Cinema Moralia – Folge 189
Vor der Berlinale ist nach der Berlinale |
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Gundermann musste zehn Jahre auf seine Förderung warten | ||
(Foto: Pandora) |
»The first thing we do, let’s kill all the lawyers.«
William Shakespeare, »King Henry VI«
»Das muss der Markt regeln«, sagt man gern. Der Markt hat aber noch nie etwas »geregelt«. Er ist chaotisch. Eine Ausrede für Nichtstun, für Fatalismus.
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»Kulturelle Filmförderung jetzt!« lautet der Titel des nächsten, des 12. Akademie-Gesprächs an der Berliner Akademie der Künste. Der Titel ist weder besonders reißerisch noch provokativ, sondern bringt einfach die für jeden Beteiligten altbekannte Tatsache auf den Punkt, dass wir derzeit keine kulturelle Filmförderung haben. Was wir haben, ist eine
Mischförderung, mit der die leitenden Funktionäre des deutschen Filmbürokratiewesens ja auch ganz zufrieden sind.
In diesem Förder-Gemisch, in dem das Kulturelle, besonders da wo es radikal ist, an die Kandare der Wirtschaftlichkeit genommen und durch sogenannte »Erfolgskriterien« verwässert wird, entstehen keine Filme, die kulturell irgendwen außerhalb Deutschlands interessieren, und innerhalb auch kaum. Die wenigen Gegenbeispiele – kaum zehn Prozent pro
Jahr – lassen wir jetzt mal weg.
Der künstlerische Film spielt in der Kulturförderung jedenfalls eine Nebenrolle. Die Verteilung des Geldes ist an einen hypothetischen Publikumserfolg geknüpft – wobei bisher noch niemand erklärt hat, wie man eigentlich potentielles Publikum misst. Wie zum Teufel will man denn potentielle Zuschauerzahlen, die zu einer Bedingung für FFA-Förderungen geworden sind, berechnen?
Warum gibt es in Deutschland keine
Förderung für Filmemacher? Es werden keine Biographien und Filmographien gefördert. Dafür maßen sich Gremien und Intendanten Geschmacksurteile an.
Das führt dann zu absurden Ergebnissen. Beispielsweise hat Andreas Dresen zehn Jahre gebraucht, um Gundermann finanziert zu bekommen. Um das falsch zu finden, muss man den Film noch nicht mal mögen. Denn genau darum geht es: Um Förderung
jenseits des zufälligen Geschmacks. Aber auch um Förderung jenseits absurder, durch keine Substanz gedeckter Erwartungen.
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In der Akademie der Künste geht es dann auch um die Rolle der Sender, die in Fragen der Filmproduktion immer mächtiger werden, obwohl dort kaum noch Filme laufen.
Die Diskussion hilft, sich zwei Tage vor der Berlinale einzugrooven, und soll ein erster Auftakt der Debatte um das neue Filmfördergesetz (FFG) werden. Den Auftakt bildet ein Impulsreferat von Thomas Heise, Autor, Regisseur und Direktor der Sektion Film- und Medienkunst der Akademie der Künste.
Es diskutieren
AdK-Präsidentin und Filmregisseurin Jeanine Meerapfel mit Feo Aladag, Produzentin, Autorin und Regisseurin, Claas Danielsen, Geschäftsführer der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM), Titus Kreyenberg, Produzent, Mariette Rissenbeek, Geschäftsführerin der German Films, Andres Veiel, Autor, Regisseur und Mitglied der AdK. Ich selbst habe das Vergnügen, das Ganze zu moderieren und Fragen zu stellen.
Am kommenden Dienstag, 5. Februar, ab 20 Uhr in der Akademie der Künste,
Pariser Platz 4, 10117 Berlin.
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Von Greta Thunberg, der 16-jährigen schwedischen Schülerin und Klimaaktivistin, könnte die deutsche Filmbranche eine Menge lernen. Denn Greta macht Rabbatz. Greta streikt, am richtigen Ort. Greta stört. Und das alles derart effektiv, dass die Medien sie nicht mehr übersehen können.
