66. Berlinale 2016
Wie erzählt man das Universum einer Stadt? |
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In den letzten Tagen der Stadt | ||
(Foto: Berlinale | Akher ayam el madina) |
»Do not despair life and do not live in despair«
Mustafa Kemal Pascha, zitiert nach »In the Last Days of the City«»Where has poetry gone? Poetry is everywhere.«
»In the Last Days of the City«
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Der Caligari-Filmpreis 2016 geht an den ägyptischen Spielfilm Akher ayam el madina (In den letzten Tagen der Stadt) von Tamer El Said, über den ich schon in Folge 11 geschrieben hatte. Und über den ich bestimmt noch öfters
schreiben werde. Ein toller Film!
Ich bin in diesem Fall aber alles andere als neutral, da ich zusammen mit den beiden tollen, sympathischen südwestdeutschen Kinobetreibern Christine Müh (Kommunales Kino Pforzheim) und Wolfgang Dittrich-Windhüfel (Kommunales Kino Freiburg) die Jury gebildet habe.
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Unsere Jurybegründung lautet folgendermaßen: »Eine märchenhafte Suche nach der verlorenen Zeit und dabei ganz gegenwärtiges, hellwaches Kino. Ein Film, der essayistisch ist, fiktional und dokumentarisch, ein Film über das Filmemachen, ein intimes Selbstporträt und eine Betrachtung des letzten Sommers vor der Revolution – nostalgisch, sinnlich, klug.
Wie erzählt man im Kino das Universum einer Stadt? Diese Frage beantwortet dieser Film aufs Überzeugendste:
nämlich fragmentarisch, mit wachem Auge sich dem Zufall hingebend und zugleich mit ausgefeilter Inszenierungskunst.
Dies ist ein Film, der große Vorbilder kennt, ob sie nun Rossellini heißen, Godard, Chris Marker oder vielleicht auch Dominik Graf – der sich aber nie sklavisch von ihnen abhängig macht. Er stellt uns indirekt und voller stilistischer List unter der Hand eine ganze Region vor, die viel zu Unrecht lange im Schatten lag, und jetzt zwar im Fokus liegt, aber von
den Wolken der Dummheit und der Vorurteile wieder verdunkelt wird.
Dieser Film ist ein Paradebeispiel dafür, dass es im Kino nicht darum geht, ›politische Filme zu machen, sondern politisch Filme zu machen‹ (Godard). Das ist: Engagement und künstlerischer Aktivismus jenseits des allzu-Erwartbaren.«
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Der »Caligari-Filmpreis« ist etwas ganz Besonderes. Es ist einer beliebtesten Preise der Berlinale – denn er ist mit Geld verbunden. Mit 4.000 Euro, die zur Hälfte an den Preisträger gehen, und zur Hälfte an den Verleih oder für Werbemaßnahmen, mit denen weitere Kinoaufführungen oder auch eine Filmemachertour in Deutschland begleitet werden sollen.
Zum 31. Mal wurde der »Caligari-Filmpreis« bei der diesjährigen Berlinale vergeben – und zwar vom »Bundesverband
Kommunale Filmarbeit« gemeinsam mit dem Kinomagazin »Filmdienst«. Der Film geht »an einen stilistisch innovativen Film aus dem Programm des Berlinale Forums«. Damit soll die besondere Bedeutung dieser Sektion für die kulturelle Kinoarbeit gewürdigt werden. Wieder als Sponsor dabei ist die Firma Trikoton, die einen ungewöhnlichen Preis gestiftet hat. Das Modelabel aus Berlin überreicht dem Gewinner eine Decke aus ihrer „Voice Knitting Collection“, in die
Partitur-Auszüge der Komposition Giuseppe Becces zu dem expressionistischen Stummfilm Das Cabinet des Dr. Caligari eingestrickt sind.
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Wir haben auch zwei lobende Erwähnungen vergeben. Die eine geht an den mexikanischen Film »Tempestad« von Tatiana Huezo: »Eine Reise ins Reich der Finsternis. Ein Reich aus Gewalt, Menschenhandel, Korruption. In zwingend-intensiven Bildern nimmt uns dieser Film auf eine monströse Höllenfahrt. Zugleich handelt es sich um ein leidenschaftliches Plädoyer für die Freiheit.«
Die zweite geht an das senagalesischen Werk The Revolution Won’t Be Televised von Rama Thiaw. »Ein leidenschaftlich engagierter Film, Kino, das mitten rein geht ins Getümmel, zwischen die Polizeiknüppel und -kugeln, das Meetings, Kampagnen, Verhaftungen, Politik auf der Straße zeigt. Jenseits aller Klischees bringt uns die Regisseurin ihre Figuren ganz nahe – man beneidet ihren Enthusiasmus, wünscht sich solche Protestenergie auch hierzulande – politisches
Filmemachen als Manifestkino, getragen vom aktivierenden Sound der Musik.«