15.05.2013
28. DOK.fest München 2013

Wer wird denn weinen?

Die 727 Tage ohne Karamo
Trefflich durchgestylt:
Die 727 Tage ohne Karamo
(Foto: FILMladen)

Die 727 Tage ohne Karamo von Anja Salomonwitz und Love Alien von Wolfram Huke – eine Doppelkritik zum Ende des 28. Dok.fests

Von Natascha Gerold

»Wie wir zum Flughafen kommen, sind uns so viele glück­liche Menschen entge­gen­ge­kommen, die Pärchen haben sich umarmt und geküsst, und ich – musste meinen Liebsten abschieben.« In Die 727 Tage ohne Karamo von Anja Salo­mo­no­witz steht die Frau mitten im Flughafen, während sie von ihrer Beziehung mit einem Mann erzählt, der Öster­reich wieder verlassen muss. Was soll daran doku­men­ta­risch sein, wenn die Betrieb­sam­keit hinter der Frau insze­niert ist, ihre Worte nach­syn­chro­ni­siert sind und keine Träne die Trau­rig­keit über die Erin­ne­rung belegt?

Und wie ist das Wolfram Hukes Texten aus dem Off – darf er seinen Film Love Alien noch Doku­men­tar­film nennen, wenn er sein mitunter sehr depri­mie­rendes Leben aus einem Jahr Single-Dasein ironisch mit der Du-Anrede kommen­tiert? Huke und Salo­mo­no­witz nehmen sich die Freiheit, mit fiktio­nalen oder arran­gierten Mitteln Distanz zum Thema Liebe zu schaffen und den Alltag ihrer jewei­ligen Prot­ago­nisten zu überhöhen – Huke den von sich selbst, Salo­mon­witz den von 21 Paaren in Öster­reich, bei denen der jeweils eine Partner aus einem Nicht-EU-Mitglieds­land kommt. In beiden Filmen geht es um Liebe im gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Kontext, nicht um Liebe als zwischen­mensch­li­ches Phänomen. Sie kann nicht gelebt werden, entweder weil sie nicht vorhanden ist (Love Alien) oder weil Politik und Gesetz dafür unüber­wind­bare, absurde Hürden geschaffen haben (Die 727 Tage ohne Karamo).

Das mögli­cher­weise insze­nierte Chaos in der Studen­ten­bude von Huke. Die bestimmte Farbe, die Salo­mo­no­witz in jeder Szene zeigt und so die Prot­ago­nisten als Kollektiv kenn­zeichnet – Es scheint, als müssen sich Doku­men­tar­filmer, erstaun­li­cher­weise und ausge­rechnet bei anderen Künstlern oder Medi­en­ma­chern, immer noch ob der Methoden recht­fer­tigen, mit denen sie ihre Geschichten erzählen. Oft geht das leider auf Kosten wichtiger Inhalte, die bei solchen Diskus­sionen meist zu kurz kommen, wie man einmal mehr beim Podi­ums­ge­spräch am 12. Mai 2013 über den Film von Anja Salo­mo­no­witz in den Kammer­spielen erleben konnte.

Die 727 Tage ohne Karamo Mi., 15.05., 19:00 Uhr, Arri
Love Alien Mi., 15.05., 20:30 Uhr, Rio

www.dokfest-muenchen.de