Genau das müssen die deutschen Filmemacher auch tun. Sichtbar und unübersehbar werden. Zum Beispiel mit einem Sitzstreik vor der Einfahrt zum BKM, also Kanzleramt. So dass Merkel nicht mehr
herauskommt und Grütters nicht hinein, oder umgekehrt. Da wären dann schnell die Kameras da.
Von »Pro Quote« könnte man auch eine Menge lernen. Vor allem, wie politisches Lobbying funktioniert. Auch hier: Sichtbar sein, mit klaren Botschaften, so klar, dass sie sogar für Politiker verständlich sind. Und weil es um Kulturpolitiker geht, sollten diese Botschaften nichts mit Kultur zu tun haben. Bitte bloß nicht. Denn wer weiß schon, was Kultur ist. Aber Gleichberechtigung, Quote, das versteht jeder.
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Alle wollen, dass sich etwas ändert. Es wird sich aber nichts ändern, Leute. Nicht durch Reformismus. Nicht durch Freundlichkeit. Nicht durch Handküsse auf die Hand, die euch schlägt.
Nicht solange ihr nicht in einem Ausmaß Druck aufbaut, das man nicht mehr ignorieren und aussitzen kann.
Schaut auf die SPD. Der deutschen Filmindustrie geht es nicht besser.
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Da knallten in Berlin die Champagnerkorken: »MBB-Aufsichtsrat bestätigt Kirsten Niehuus und Helge Jürgens für weitere 5 Jahre« überraschte uns gestern eine Pressemitteilung. Wer hätte das gedacht?
»Fünfzehn erfolgreiche Jahre Förderung durch das Medienboard zahlen sich aus«, sagten die Politiker. Und die verlängerten im besten Polit-Sprech: »Herzlichen Dank für das Vertrauen und die ausgezeichnete Zusammenarbeit! Die Kontinuität der kulturellen und wirtschaftlichen
Erfolge verdanken wir den großartigen Film- und Medienschaffenden in der Region. Als Förderer sind wir stolz darauf, die Kreativen bei ihrer Arbeit unterstützen zu dürfen. Wir freuen uns darauf, die neuen Entwicklungen in der Branche mit zukunftsfähigen Förderinstrumenten zu begleiten.«
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Zur Berlinale-Pressekonferenz fällt mir in diesem Jahr nichts ein. Der scheidende Direktor Dieter Kosslick machte auch in seiner letzten PK als Direktor Business as usual. Er wirkte besser gelaunt als letztes Jahr, die Kränkungen sind nicht mehr erkennbar. Ein bisschen Erschöpfung allerorten. Mein Eindruck, dass auch die Presse-Kollegen meist froh sind, dass es jetzt mal vorbei ist. Von der kommenden Berlinale erwartet man sich nichts – da könnte es besser sein, als man
glaubt. Viele denken schon jetzt an die Zeit danach: Nach der Berlinale ist vor der Berlinale.
Der scheidende Direktor war schon in seiner gewohnten Prä-Berlinale-Fahrigkeit. Kosslick redete kurz über Filme, obwohl er wieder mit 400 viermal so viel Programm hat wie Cannes, er redete lang über die Gäste, »lauter alte Bekannte«, allerdings oft aus der Zeit seines Vorgängers, er sprach ein paar Namen falsch aus, sagte statt »vor 30 Jahren« zweimal »vor 40 Jahren« – alles keine
Überraschung und lässliche Patzer, die in der Gesamtschau trotzdem eine gewisse Wurschtigkeit zu illustrieren scheinen. Ist ja auch schon egal in dem Alter...
Als es einmal ernst wurde, bei der Frage der Kollegin von der »Jüdischen Allgemeinen« nach den Israel-Boykott-Fanatikern von BDS, gelang es Kosslick aber, sich gerissen um ein Statement zu BDS herumzumogeln.
