28. DOK.fest München 2013
Wer wird denn weinen? |
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Trefflich durchgestylt: Die 727 Tage ohne Karamo |
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(Foto: FILMladen) |
Von Natascha Gerold
»Wie wir zum Flughafen kommen, sind uns so viele glückliche Menschen entgegengekommen, die Pärchen haben sich umarmt und geküsst, und ich – musste meinen Liebsten abschieben.« In Die 727 Tage ohne Karamo von Anja Salomonowitz steht die Frau mitten im Flughafen, während sie von ihrer Beziehung mit einem Mann erzählt, der Österreich wieder verlassen muss. Was soll daran dokumentarisch sein, wenn die Betriebsamkeit hinter der Frau inszeniert ist, ihre Worte nachsynchronisiert sind und keine Träne die Traurigkeit über die Erinnerung belegt?
Und wie ist das Wolfram Hukes Texten aus dem Off – darf er seinen Film Love Alien noch Dokumentarfilm nennen, wenn er sein mitunter sehr deprimierendes Leben aus einem Jahr Single-Dasein ironisch mit der Du-Anrede kommentiert? Huke und Salomonowitz nehmen sich die Freiheit, mit fiktionalen oder arrangierten Mitteln Distanz zum Thema Liebe zu schaffen und den Alltag ihrer jeweiligen Protagonisten zu überhöhen – Huke den von sich selbst, Salomonwitz den von 21 Paaren in Österreich, bei denen der jeweils eine Partner aus einem Nicht-EU-Mitgliedsland kommt. In beiden Filmen geht es um Liebe im gesamtgesellschaftlichen Kontext, nicht um Liebe als zwischenmenschliches Phänomen. Sie kann nicht gelebt werden, entweder weil sie nicht vorhanden ist (Love Alien) oder weil Politik und Gesetz dafür unüberwindbare, absurde Hürden geschaffen haben (Die 727 Tage ohne Karamo).
Das möglicherweise inszenierte Chaos in der Studentenbude von Huke. Die bestimmte Farbe, die Salomonowitz in jeder Szene zeigt und so die Protagonisten als Kollektiv kennzeichnet – Es scheint, als müssen sich Dokumentarfilmer, erstaunlicherweise und ausgerechnet bei anderen Künstlern oder Medienmachern, immer noch ob der Methoden rechtfertigen, mit denen sie ihre Geschichten erzählen. Oft geht das leider auf Kosten wichtiger Inhalte, die bei solchen Diskussionen meist zu kurz kommen, wie man einmal mehr beim Podiumsgespräch am 12. Mai 2013 über den Film von Anja Salomonowitz in den Kammerspielen erleben konnte.
Die 727 Tage ohne Karamo Mi., 15.05., 19:00 Uhr, Arri
Love Alien Mi., 15.05., 20:30 Uhr, Rio
www.dokfest-muenchen.de