34. Filmfest München 2017
Es lebe die Familie! |
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Paris kann warten – das Debüt der 81-jährigen Eleanor Coppola | ||
(Foto: Tobis Film GmbH) |
Dass jemand im Alter von 81 Jahren sein Spielfilmdebüt als Regisseurin gibt, ist ungewöhnlich. Erst recht, weil ein solches Debüt für Eleanor Coppola alles andere als eine leichte Angelegenheit ist: Denn als Frau des weltberühmten Regisseurs Francis Ford Coppola, als Mutter und Großmutter weiterer Filmemacher, wird das eigene Werk natürlich anders und strenger angeguckt, als bei einer gewöhnlichen spätberufenen Regisseurin.
Andererseits hat Eleanor ja niemand
gezwungen, die Komödie Paris kann warten zu drehen, in dem sie auch noch eine sehr persönliche Episode erzählt. Aber es ist in dieser Familie, zu der auch Talia Shire (»Rocky«) und die Neffen Nicolas Cage, Jason und John Schwartzman gehören, offenbar so, dass jedes Mitglied irgendwann auch einmal einen eigenen Film machen muss, und sei es, mit 81.
Im Fall von Eleanor Coppola liegen die Dinge
außerdem so, dass sie nie inaktiv, oder »nur Hausfrau und Mutter« war, was man sich in diesem Fall sowieso nicht turbulent genug vorstellen kann.
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1936 wurde sie in Los Angeles geboren, als Tochter eine Zeitungs-Karikaturisten, der starb, als sie zehn Jahre alt war. Sie studierte Design, und als Set-Designerin lernte sie 1962 Francis Ford Coppola kennen, als der sein Spielfilmdebüt drehte. Ein KInd, der erste Sohn Gian-Carlo war unterwegs, und es wurde geheiratet. In den nächsten Jahren wurde Francis Ford mit Filmen wie The Conversation und dem zweiteiligen Der Pate der berühmteste Regisseur Amerikas, während Eleanor noch den zweiten Sohn Roman und Tochter Sofia zur Welt brachte. Dann kam Apocalypse Now. Gedreht wurde dieses monumentale Vietnam-Epos auf den Philippinen, wo die Familie inklusive aller Vorbereitungen gute drei Jahre verbrachte. Als der Film 1979 die Goldene Palme gewann, und 150 Millionen im Kino einspielte, hätte man die chaotischen Dreharbeiten, bei denen Darsteller ausfielen, Filmsets zerstört wurden, und die Produktion mehr als einmal vor der Pleite stand, vielleicht vergessen. Aber Eleanor hatte drei Jahre lang die Dreharbeiten ohne falsche Ehrfurcht mit ihrer Kamera begleitet, und auch dann nicht weggeschaut, wenn es abgründig, entblößend, oder für ihren Göttergatten unangenehm wurde – so entstand, lange bevor »Making Offs« zum Standard wurden, Heart of Darkness. A filmmakers Apocalypse, eine intime Innenansicht über den genialen Wahnsinn des Filmemachens und das Wahnsinnsgenie Francis Ford Coppola, die sie zusammen mit George Hickenlooper drehte, einem leider früh verstorbenen alten Bekannten aus Ulla Rapps unvergessener Reihe mit den American Indiependents. Zusätzlich veröffentlichte sie auch noch ein Buch mit »Notizen über Apocalypse Now«, und man kann sagen, dass der Film zwar für sich schon ein Meisterwerk ist, aber erst durch Eleanor Coppolas Arbeit zur Legende wurde.
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Danach hat ihr Mann zwar viele weitere Filme gemacht, von denen zwar manche wichtig sind, aber nie wieder fand er zur Form der 70er Jahre. Nachdem er zwischendurch mit einem eigenen Studio fast pleite ging, verdient er heute gutes Geld als Weinproduzent, die Filme machen vor allem andere. Eleanor hat in dieser Zeit Kunstinstallationen mit Lynn Hershman gemacht. Paris kann warten, der jetzt beim Filmfest München Deutschlandpremiere hat, kommt daher aus dem Nichts: Die Geschichte über einen Filmemacher (Alec Baldwin), der mit seiner Frau (Diane Lane) und einem französischen Fahrer (Arnaud Viard) nach Paris fährt und dabei große räumliche wie psychische Umwege nehmen muss, ist offenbar autobiographisch inspiriert.
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Das sagt man auch den Filmen ihrer Tochter Sofia Coppola nach, die seit 1999 Regisseurin ist, aber in der harten Filmbranche von manchen immer noch vor allem als die Tochter ihres Vaters gesehen wird, trotz sechs ziemlich erfolgreichen Filmen, dem Gewinn eines Goldenen Löwen (2010) und im Mai einer Silbernen Palme in Cannes für de beste Regie in Die Verführten. Dieser Film, der diese Woche
ins Kino kommt, erzählt wie alle Sofia Coppola-Filme vom Leben und Erwachsenwerden in einem verfallenden Paradies – in diesem Fall in einem Mädcheninternat während des amerikanischen Bürgerkriegs. Dieser Ort, eine zur Schule umfunktionierte, etwas heruntergekommene Südstaatenvilla mit prächtigem alten Garten mit Rosen und riesigen Bäumen, ist einer jener typischen Sofia-Coppola-Orte – sehr verwandt dem Hotel in Lost in Translation, dem Wunderkammer-Versailles in Marie Antoinette und dem leerstehenden Paris-Hilton-Haus in The Bling Ring mit seinen vollgestopften, überquellenden Zimmern.
Die Verführten ist ein erwachsenes Märchen aus dem Old South. Die Gefahren und Bruchstellen bleiben aber immer spürbar unter der idyllischen, vom Kerzenschimmer erleuchteten Oberfläche: Urplötzlich durchzieht gelegentlich ein kühler Hauch die Schwüle. Sofia Coppola erzählt auch eine Untergangsgeschichte. Sie handelt von mehr, als nur den Folgen eines Krieges. Sie erzählt vom Abschied von einer Zivilisation, ein hochaktuelles
Vorlaufen zum Tode.
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Produziert hat den Film übrigens Roman Coppola, der 2013 mit Charlies Welt seinen zweiten eigenen Film gedreht hat, aber trotzdem lieber als Produzent und Drehbuchautor arbeitet. Beider Bruder Gian-Carlo kam 1986 bei einem Bootsunfall ums Leben. Aber zuvor setzte er eine Tochter in die Welt: Gia Coppola, der jüngste Sproß und die dritte Frau dieser italoamerikanischen Kinodynastie. Ihr Debüt Palo Alto (bei uns auf DVD) nach Kurzgeschichten von James Franco hatte vor drei Jahren in Venedig Premiere – eine Geschichte um das sehr universale Thema des sich-Verfehlens. Durch Zufälle, dadurch, dass man im falschen Moment am falschen Ort ist. Ein erstaunlich guter Film, der beweist – zumindest das große Talent haben diese drei Generationen Coppola-Frauen gemeinsam.