Redete von einem Preis für ihn in Jerusalem und dem Kampf gegen Antisemitismus, machte also als Israel-Freund
genau das, was auch Israel-Feinde gern tun – Juden und Israel in einen Topf werfen – Chapeau, so einen Alltagszynismus konnte man schon immer gut von diesem Mann lernen.
Dabei hatte gerade erst die Süddeutsche gut beschrieben, wie das anti-israelische Netzwerk immer mehr Platz in der deutschen Kulturszene einnimmt.
Viel zu schnell,
nach nur etwa 20 Minuten, durfte man nichts mehr fragen. Davor fragte der Pole wie jedes Jahr nach den polnischen Filmen, eine Lateinamerikanerin nach den lateinamerikanischen, der Afrikaner nach den fehlenden afrikanischen. Und Christiane Peitz wollte wissen, ob er, Kosslick, wohl mit seinen Nachfolgern auf dem Roten Teppich stehen werde.
Auch die Hauptstadt-Journalisten hatten in Kosslick den Berlinale-Direktor, den sie verdienen.
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Jedes Jahr verschickt die FFA Kalender mit Filmplakaten. Der Kalender ist edel gedruckt und wird per USP verschickt, das kostet bestimmt eine Menge.
Auf dem Titelblatt sind fünf Plakate aufgereiht: Ballon; Der Junge muss an die frische Luft; Werk ohne Autor; Der Vorname; »Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer. Warum diese? Wer hat sie ausgewählt? Gibt es Kriterien oder ist es eine persönliche Geschmacksentscheidung der Geschäftsführung? Hoffentlich nicht, denn einige der
Plakate sind sehr hässlich.
Wenn es um Werbung fürs deutsche Kino geht, oder darum, dessen Vielfalt darzustellen, oder dessen internationale Relevanz, dann müssten es zum Teil andere Titel sein. Dann könnte man ja fragen, warum zum Beispiel 3 Tage in Quiberon von Emily Atef nicht darunter ist, oder Robert Schwentkes Der Hauptmann (schwarzweiß findet ihr doof bei der FFA, oder?). Warum nicht Christian Petzolds Transit oder Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot von Philip Gröning oder Thomas Stubers In den Gängen. Das sind übrigens fast alles Filme, deren Plakate sich in dem Kalender finden.«
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Man könnte jetzt argumentieren: Ist doch egal, was die nehmen, wer hängt sich schon einen FFA-Kalender an die Wand? Stimmt wahrscheinlich.
Aber natürlich ist so etwas eine (film-)politische Entscheidung. Und auch wenn wir keine Verschwörungstheoretiker sind, finden wir es bemerkenswert, dass von den 52 Motiven der Plakate je sechs von Disney und von UPI stammen, je vier von 20th Century Fox, Warner, Sony und – da staunen wir (ein bisschen) – der Constantin, drei
von Studiocanal und Universum, zwei von Majestic, DCM, Wild Bunch, nfp, Alamode und X-Verleih, je eines von Prokino, Weltkino, Paramount, Piffl, Tobis, Concorde und Pandora, und der Rest findet nicht statt.
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Gerhard Richter ist nicht allein. Auch der Schriftsteller Christoph Hein ist offenbar nicht richtig gut auf Florian Henckel von Donnersmarck zu sprechen. In der SZ erschien letzte Woche eine Ergänzung zu unseren letzten Cinema-Moralia-Berichten: »Mein Leben, leicht überarbeitet. Warum ich meinen Namen aus dem Vorspann des Filmes Das Leben der Anderen gleich nach der Premiere
habe löschen lassen.«
Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck (FHvD) hatte sich offenbar mal mit Christoph Hein unterhalten, und dieses Gespräch zum Anlass genommen sich bei diesem öffentlich »für seine Mitarbeit« zu bedanken. »Der Regisseur ... erklärte mir, dass er lediglich in aller Öffentlichkeit seine Dankbarkeit hatte bekunden wollen.« Auf andere wirkt dies, als wolle er sich und seine Filme mit bekannten Namen schmücken, sich Bedeutung und Recherche ungerechtfertigt
anschminken.
