64. Filmfestspiele Cannes 2011
»Sei Schöpfer und Zerstörer. Mach' die Nachrichten und kommentiere sie.« |
||
Schönling Antonio Banderas als Schönheitschirurg in La piel que habito | ||
(Foto: Tobis Film GmbH) |
»It’s a cursed festival«, »das Festival ist verflucht«, meinte irgendwann die spanische Kollegin und gute Freundin Violeta Kovacsics aus Barcelona, über das diesjährige Jahr in Cannes. Und sie meinte damit nicht etwa die Filme dieses tatsächlich sehr aufregenden, intensiven, vielfältigen Festivaljahrgangs, nein, im Gegenteil. Aber die Häufung von persönlichen Missgeschicken unter den Kollegen, von denen hier jeder erzählen kann, in diesem Jahr schon auffällig. Gerade am zweiten Donnerstag, als wir uns schon mit den Folgen von Lars von Triers Pressekonferenz herumschlagen mussten, war so ein Tag. In der Nacht zum Freitag ist Violeta auf dem Nachhauseweg gestürzt und hat sich zwei Finger gebrochen. Drei Stunden Krankenhaus waren die Folge. Wir haben unser Telefon unter uns völlig unerklärlichen Umständen verloren – im Kino. Zehn Minuten vorher hatten wir noch drauf geguckt. Und daher schon zum zweiten Mal mit dem absurden »Lost & Found«-Büro des Festivals Bekanntschaft gemacht. »Wenn Sie wüssten, was hier alles gefunden wird«, erzählt der Mann am Schalter. Unseren Pullover haben wir wiederbekommen. Mit dem Telefon ist das natürlich nicht passiert.
+ + +
Wodurch sich Cannes bisher immer sehr wohltuend von anderen Festivals unterschieden hat, war der stilvolle und vor allem rationale Umgang mit den Berichterstattern. Dies ist das einzige Festival von Rang, bei dem man nicht dafür bezahlen muss, dass man berichten darf.
In diesem Jahr begann dieser Eindruck sachte zu bröckeln: Aus unerfindlichen Gründen wurden hier an den letzten drei Tagen die Taschen auch beim Eingang ins Palais kontrolliert. Vorher, sprich: In der Zeit, als ganz viele da waren, hatte man darauf verzichtet. Auf die Frage, was man suche, hieß es: »Scheren, Messer, Pistolen…« Viel schwerer wiegt, dass man erstmals in die Kinos keinerlei Getränke und Essen mitnehmen darf. Auch kein Wasser und keine Kleinigkeiten wie Äpfel. Da man im Palais nichts kaufen kann, und es auch kaum Sponsorenwasser gibt, ist so etwas auf die Dauer belastend. Entweder man muss raus und Wasser kaufen, oder man verbringt den ganzen Tag ohne Getränke. Also schmuggeln alle Getränke in ihren Taschen, und auf den Kontrolltischen vor dem Eingang türmen sich Wasserflaschen und Schokoriegel. Mit solchen Schikanen macht sich das Festival nur lächerlich.
+ + +
Zu den deprimierendsten Erfahrungen dieser Festivalwoche gehört die »Spiegel«-Hörigkeit der Redaktionen, bis zu den allerbesten von ihnen. Die zeigte sich im Fall Lars von Trier. Der »Spiegel«, das ist nichts Neues, hat die Filmberichterstattung fast aufgegeben und wartet eher auf solche Momente, wie die Pressekonferenz des Dänen. Am Telefon am Tag zuvor und im Angesicht der dpa-Meldung war man noch ganz gelassen gewesen. Erst als der »Spiegel« unter der Überschrift »Eklat in Cannes« »berichtete«, war das Thema auf einmal wichtig. Da denkt man doch: Selber schuld, wenn ihr Euch von der Konkurrenz die Themen diktieren lasst.
