meister, der im Dutzend Weis­heiten abfeuert wie »Without danger one cannot get beyond danger«. Oder: »Surprise first. If they are strong on the right, you go left. But not always.« Oder: »There is no such word as 'can’t.'« Oder: »You have to trust your team mates. Always.« Oder: »La plus noble de vengeance – c'est le pardonner.« Am Ende des Films ist man überzeugt: »I am not a man. I am Cantona.«
Am wirkungs­vollsten waren aber immer noch die Ausschnitte mit den schönsten Szenen aus Cantonas Fußbal­ler­kar­riere. Sein schönster Moment? »Es war kein Tor, es war ein Pass im Spiel gegen die Tottenham Hotspurs.« Auf großer Leinwand denkt man da: Hätte Loach doch einfach eine Doku­men­ta­tion über Cantona gedreht.

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Ein feste Burg ist unser Gott. Schuld und Sühne in Nord­deutsch­land, der Terror­zu­sam­men­hang eines protes­tan­ti­schen Pfarr­hauses, die Gewalt der Väter und die Bosheit des Gewissens – Michael Hanekes Das weiße Band, der jetzt bei den Film­fest­spielen von Cannes Premiere hat, ist der Film zum heute begin­nenden protes­tan­ti­schen Kirchentag in Bremen.

Das weiße Band ist ein unge­wöhn­li­cher Haneke: Erstmals seit 1996 hat der Öster­rei­cher wieder auf Deutsch gedreht, in einem Dorf in der Uckerm­arck, das wirkt, nach hundert Jahren frisch aus dem Dorn­rö­schen­schlaf erwacht. Dort siedelt Haneke das Portrait eines kleinen nord­deut­schen Dorfes im Jahre 1913/14 an: Es gibt den Gutsherrn (Ulrich Tukur) und den Lehrer (Christian Friedel), den Arzt (Rainer Bock) und den – natürlich evan­ge­li­schen – Pfarrer (Burghart Klaussner), den Verwalter (Josef Bier­bichler), die Bauern. Es gibt die Frauen (Leonie Benesch, Ursina Lardi, Steffi Kühnert, Susanne Lothar). Und vor allem die Kinder.
Lauter Arche­typen. Das Leben geht seinen Gang, sonntags fehlt keiner in der Kirche und man singt Ein feste Burg ist unser Gott, und zu Erntedank wird der Psalm 104 gelesen – »Aller Augen warten auf Dich, Herr und Du gibst ihnen ihre Speise zu rechten Zeit.« –, dann darf man sich besaufen.

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Doch dann kommt es zu einer Serie merk­wür­diger Unfälle und Verbre­chen, und die gleich­för­mige Ruhe ist erschüt­tert. Mit hoher histo­ri­scher Genau­ig­keit hat Haneke einen Film über die auto­ri­täre Gesell­schaft gemacht. Es ist eine Welt, wie sie – für die Stadt und für andere Klassen – Schnitzler, Thomas Mann, Bernhard von Brentano und viele andere beschrieben haben, nur noch etwas strenger und repres­siver, denn die Verhält­nisse sind halt weniger gebildet. Die Kinder sagen »Herr Vater«, die Mütter schweigen oder haben Migräne, und die Väter erziehen mit der Reitgerte.

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Es geht also weniger um Klas­sen­un­ter­schiede, auch nicht um Bildungs­dif­fe­renzen, denn wie wenig das bringt, kann man immer wieder sehen, auch wenn der Lehrer, hier auch Erzähler aus dem Off, hier ein wenig zum Hort des Guten wird. Mehr geht es um die Bruta­lität, die alle Teile der Gesell­schaft über ihre Unter­schiede hinweg gemeinsam durch­dringt, um die Wahrheit hinter jenem etwas zu idyl­li­schen Bild jener »Welt von Gestern« (Stefan Zweig), die durch den Sommer von Sarajewo unrettbar zerstört wurde. Eine Zeit, die eben nur im nost­al­gi­schen Rückblick mit sich im Reinen war und von Zuver­sicht geprägt. »Böswil­lig­keit, Neid, Stumpf­sinn und Bruta­lität...« so beschreibt hier einmal eine Figur die univer­sale Primi­ti­vität die sie umgibt. Die Kinder spiegeln, was ihnen geschieht: Väter die ihre Kinder prügeln, sie nachts ans Bett fesseln, damit sie nicht onanieren können, oder sie sexuell miss­brau­chen.