Hein liefert in dem Text eine ganz treffende Diagnose der »Methode FHvD«: »Meine Einwände gegen seinen Film akzeptierte er nicht, ein Melodram habe nicht allein der Wahrheit zu folgen, sondern vor allem den Gesetzen des Kinos. Alles, was ich ihm ein paar Jahre zuvor erzählt hatte, war von ihm bunt durcheinandergemischt und dramatisch oder vielmehr sehr effektvoll melodramatisch neu zusammengesetzt worden. Im Kino sitzend hatte ich erstaunt auf mein Leben geschaut. So war es
zwar nicht gewesen, aber so war es viel effektvoller.«
Genauso hat er es auch mit Gerhard Richters Biographie gemacht: Ihre Fakten effektvoll neu arrangiert.
»All das ist bunt durcheinandergemischter Unsinn«, schreibt Hein weiter: »Nein, Das Leben der Anderen beschreibt nicht die Achtzigerjahre in der DDR, der Film ist ein Gruselmärchen, das in einem sagenhaften Land spielt, vergleichbar mit Tolkiens Mittelerde. ... Der Regisseur war über den Wunsch, meinen Namen im Vorspann zu streichen, offenbar sehr verärgert und sagte nie wieder, er sei mir unsäglich dankbar. Stattdessen erzählt er seitdem, er habe sich bei seinem Film von der Biografie und den Kämpfen Wolf Biermanns inspirieren lassen. Das ist natürlich völlig unsinnig, denn Biermann hatte man zwölf Jahre zuvor die Staatsbürgerschaft entzogen, so dass er in den entscheidenden Jahren des Zusammenbruchs des Staates und in dem Zeitraum, in dem der Film spielt, nicht im Land sein konnte. Aber ich scheue mich, seinen Hinweis eine Lüge zu nennen. Weiß ich doch, dass es neben der Wahrheit noch die melodramatische Wahrheit gibt und neuerdings die alternativen Fakten.«
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Und dann noch der andere große, von hiesigen Gremien durchgeförderte Deutsche in Hollywood: Til Schweiger. Head Full of Honey, die US-Version seines Honig im Kopf, erzielte in den USA gerade einmal ein Einspielergebnis von 12.350 Dollar!!! Selbst »unterirdisch« ist dafür ein zu schwaches Wort.
Dies ist auch eine Quittung für die deutsche Filmförderung. Denn der
Film, bei dem Nick Nolte und Matt Dillon die Hauptrollen spielten, Produzent Til Schweiger als Nebendarsteller zu sehen ist und Regie führte, wurde von deutschen Gremien mit 4.622.979 Euro fett durchgefördert.
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Da hat der Markt aber für den Til mal echt was geregelt. Schuld sind natürlich trotzdem die Kritiker, diesmal die Amerikaner. »Gezielte Hinrichtungen« kommentierte Schweiger die Kritiken, er habe sich »gefragt, was die Kritiker für einen Film gesehen haben«. »Die Menschen haben geweint, gelacht« erklärte Schweiger dem Fachblatt »BUNTE« trotzig.
Vielleicht haben die ja den gleichen Film gesehen – und über dessen Qualität geweint und über den Regisseur gelacht?
Ungeachtet
dessen wird am Deutschlandstart des Films zum 21. März festgehalten.
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Scheck is not back: Hier die Förderung für die internationale Version von Honig im Kopf im Einzelnen:
DFFF Deutscher Filmförderfonds – Produktionsförderung: 2.927.979,94 €
Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein – Verleihförderung: 45.000 € (11/2018)
Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein – Produktionsförderung: 450.000 €
(04/2018)
Filmförderungsanstalt – Produktionsförderung: 600.000 € (03/2018)
Medienboard Berlin-Brandenburg – Produktionsförderung: 600.000 € (01/2018)
(to be continued)