28. Filmfest München 2011
Damals war Schwerkraft überall |
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Die wundervolle Welt des Brent Green | ||
(Foto: EMPAC at Rensselaer) |
Von Dunja Bialas
Es macht immer wieder Freude, in München zu leben. Da gibt es die Isar, das Bier, den Blick auf die Berge. Es gibt die Oper, das Theater, ein paar Clubs. Und dann gibt es noch das Filmfest. Was allein schon toll ist, aber noch schöner ist, dass es immer wieder auch kleine Skandale um das Filmfest herum gibt. Denn eines sollte nicht vergessen sein: eine Stadt wie München braucht das Gerede, die kleinen Geschichten, um so richtig mit dem großen Event anbandeln zu können.
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Der erste Zeitungs-Schocker war die Tatsache, dass der neue Film von Wer-früher-stirbt-ist-länger-tot-Regisseur Marcus H. Rosenmüller Sommer in Orange abgelehnt wurde. Angeblich war der Film zu schlecht. Wenn man sich aber die Beschreibungen der deutschen Filme durchliest, kann man dies kaum glauben, dass ein Rosenmüller hinter dem präsentierten Programm zurückfallen könnte. Da Rosenmüller gemeinhin als Kassenfüller gilt und seine Filme in der Liga der »Publikumslieblinge« spielen, ließ die Münchener Abendzeitung auch Sommer-in-Orange-Verleihchef Benjamin Herrmann vom Majestic-Filmverleih zu Wort kommen, der den »Hardcore-Arthouse«-Geschmack der Festivalmacher anprangern durfte. Ein kleiner Wermutstropfen fürs regionale Publikum, das den neuen Rosenmüller bestimmt gerne auf dem Filmfest gesehen hätte (der Film kommt am 18. August aber ohnehin in die Kinos), und verwunderlich fürs Filmfest, den Lokalmatadoren zu verprellen, ist doch das Filmfest mit den Reihen »Neues Deutsches Kino« und »Deutsche Fernsehfilme« eine der wichtigsten Plattformen für die deutsche respektive die bayerische Filmwirtschaft. Noch mehr verwundert es aber, dass die Tatsache, dass Rosenmüller nicht auf dem Filmfest laufen werde, an die Presse gegangen ist. Solche Festival-Interna gehören eigentlich nicht an die Öffentlichkeit. Die Münchner hat’s gefreut: Wurde doch so in den Wochen vor dem Filmfest am meisten über den Film geredet, der auf dem Filmfest nicht zu sehen sein wird.
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Noch ein Film, der nicht auf dem Filmfest laufen wird: Peter Kern, der schwergewichtige Regisseur aus Österreich, hat kurz vor Festivalstart seinen neuen Film Mörderschwestern aus dem Programm zurückgezogen, nachdem ihm mitgeteilt worden war, dass dieser Film zweimal in den Museum-Lichtspielen gezeigt werden würde. In einem »Mäusekino«, empörte sich Kern, mit 80 Sitzplätzen. Und dies, so Kern, für eine Weltpremiere. Da die Filmkopie schon nach München geschickt worden war, ließ er sie kurzerhand beschlagnahmen. Dazu ist zu sagen: 1. Es ist richtig, dass die Museum-Lichtspiele Mäusekino sind, wenn auch ein sympathisches. 2. Es ist vermutlich richtig, dass Peter Kern und sein Darsteller Helmut Berger allemal einen 200+x-Saal gefüllt hätten, man kann sich also über die Mäusekino-Programmierung eigentlich nur wundern. 3. Es stimmt nicht, dass Mörderschwestern als »Weltpremiere« auf dem Filmfest gezeigt worden wäre, der Film lief schon auf der Diagonale in Graz. Kern hat geschwindelt, und das Filmfest hat’s geglaubt. 4. Eines bleibt ein für allemal festzuhalten: München ist eine Provinzstadt mit Ambitionen, und ein Österreicher hat hier schon lange nichts mehr zu sagen. Womit wir dann fast schon bei Cannes und Lars von Trier wären.