+ + +
La piel que habito (Die Haut, in der ich wohne) heißt der neue Film von Almodóvar – eine sehr positive Überraschung. Der Film erzählt, je nach Lesart, entweder eine sich überkreuzende Rachegeschichte, oder er bietet eine moderne Variation des Frankensteinmythos. Im Zentrum steht ein berühmter Schönheitschirurg – was für eine lustige Idee, den mit Schönling Antonio Banderas zu besetzen! –, dessen Frau vor ein paar Jahren bei einem schrecklichen Unfall verheerende Brandwunden erhielt – jetzt lebt sie in einem abgeschlossenen Areal im Privathaus des Arztes, und wird allmählich wieder hergerichtet. Dafür schreckt der Arzt Robert vor keinem Experiment und Bruch mit ärztlicher Ethik zurück: Künstlich gewachsene Haut wird verpflanzt, Blut von Tieren ebenso verwendet, wie Schweinezellen. Von Mutation und Transgenesis ist die Rede – der schöne Doktor argumentiert schlüssig: »Wir intervenieren doch in alles. Wir ändern alles durch künstliche Eingriffe. Warum sollen wir ausgerechnet uns selbst verschonen?«
Inszeniert ist das voller hübscher, anspielungsreicher Details: Das Blut kommt aus Deutschland, der Arzt isst gern Honig und hat dazu im eigenen Haus auch eigene Bienen, sowie ein Labor voller Schaben und Käfer – da sind dann Passagen, in denen der Film minutenlang an ein Cronenberg-Werk erinnert. Wichtiger ist die Frage: Wieviel hat das Wesen, das Vera genannt wird, und das dort in edlen Räumen zwar wunderschön anzusehen, aber traurig, selbstmordgefährdet und irgendwie »anders« vor sich hinlebt, noch mit Roberts Frau gemeinsam? Sie fragt ihn immerhin irgendwann: »Können wir nicht leben, wie alle? Wie die ganze Welt?« – »Wir sind doch nicht wie alle.« – »Sieh es als eines Deiner Experimente.« Sie bekommt Opium, und schreibt mit Make-Up-Stift an die Wand: »Das Opium hilft mir, zu vergessen.«
Es ist ziemlich gut, wie Almodóvar uns Zuschauer auf die falsche Fährte führt. Denn im Laufe des Films stellt sich dann heraus, dass die Eingriffe des Arztes noch viel weiter gehen, als geahnt.
+ + +
Trotzdem ist dies nicht so sehr ein Thriller über die Hybris der Wissenschaft, sondern vor allem in Melodram auf den Spuren von Hitchcocks Vertigo: Auch hier geht es um einen Mann, der seine Frau verloren hat, und nun eine künstliche Frau nach seinen Vorstellungen gestaltet. Wie immer bei Almodóvar ist das nicht nur klug und thematisch äußerst reichhaltig, sondern auch überaus schön anzusehen: Offen bekennt sich der Spanier zu Einflüssen von Tizian und Louise Bourgois, dem Modeschöpfer Gaultier und dem Genetiker Dawkins. Aber auch zu seinem Fetischismus: Vera trägt meist einen Dress aus hautfarbenem Strumpfhosenstoff – eine zweite Haut aus Kleidern. Und immer wieder gibt es Momente, die an diesen speziellen Fetischismus mancher Pornos und Sexspiele erinnern, die um zweite Häute kreisen, von hautengen Leder- und Gummianzügen über Ganzkörperstrumpfhosen bis zu Pseudo-Tierhäuten, die wir auch von Catwoman und Cat People kennen.
+ + +
Völkerkunde. Vor dem Premieren-Screening des schönen Dokumentarfilms Michel Petrucciani von Michael Radford wird eine Sitz-Reihe für das Filmteam freigehalten. Alle Zuschauer akzeptieren das. Außer zweien. Sie diskutieren mit der älteren Saalordnerin. Es sind, das ist am Akzent schnell zu hören, mal wieder Italiener. Es geht dabei gar nicht so sehr darum, ob sie hier die Regeln akzeptieren oder nicht, wobei die Regeln in Cannes fast immer ziemlich erträglich und unbedingt rational begründet sind – Ausnahme: Die Wasserbeschlagnahme. Es geht eher darum, dass es, wenn auf Filmfestivals irgendwo an der falschen Stelle diskutiert wird, es sich zu 90 Prozent um Italiener handelt, und dass die dann ihre offenbar im Übermaß vorhandene Streitlust mit Vorliebe an Subalternen wie Saalordnern auslassen, gern mit ihren tollen italienischen Mobiltelefonen irgendwelche Chefs anrufen, immer lauter werden, und irgendwann alles Maß verlieren: Die Debatte mündete dann in ein »Fucking French« des Italieners. Irgendwann gab die Frau entnervt auf, und ließ die beiden in die Reihe, wo sie dann eine Viertelstunde allein saßen. Jetzt kann man natürlich sagen, das sei hier alles nur typisch deutsche Italienverachtung und verkappter Rassismus. Glaube ich aber nicht, ist einfach Erfahrung.