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Vor allem aber erzählt der Katholik Haneke, der einen Teil seiner Kindheit in Schweden verbrachte, von Protes­tan­tismus und den Abgründen eines protes­tan­ti­schen Pfarr­hauses – im Stil der ruhigen, präzisen Schwarz­weiß-Bilder erinnert das oft an die Schuld und Sühne­dramen Ingmar Bergmans. Der Wahr­heits­terror des Pfarrers, die scheinbar thera­peu­ti­schen Verhör­ri­tuale, der Selbst­hass der gesamten Familie, die Idea­li­sie­rung der Reinheit.
Der Titel stammt von einem Ritual, das im Pfarrhaus üblich ist. Haben die Pfar­rers­kinder »gesündigt«, bekommen sie eine weiße Schlaufe an Haar oder Arm. »Die weiße Farbe soll Euch an Unschuld und Reinheit erinnern.«
Man kann in all dem auch einen – natürlich unbe­ab­sich­tigten – Kommentar zu Lars von Triers Hexenfilm Anti­christ sehen, der hier zu Beginn der Woche für Skandal sorgte. »Hör auf zu flennen! Ich glaub' an keine Hexen und Zauberer!« Das, was hier ein Ermittler einem jungen Mädchen sagt, das von Traum­vi­sionen berichtet, das ruft hier Haneke über die Leinwand hinweg auch Von Trier zu.

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In Inglou­rious Basterds, auf den wir hier gleich noch zu sprechen kommen, taucht an entschei­dender Stelle ein Film­kri­tiker auf. Er ist, wie könnte es anders sein, ein profes­sio­neller Killer. Außerdem Anti­fa­schist und Agent im Geheim­dienst seiner Majestät von England. Er ist Experte fürs Ufa-Kino, zugleich ist er aber (?) auch dumm genug, sich durch seinen Akzent zu verraten – bei Kritikern, das will Tarantino uns offen­kundig sagen, ist immer alles möglich. Und ganz genau weiß man bei ihnen nie, woran man ist.

Weil Kritiker auf Film­fes­ti­vals wie dem von Cannes ja nie genug zu tun haben, und sich nach Ansicht Außen­ste­hender sowieso vor allem auf Strand­partys und mit Weltstars im Mittel­meer oder in luxu­riösen Hotel­suiten vergnügen, spielen sie auch Spiele. Eines davon ist ein ziemlich schmut­ziges Spiel, so schmutzig, dass es auch gut in einen Film von Tarantino passen würde: Im privaten Kriti­ker­blog des Argen­ti­niers Diego Lerer von der Tages­zei­tung Clarin vergeben sie Punkte. Das passiert zwar sowieso auch in den soge­nannten »Dailys«, den täglichen Festi­val­aus­gaben der angelsäch­si­schen Bran­chen­blätter Variety, Hollywood Reporter und Screen, der entschei­dende Unter­schied von Lerers Blog liegt nun aber nicht nur darin, dass im Gegensatz zu den genannten Bran­chen­blät­tern hier die Filme aller Sektionen bewertet werden, nicht nur der Wett­be­werb um die Palmen. Die Teil­nehmer sind auch allesamt eher main­stream­fern, Cinephile, die aus Cannes berichten und dort versuchen, gerade das Seltene und Besondere zu finden, Regis­seure die etwas riskieren, und in deren Filmen es gewis­ser­maßen immer ums Ganze geht, und so etwas von einer möglichen Zukunft des Kinos zu ertasten. Mit dabei sind aus den Nieder­landen Dana Linssen, Redak­teurin des Filmkrant, Violeta Kovacsics von der spani­schen Lumiere, Pamela Pienz­obras von Mabuse aus Chile, Markus Keusch­nigg von Die Presse in Wien und Cristina Nord von der Berliner taz.
Und norma­ler­weise hassen gerade diese Leute das Redu­zieren von Filmen, die ja gerade dann gut sind, wenn sie etwas Schil­lerndes und Unein­deu­tiges haben, auf notge­drungen einsei­tige Punk­te­ta­bellen. Was man daraus lernt: Manchmal ist eben das Gegenteil von dem richtig, was sonst immer richtig ist. Und auch Kritiker, die sich schätzen und nahe fühlen, sind sich unter­ein­ander oft nicht einig. Viel­leicht ist das ja auch gerade ihre Qualität.