Und deshalb hat das Filmfest Kern auch auf immer und ewig »Hausverbot« erteilt. Woraufhin dieser Randale ankündigte. Freistaat Bayern, mach schon mal die Wasserwerfer startklar… (Mörderschwestern, nicht am Samstag, 25.6., Museum Lichtspiele 1, 22:30 Uhr und auch nicht am Montag, 27.6., Museumlichtspiele 1, 17:30 Uhr – Schade!)
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Für die Kenner des Filmfest-Programms ergibt sich mindestens noch ein weiterer, wenn auch weniger offensichtlich skandalöser Punkte. Dabei könnte es doch eigentlich so schön sein: Bei dem soeben zuendegegangenen Kurzfilmfestival wurde ein Workshop mit Roger Coman abgehalten, das Werkstattkino zeigte dazu eine umfassende Reihe mit Filmen des »King of B«. Und nun ist beim Filmfest ein Dokumentarfilm über Roger Corman zu sehen, sozusagen als Theorie-Ergänzung zur Leinwand-Praxis zuvor. Schade nur, dass das Filmfest sich so gar nicht gefreut hat über die Programme, die im Werkstattkino respektive bei der Filmwerkstatt abliefen. Zusammen und nicht gegeneinander solle man arbeiten, hieß es da. Wie bloß, um alles in der Welt, kann das Kurzfilmfestival ahnen, was das Filmfest in petto hat? Anstatt sich zu freuen, jetzt auf dem Trittbrett fahren zu dürfen, das das Werkstattkino und das Kurzfilmfestival bereitet haben, gab es einen Rüffler von den big playern der Filmfestwochen GmbH. Ein seltsamer Einschüchterungsversuch dies. Der in amerikanischer Doku-Art verfasste Film (viele Mitstreiter und Leute, denen Corman den Weg bereitet hat, wie Jack Nicholson, Peter Fonda oder Martin Scorsese, erinnern sich an die Aufbruchstimmung hin zum New Hollywood, die Interviews werden mit Musik unterlegt, es gibt viele Filmausschnitte zu sehen, sprich: der Film ist informativ, aber von der Stange) läuft nur einmal: Corman’s World: Exploits of a Hollywood Rebel, Samstag, 25.6., 24 Uhr, Rio 1. Der 85-jährige Altmeister wird zur Vorstellung erwartet.
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Noch ein Filmtipp für den Samstag, der, bei näherer Betrachtung auch ein Skandälchen in sich birgt, zeigt er doch auf, wie beim großen Filmfest die kleinen Filme regelrecht »verheizt« werden. Gravity was Everywhere Back Then heißt ein wahres Kleinod an Film in der Reihe »American Independents«. Regisseur Brent Green versteht sich eher als Filmkünstler denn als Filmemacher und hat in liebevoller Bastelarbeit eine wahre Filmpräziose hergestellt. In Stop-Motion-Technik und mit realen Schauspielern erzählt er die verzweifelte Geschichte von Leonard Wood, dessen Frau Mary an Krebs erkrankt ist. Er möchte für sie ein Haus bauen, in dem sie sich wohl fühlt und gesunden kann. Green errichtet in seinem Film ein ganz eigenes, verwunschenes Universum, voller Bastlergimmicks und traurig-schönen Stop-Motion-Momenten. Eine Filmtrick-Animation voller Erhabenheit. Schade nur, dass in dem Programmheft, das allen zugänglich ist, nichts vom wesentlichen Merkmal des Films drinsteht, das hätte vielleicht den einen oder anderen Trick-Fan dazu bewegen können, sich in den verhassten Vortragsaal der Bibliothek des Gasteig zu begeben. Ein Nicht-Kino für den Kunstfilm des Filmfestprogramms auszuwählen, auch dies ein kleiner Skandal. Da haben die Programmer wohl nicht auf den Film vertraut. Dass dieser dann vermutlich nicht sein Zielpublikum erreichen wird, muss als selbsterfüllende Prophezeiung gelten. Wir trauern um diesen schönen Film. (Gravity was Everywhere Back Then, Samstag, 25.6., 14:30 Uhr und Dienstag, 28.6., 20:00 Uhr, jeweils Vortragssaal der Bibliothek im Gasteig)