19.01.2017
Cinema Moralia – Folge 148

Die Rote Sonne war schuld

High and Low
Einer der besten Polizeifilme der Welt: Akira Kurosawas High and Low
(Foto: Akira Kurosawa)

Japaner, Chinesen, Deutsche: Drei Veranstaltungen zu Beginn des Filmjahrs – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 148. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»I don’t know. I’m not inte­rested in self-analysis. I do know my room was so cold in winter and so hot in summer I couldn’t sleep. Your house looked like heaven, high up there. That’s how I began to hate you. ... By the way it’s amusing to make fortunate men taste the same misery as the unfort­u­nate.«
Aus High and Low von Akira Kurosawa, 1963

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Einer der besten Poli­zei­filme der Welt. Wäre dies ein ameri­ka­ni­scher Film, wäre er von Michael Mann oder Raoul Walsh, in der deutschen Gegenwart ist vermut­lich Dominik Graf am nächsten dran. Männer­welten, aber mit Seele. Kein Wunder, denn dem Film liegt eine ameri­ka­ni­sche Novelle von Ed McBain zugrunde: »Kings Ransom«. Ein Film ohne Liebes­ge­schichte, ohne Küsse, dafür das Portrait einer Gesell­schaft, eines Verlusts, des Verschwin­denden. Des Kapi­ta­lismus und was mit ihm verschwindet...
Der Moral der alten Unter­nehmer, der Patri­ar­chen, durch die Unmoral der neuen. Dann ist das aber auch das Portrait der Polizei, des Systems bei der Arbeit, der harten langsamen Arbeit. Auch Polizei ist das langsame Bohren dicker Bretter.
Ein Bild der Bewegung vieler, der Medien, die sie umbinden, fast choreo­gra­phieren. Rock'n'Roll Zeiten auch in Japan unter ameri­ka­ni­scher Besatzung.
Am Ende in der Todes­zelle wird das Opfer, der Kapi­ta­list, der vieles verloren hat mit dem Täter, der fast grundlos tötete, konfron­tiert. Exis­ten­tia­lismus lässt grüßen, Camus' »Der Fremde«. Nur die Sonne war schuld, die Rote Sonne.

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High and Low, einer der besten Filme Akira Kurosawas lief bereits am letzten Sonntag in Mannheim, das musste sein, auch wenn es zu viel verlangt wäre, dass alles gezeigt würde. Es genügt, dass man hier endlich mal wieder auf einen der aller­größten Filme­ma­cher aller Zeiten aufmerksam macht, und ihm eine Tagung widmet: Im tradi­tio­nellen Film­se­minar »Psycho­ana­lyse und Film­theorie« im Mann­heimer Cinema Quadrat geht es am kommenden Wochen­ende drei Tage lang um Kurosawa.
Man darf gespannt sein, was die beiden unter­schied­li­chen Inter­pre­ta­ti­ons­an­sätze mit diesen Filmen machen, aber der alte Samurai ist so oder so unver­wüst­lich.

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Im Radio bei Bayern 2 geht es am kommenden Samstag um das chine­si­sche Kino. Die beiden Autoren des Features kennen sich aus. Sie haben unter anderem einen chine­si­schen Inde­pen­dent-Regisseur bei seiner Arbeit begleitet.

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Den Abgründen des deutschen Kinos spüre ich seit einiger Zeit selber nach. Die ersten Ergeb­nisse gibt es vor allem für unsere Leser im Westen der Republik morgen in Bochum zu hören und zu sehen. Der Rest muss sich bis Ende Februar gedulden. Dann startet im Farbfilm-Verleih Hitlers Hollywood, mein Kino-Doku­men­tar­film über das Kino der Nazis. Die aller­ersten Reak­tionen sind insofern lustig, als dass es viele schön finden, und sie sagen sie hätten viel gelernt, es aber manchen zu didak­tisch ist, andere (und manchmal dieselben) mehr Hinter­grund­in­for­ma­tionen wünschen, die einen die Antworten vermissen, den anderen zuviel erklärt wird – das kann ja heiter werden. Man kann es keinem recht machen, schon gar nicht bei den Nazis.
Und der Didaktik-Vorwurf ist derart beliebt und unhin­ter­fragt, dass man ihm unbedingt mal eine eigene »Cinema Moralia«-Folge widmen muss.

(to be continued)