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Sein Film sei auch als Lobprei­sung des Mediums Kino gedacht: »Der Showdown des Films findet in einem Kino statt. Das ist natürlich als Symbol gemeint für die Macht des Kinos. Das Kino besiegt das Dritte Reich! Zumindest im Film. Dieser Einfall hat mir einen richtigen Kick gegeben.«

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Quentin Taran­tinos Kino war schon immer zweierlei: Ein Fetisch­kino, verliebt in Objekte und Dekors, das auch seine Darsteller immer in Objekte und Dekors zerlegte, dass dem Formalen und bedingt den Vorzug vor der Handlung gab, das dabei aber weder anti-erzäh­le­risch noch unmensch­lich wirkte. Und es war ein Kino des Trans­gres­siven, der lust­vollen Über­schrei­tung des Erlaubten – und das heißt im Histo­ri­en­drama auch: der histo­ri­schen Wirk­lich­keit. Weil Tarantino das weniger subtil macht, als seiner­zeit Chris­to­pher Roth in Baader, werden die Wächter der Archive diesmal auch nicht getroffen aufjaulen; sie werden einen Film wie diesen gar nicht der Beachtung wert finden – was ihn womöglich noch subver­siver macht.

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In Inglou­rious Basterds (Sic!), der weder der Kriegs­film ist, als der er vermarktet wird, noch das Remake jenes italie­ni­schen B-Movies The Inglou­rious Bastards (Ein Haufen verwe­gener Hunde) von Enzo G. Castel­lari aus dem Jahr 1978, macht Tarantino sich einen weiteren seiner Kinder­träume wahr – und erfüllt uns damit auch einige unein­ge­stan­dene Wunsch­vor­stel­lungen. Zum einen ist der ganz als Studio­film entstan­dene Inglou­rious Basterds in dessen Zentrum eine US-Elite­ein­heit steht, die pro Mann »100 Nazis­kalps« erbeuten soll, nicht nur eine in den Stil­mit­teln des Italo-Western insze­nierte Alter­na­tive zu all jenen kreuz­braven und erzlang­wei­ligen Histo­ri­en­dramen, die besonders in Deutsch­land beliebt sind, die Beflis­sen­heit in den Fakten mit histo­risch-poli­ti­schem Eska­pismus verbinden. Es ist auch ein Film, der noch einmal die Frage stellt – und zumindest teilweise beant­wortet – wie man den die Nazizeit darstellen könnte, ohne ihrer Ästhetik zu verfallen, wie man das Kino vor dem Nazi-Kino retten könnte. Natürlich weiß auch Tarantino, dass manche Filme des Dritten Reichs zwar politisch ekelhaft sind, und man davon ihre Bild­sprache auch nicht trennen kann, dass man aber zugleich um diese Bild­sprache auch nicht immer herum­kommt, und – und hier sind wir beim Feti­schismus – nicht immer herum­kommen will. Dabei ist Taran­tinos Film wie sein bishe­riges Werk dieser Bild­sprache so ganz und gar nicht verpflichtet, viel weniger als zum Beispiel die Fass­bin­ders. Um so eher kann er sich leisten, ein paar mal offen mit ihr zu spielen. Ansonsten sieht sein Frank­reich mehr aus, wie eine Western­land­schaft, und sein Paris wie das Warschau in Lubitschs To Be or Not to Be. Und nur ganz spärlich ist der Umgang mit Haken­kreuz­binden und NS-Symbolik, kaum Stie­fel­schlagen und Uniform. Und der Zitat­cha­rakter bleibt immer deutlich, dieser Regisseur verfällt der Symbolik nie.