Dem Ganzen den Gipfel setzten die beiden dann auf, als sie in der Mitte der Vorführung aufstanden, und gingen – »typisch!« möchte man sagen.
+ + +
Viel schwieriger, schrieb einst der politische Realist Machiavelli, als die Macht zu erringen, sei es, sie zu erhalten. Diese Erfahrung hat jetzt erst Dominique Strauss-Kahn gemacht. Unabhängig davon ob und was er genau gemacht hat, wurde er von den Medien öffentlich skalpiert und an einem rostigen Fleischerhaken aufgehängt. Das demokratische Prinzip der Unschuldsvermutung gilt für Politiker schon längst nicht mehr, Strauss-Kahn war als Sozialist, Jude und Franzose der gefundene Sündenbock für die US-Medien, flankiert von der unheiligen Allianz zwischen europäischem Boulevard und Feminismus. Auch wenn das New Yorker Dienstmädchen ihre Aussage noch heute komplett widerrufen würde – Strauss-Kahns politische Karriere wäre ruiniert. Die DSK-Affaire kam für Nicholas Sarkozy auch sonst zur rechten Zeit. Denn sie überschattete Premiere und Kinostart eines Films, der dem französischen Staatspräsidenten unter anderen Umständen höchst unangenehm sein könnte.
+ + +
Es mag gut sein, dass der Nicholas Sarkozy derzeit gerade die Erfahrung macht, wie recht Machiavelli mit seiner Bemerkung über Machterringung und Machterhalt hat. Andererseits war der Aufstieg, das zeigt Xavier Durringers Spielfilm La conquête jetzt, schon schwer genug. In Cannes hatte der in Frankreich mit Spannung erwartete Film außer Konkurrenz im Wettbewerb eine Premiere. Jetzt ist er in den Kinos gestartet.
Voller sprechender Details und mit vielen boshaften Spitzen gegen Sarkozy und seine innerparteilichen Rivalen schildert der Film den Weg Sarkozys zur Präsidentschaft wie ein Königsdrama von Shakespeare als Kampf innerhalb des gleichen Lagers. Der Film beschreibt den großen Ehrgeiz des kleinen Mannes, den sein Konkurrent, der großgewachsene zwischenzeitliche Außen und Premierminister Dominique De Villepin immer nur den »Zwerg« nennt, und bietet auch Szenen der zerbrechenden Ehe zwischen »Sarko« und seiner Frau Cecilia, die ihm bereits insgeheim in Trennung lebend, im Wahlkampf noch als Beraterin zur Seite stand.
+ + +
Ein solcher Film wäre in Deutschland völlig unmöglich – schon aufgrund eines in Europa einmalig scharfen Persönlichkeitsrechts, in dem selbst eine Figur nur dann »Kanzler« heißen darf, wenn mit Angela Merkel möglichst keine Eigenschaft teilt. In Frankreich kennt man dergleichen Schutzrechte für die Mächtigen nicht. In La conquête, der sich als von nur »inspiriert« bezeichnet, genügt es, den Film zu Anfang als »a work of fiction« zu bezeichnen – dann tragen aber alle Beteiligten ihren richtigen Klar-Namen, und keines dieser Portraits ist schmeichelhaft: Sarkozys Vorgänger Jacques Chirac – »Ich mache keine Politik für die Politiker, ich mache Politik für Frankreich« – säuft und flucht, läuft zuhause im mit Barockmöbeln ausgestatteten Elysee meist in geschmacklosen roten Trainingsanzügen herum, und ist ein mit allen Wassern gewaschener, opportunistischer Intrigant. De Villepin sieht etwas besser aus, vielleicht aber nur, weil er den Kampf um die Präsidentschaft verliert.
