23.09.2017

James Bond trifft Kathrin Göring-Eckhardt

Submergence
Alles ganz ernst gemeint: Submergence mit Alicia Vikander und James McAvoy
(Foto: Warner Bros. Entertainment GmbH)

Das Unsichtbare in der Welt der Sichtbarkeit: Mit Wim Wenders eröffnet am Freitagabend das Filmfestival von San Sebastián – Notizen aus San Sebastián, Folge 2

Von Rüdiger Suchsland

»Umwelt ist nicht alles. Aber ohne Umwelt ist alles nichts.«
Aus der magenta-farbenen Wahl­kam­pagne der »Grünen«

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Blau-weiß, mit schwarzen Akzenten, genau wie das Team von Real Sociedad, sind in diesem Jahr auch Plakat und Schrift des Festivals.

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Submer­gence, Wim Wenders' neuer Film, glück­li­cher­weise in 2-D, weil Wenders für sein neues Lieb­lings­format nicht genügend Geld bekam, ist eine Liebes­ge­schichte, die sich über eine in jeder Hinsicht große Entfer­nung abspielt: Thema­tisch, denn es geht um Klima­wandel und Terro­rismus, räumlich, denn der Film spielt gleich­zeitig im afri­ka­ni­schen Somalia wie im arkti­schen Nord­at­lantik, in der Wüste und in der Tiefsee.
Die Haupt­fi­guren sind die Schwedin Danielle Flinders und der Schotte James More, gespielt von Alicia Vikander und James McAvoy – zufällig begegnen sie sich in einem Hotel in der nord­fran­zö­si­schen Normandie, zwei Fremde, die sich auf sehr unter­schied­liche Weise auf eine gefähr­li­chen Mission vorbe­reiten: Sie ist Meeres­wis­sen­schaft­lerin, kämpft gegen den Klima­wandel und will »das Leben« verstehen (wie Frauen das so tun, bei Filme­ma­chern wie Wenders sind Frauen immer die, die »Leben geben«), er tarnt sich als Wasser­bau­in­ge­nieur, arbeitet aber tatsäch­lich für den briti­schen Geheim­dienst. Das ist ja mal ein Einfall: Kathrin Göring-Eckhardt trifft James Bond! Und alles ganz ernst gemeint.
Während die Meeres­wis­sen­schaft­lerin eine gefähr­liche Tauch-Expe­di­tion unter­nimmt, bei der sie nichts Gerin­geres sucht, als den Ursprung unseres Lebens, versucht er als verdeckter Ermittler poten­ti­elle Selbst­mord­at­ten­täter unschäd­lich zu machen. Dabei gerät er selbst in die Fänge von Dschi­had­disten.

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»Es geht um viel Gewalt und Hass, ich wollte als Kontrast einen emotio­nalen Ansatz finden.«
Wim Wenders

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Die Grundidee dieses Film ist theo­re­tisch betrachtet zwar ganz schön roman­tisch, aber auch bezwin­gend. Wim Wenders selbst fasst sie so zusammen: »Two people fall in love and they soon realize, that this is the love of their life, but they both have very dangerous jobs – and that love gives them the strength to endure anything.«
Zwei Menschen finden also die Liebe ihres Lebens. Diese Liebe gibt ihnen die Stärke, alles zu über­stehen, was einem in der heutigen Welt so passieren kann.
Hoch­sym­pa­thisch naiv und unver­blümt glaubt Wim Wenders einfach an die Liebe, möchte an sie glauben, obwohl doch sein Film selbst zeigt, dass das Leben seine ganz eigenen Wege geht, und sind nicht um Gefühle kümmert. James wird in Afrika als Geisel genommen und verschwindet in einem dreckigen Loch, irgendwo in der Wüste, Danielle sitzt irgend­wann in einer Taucher­glocke, viele hundert Meter unter dem Meeres­spiegel – sie haben keinen Kontakt, ihre Liebe ereignet sich nur in ihrer Vorstel­lung, in ihrer Phantasie. Und wird dadurch um so inten­siver.

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Jeden­falls in der Theorie. De facto hat der gute Geheim­agent tatsäch­lich im Al-Quaida-Knast andere Sorgen, und sie, die doch eigent­lich die Welt retten wollte, verfällt flugs wieder ins Weib­chen­kli­schee­schema: Der Typ meldet sich nicht, also zweifelt sie halt an seiner Liebe, anstatt ein bisschen Vertrauen zu haben, und zu vermuten, dass er halt gerade Wich­ti­geres zu tun hat. Zum Beispiel die Welt zu retten, wie es einem Film­helden gebührt. Statt dies auf Augenhöhe und auf ihre Weise auch zu tun – wie es einer Film­heldIn nicht erst seit »Wonder­woman« nicht minder gebührt – glotzt sie fort­wäh­rend in ihr Telefon, wird zunehmend hyste­risch, fährt zwischen­durch gar mal an Land, weil der Empfang ihres Anbieters so schlecht ist – O2 oder was? –, und vergisst über der ganzen Bezie­hungs­chose den Untergang der Welt – so denun­ziert der Regisseur wider Willen seine Figuren.
Was Wenders mit dem Smart­phone macht, hätte er vor 30 Jahren auch mit Post­karten tun können – auch von Olivier Assayas »Personal Shopper« hat der Düssel­dorfer nicht gelernt, wie man aus Smart­phones Kino-Funken schlagen kann.

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Inter­es­sant an Submer­gence, dessen Titel soviel wie Abtauchen bedeutet, ist das theo­re­ti­sche Prinzip: Dass Wenders zwei Figuren zeigt, die sich im Unsicht­baren befinden inmitten unserer Welt der totalen Sicht­bar­keit.
So gut, so ausge­dacht. Wenders' Film ist auch der Versuch, der Lage unserer Welt zwischen Rechts-Extre­mismus, Terror und Klima­angst Bilder zu geben.
Das ist wie bei Wenders inzwi­schen üblich, ganz schön über­frachtet, und mündet gele­gent­lich in Szenen, die dann gut wären, wenn Wenders nicht immer schon wüsste, was er über die Alter­na­tiven Gewalt-Pazi­fismus, Religion-Wissen­schaft, Glauben-Bildung zu sagen hat, oder zur west­li­chen Verant­wor­tung für den mosle­mi­schen Terror. So mündet alles in Sprech­bla­sen­la­ber­kino, wie man es von Wenders kennt.
Zwar ist der Film immer noch sehens­wert wegen der hübschen Meeres­auf­nahmen und der zarten Strand­szenen. Seine Struktur tut dem Film aber gar nicht gut: Als ob das Hin- und Herspringen zwischen den Schau­plätzen in der zweiten Hälfte nicht genug wäre, gibt es auch noch Flash­backs und Flash­for­wards – es ist ein großes Kreuz und Quer, das den Betrachter immer wieder aus dem Film heraus­reißt, wenn man es mal geschafft hat, rein­zu­kommen.

(to be continued)