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Und er braucht sie auch nicht, um die Schurken wirklich als Schurken zu zeigen. Der größte von allen wird hier von Christoph Waltz gespielt. Sein Oberst Hans Landa ist eine Mischung aus Bürokrat und Dämon; ein boshafter Großin­qui­sitor der Nazi-Macht. Ein toller abgrün­diger Auftritt, für Waltz die Rolle seines Lebens. »Erst als Waltz vorge­spro­chen hat, waren wir sicher, den Film machen zu können« – sagte Tarantino bei der Pres­se­kon­fe­renz. Nun spielt Waltz nicht nur Brad Pitt an die Wand. Überhaupt ist es frap­pie­rend, wie gut die deutschen Schau­spieler sind, inklusive Til Schweiger. Der Film zeigt den deutschen Regis­seuren damit auch einmal, was man mit diesen Schau­spie­lern machen kann, wenn man sie richtig insze­niert. Und er zeigt damit, wie schlecht, bzw. beschränkt die aller­meisten deutschen Regis­seure sind.

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Der Film ist episo­disch erzählt, reiht zum Teil nur lose verbun­dene Szenen anein­ander, ist im herkömm­li­chen Sinne undis­zi­pli­niert und unöko­no­misch – und darin die ganz Tarantino-typische Mischung eines Films, der zugleich Autoren­kino und B-Movie ist. In der letzten halben Stunde bündeln sich die Erzähl­stränge zu einem Showdown, der seines­glei­chen sucht: In einem Pariser Kino soll Hitler getötet werden, bei der Premiere eines Propa­gan­da­films. Hinter der Propa­ganda verbirgt sich der Atten­tats­plan, und irgend­wann während der Film gezeigt wird dreht er sich um 180 Grad, wird zur Anti­pro­pa­ganda, bevor, ganz wörtlich die Leinwand in Flammen steht und explo­diert. Das ist natürlich ein visuelles Statement gegen überhaupt jede Form des einfachen poli­ti­schen Message-Kinos, es ist auch eine Forderung: Dass Filme eigent­lich nur dann gut sind, wenn die Leinwand brennt bringen, wenn sie voller Leiden­schaft und Inten­sität das Publikum erbeben lassen. »Die Kunst wird ein Beben sein, oder sie wird nicht sein«, heißt es in André Bretons Nadja.

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Dann wird auch noch Adolf Hitler erschossen. Eine Maschi­nen­ge­wehr­salve zerschmet­tert sein Gesicht, bis es nicht mehr zu erkennen ist. Tarantino macht das, was nur das Kino kann: Den Gang der Geschichte ändern, der Phantasie, den Wunsch­vor­stel­lungen freien Lauf lassen.
Sein Film ist damit in allem DAS Gegen­s­tück zum Stauf­fen­berg-Drama Valkyrie, kein beflis­senes, depres­sives, graues Drama, bei dem man schnell vergisst, was eigent­lich nochmal das Problem mit den Nazis war, sondern bunt und grell, so pervers wie die Nazis waren, eine kontrol­lierte Über­schrei­tung der histo­ri­schen Wirk­lich­keit, der diese dadurch um so sichbarer macht. Denn das man den Faschisten gerechter wird, wenn man sie als Monster und Body­snat­cher zeigt, als Unholde und Horror­ge­stalten in der Nachfolge des Nosferatu- und Mabuse-Kinos der Weimarer Republik, statt als »Talking Killer« der Hollywood-Tradition, der seinem Jäger nur allzu ähnlich ist, das hat schon Guillermo del Toro in Pan’s Labyrinth vorge­macht.

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Das deutsche Kino traut sich trotzdem bis heute nicht zum Tabubruch und verbietet sich, uns den toten Hitler zu zeigen, das zerschos­sene Gesicht, der versehrte und damit zerstörte Mythos. Selbst in Bernd Eichin­gers Der Untergang, der doch von Hitlers Ende zu handeln behauptet, gibt es zwar hunderte von Toten aber kein Bild des toten Hitler. Er bleibt unver­sehrt, und damit untot. Ein Wieder­gänger der Geschichte, ein Zombie, der die Deutschen immer wieder heimsucht. »Ich wollte Hitler töten« hat Tom Cruise auf der Valkyrie-Pres­se­kon­fe­renz gesagt. Tarantino hat es getan.