+ + +
Am schlechtesten aber kommt Sarkozy selbst weg: Von Ehrgeiz zerfressen, neidisch, misstrauisch, verlogen – Sarkozy benimmt sich und redet in diesem Film wie Little Cesar im gleichnamigen Hollywood-Klassiker, der Boss einer Mafiagang: »I'll be everywhere at once. Keep them guessing. Lounch 8 projects. They'll be punch-drunk. I'll be headline minister!« … »I’m alone. I forged myself and I'll fight to the end. I know Chirac better than he knows me. He won’t catch me. He is history. I am free. I am alone and i am free. And you Dominique... you are a dead man.« Auch Dialog-Sätze aus dem Film könnten von Machiavelli stammen: »Sei Schöpfer und Zerstörer. Mach die Nachrichten und kommentiere sie.« Sarkozy – »Ich bin ein Ferrari.« – erscheint als einer der jede Handlung dem Machttrieb unterordnet und seine politischen Ziele wie die Hemden wechselt. Ein Konkurrent sagt über ihn: »Es wäre falsch zu glauben, er hätte Überzeugungen. Er hat nur Behauptungen.« Und mehr als einmal werden nachbessernde Transformation des politischen Image nötig: Mal erscheint Sarkozy als zu pro-amerikanisch, mal als nicht sozial genug – alles eine Frage des Spin-Doctoring. Seine potentiellen Wähler sieht »Sarko« nicht mehr als Bürger, sondern als Konsumenten nach deren Bedürfnissen er sein Programm designet.
+ + +
Darin zeigt Durringer den Amtsinhaber allerdings nur als erfolgreichstem Repräsentanten eines politischen Systems, das zur Problemlösung zunehmend nicht mehr in der Lage ist, weil es keine Überzeugungen hat, nach denen es vorgehen kann. Zugleich entfaltet der Regisseur Milieu und Rhetorik des Rechts-Populismus. Sein Portrait dürfte nicht nur in Frankreich als treffend empfunden werden.
Sarkozy ist derjenige, der das öffentliche Bild des Politikertypus und das Verhältnis zwischen Politik und Medien in Frankreich denkbar radikal verändert hat. Dies, weil er den Politiker als Star gegeben hat, weil er beschloss, auf die »Karte Transparenz« zu setzen. Gemeint war damit natürlich nicht Aufrichtigkeit, sondern Transparenz als Ideologie, als Ablenkung vom Wesentlichen: Zum ersten Mal in Frankreichs Geschichte tauchte ein Politiker in Klatschmagazinen auf, ließ sich beim Joggen, am Strand mit Sonnenbrille fotografieren und mit seiner Geliebten, einem Modell. Später wird er im Film einmal sagen: »This transparency-shit binds us to reality.« Natürlich gehört zu all dem nicht minder eine Presse, die kuscht, und das böse Spiel mitspielt. Sarkozy gewann bei der Wahl 2007 80 Prozent der Rechts-Wähler, weil er so ist wie sie. Es ist Dominique de Villepin, der einmal in dem Film nicht ganz unzutreffend über Sarkozy sagt: »Der Zwerg wird Frankreich auf seine Größe herunterstutzen.«
Blendend und mit sichtbarem Vergnügen spielen die Schauspieler ihre auch in Gestik, Sprachduktus und kleineren Verhaltensticks wohlbekannten Figuren überaus nahe an ihren Vorbildern in der Wirklichkeit. Besonders Bernard Le Coq als Chirac und Denis Podalydes in der schwierigen Hauptrolle beeindrucken.
So ist La conquête, ohne dass er mit großen Enthüllungen oder neuen Einsichten aufwarten könnte, und auch wenn er gegen Ende ein wenig auf der Stelle tritt, ein Lehrstück darüber geworden, wie ein unterhaltsamer Politthriller im Kino aussehen kann, wie sich manche oft ernüchternde Einsicht über den Politbetrieb vermitteln ließe. Man wünscht sich mehr solche Filme.
+ + +
»Politics – a stupid job done by intelligent people.« heißt es in La conquête einmal. Dieser Film bietet nur ein Fallbeispiel für eine allgemeine Entwicklung, die in allen Demokratien des Westens zu beobachten ist: Die politische Debatte im eigentlichen Sinn des Wortes, ist verschwunden. Stattdessen dominiert das politische Vakuum. Politiker haben Redenschreiber und üben deren Texte vor öffentlichen Auftritten passgenau ein. Sie haben Maskenbilder und Modeberater. Sie haben immer nur ein Publikum, das ihnen zujubelt, und umgekehrt Journalisten, die sie kritisieren.
Mehr und mehr erscheint Politik – praktisch wie ästhetisch – als Film Noir: Ein Ort der Männerbünde, der Macht, der von Bodyguards abgeriegelten Männerwelten aus Beton, Stahl und Glas: der Büros, Restaurants, Limousinen, der Sonnenbrillen. Eingehüllt in den Kokon eines fragwürdigen Ehrbegriffes und seines Schweigegelübdes, das dem Kult des Geheimnisses dient. Telefonanrufe werden nur noch mit der Hand vor dem Mund geführt, weil Medien Lippenleser beschäftigen.
+ + +
Diese abstraktere Seite der Politikerwelt wird gut getroffen in Pierre Schoellers L’exercise de l’état, der gleichfalls in Cannes uraufgeführt wurde. Olivier Gourmet spielt darin Bertrand Saint-Jean, Minister für Transport in einer fiktiven französischen Regierung. Saint-Jean ist ein Hoffnungsträger. Noch recht unberührt von der Macht ist er einer, der mit Idealen beginnt, und einen Desillusionierungsprozess erlebt. Auch hier steht im Zentrum aber die reale Umwelt des zeitgenössischen Politikerberufs: die Limousinen, die Bodyguards, die Blackberrys. Die Leute hinter den Institutionen. Die Strippenzieher, die wir nie sehen. Der Film zeigt, dass politische Entscheidungen von Gruppen getroffen werden. Zeigt ihre Dynamik, das unsichtbare Wesen der Macht: Dominanz und Unterwerfung als Schlüsselelemente, Demütigung als Notbehelf. Auch wenn es am Ende nur eine Person ist, der Minister, die die Entscheidung trifft, und dafür einstehen muss.
»Wir sagen immer das Gleiche.« wundert sich der Minister selbst. »Zwei von drei Dekreten, die wir erlassen sind reiner Aktionismus. Sie werden vom Budget gestoppt.« Irgendwann hat er einen schweren Autounfall, bei dem sein Fahrer stirbt. Seine neu gewonnene Popularität nutzt der Präsident sofort zur Beförderung: »Aber spiel ja nicht den Radikalen. Gewinn einfach die 5 Prozent zurück, die wir durch die Privatisierung verloren haben.«
+ + +
Bei Kaffeetrinken komme ich am Tag vor der Preisverleihung über unterschiedliche Ansichten zu Malick ins Gespräch mit einer älteren Dame. Sie stellt sich dann nach zehn Minuten als die Mutter der Australierin Julia Leigh heraus, deren Film Sleeping Beauty hier vor zehn Tagen ganz zu Beginn des Wettbewerbs gelaufen war, und ziemlich schlechte Kritiken bekommen hatte. »Das hat ihr nichts ausgemacht« versichert die Mutter, für uns war allein die Einladung in den Wettbewerb schon ein Geschenk, das alle Erwartungen übertroffen hatte. Den Malick-Film fand sie »kitschig und enttäuschend … ich habe im Kino noch nie so häufig auf die Uhr geguckt, wie bei diesem Film.« Ihr persönlicher Favorit war dafür Melancholia.
+ + +
2011 dürfte als einer der besten Wettbewerbe der letzten Dekade in die Cannes-Geschichte eingehen: Man sah zwar viele bekannte Gesichter, doch gilt für Terrence Malick wie Lars von Trier, für die Dardennes-Brüder wie für den Spanier Pedro Almodóvar, dass sie etwas wagten, dass ihre Filme auf hohem künstlerischen Niveau Mut und Risikobereitschaft zeigten. Während Malick und Trier dabei auch vor den großen Menschheitsfragen nicht zurückschreckten, sozusagen mit Gott persönlich in den Ring stiegen, waren die Geschichten von Almodóvar und den Dardennes, intimer.