02.05.2019
Cinema Moralia – Folge 196

Schwarz und Weiß, wie Tage und Nächte

Hannelore Elsner in Die endlose Nacht
Andenken an Hannelore Elsner: Will Trempers Die endlose Nacht
(Foto: UCM One)

Jenseits des Alltags: Erinnerungen und Ausblicke, auch über den deutschen Filmpreis hinweg – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogängers, 196. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»Surface, surface, surface was all that anyone found meaning in...«
Bret Easton Ellis »American Psycho« (1991)

»Die Filme selber sind das Problem.«
Uwe Nett­zel­beck, 1966

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»Berlin ist sauer, kann ich dir nur sagen. Bin froh, wenn ich wieder in München bin.« Hannelore Elsner war noch sehr jung, als sie diesen Film drehte, aber sie war schon ganz Star. Er ist, glaube ich, ihr bester geblieben, jeden­falls der beste Film, in dem sie mitspielte.
»Dieser Film ist ein Geschenk«, sagte sie selbst: »Ich will, dass die Leute diesen Film sehen. Er ist so toll. Wenn mich einmal jemand ehren möchte, dann bitte mit diesem Film.«
Die endlose Nacht von Will Tremper, ein heute weit­ge­hend verges­senes Kleinod der deutschen Film­ge­schichte, und eines der Meis­ter­werke des deutschen Kinos jener Zeit. Tremper, der vor allem Jour­na­list war, hat nicht nur einen beson­deren Plot – eine einzige Nacht an einem einzigen Ort, auf dem Berliner Flughafen Tempelhof – sondern auch Dialoge von groß­ar­tiger Beiläu­fig­keit. Als ein Paar über die Möglich­keit einer Affaire redet, hagelt es nicht Sätze von rein­ecker­haftem Marmor, sondern eine Figur sagt: »Au weia, wenn das rauskommt.« Ohne festes Drehbuch und mit impro­vi­sierten Texten hat Tremper einen Film geschaffen, der durch seine Authen­ti­zität faszi­niert.
Jedes Bild atmet Sex und Verfüh­rung. Personen werden von der Kamera verloren und woanders wieder­ge­funden. Das Dazwi­schen darf erahnt werden. Das Ergebnis sind Alltags­be­ob­ach­tungen, wie man sie lange nicht feiner und subtiler gesehen hat.
Ein eleganter deutscher Noir über lauter Gestran­dete, Verein­zelte, die in ihren indi­vi­du­ellen Schick­salen zusammen das Ganze spiegeln – Short Cuts in West-Berlin. Und ein Mal welt­män­ni­sches Deutsch­land.
Nie wieder war der deutsche Film so frei.

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»Ohne will Trempers Die endlose Nacht wäre der deutsche Nach­kriegs­film ein großer Irrtum. Neben Godards Außer Atem ist Die endlose Nacht einer der beiden Filme, die mich zum Film gebracht haben«. (Klaus Lemke).

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Wer mehr über Tremper wissen will, könnte mit Uwe Nettel­becks ziemlich hervor­ra­gendem ZEIT-Portrait von 1966 anfangen. Der geht schon im ersten Absatz perfekt los: »Will Tremper ... ist in jeder Hinsicht unmöglich. Den Jungen ist er nicht seriös genug, zu wenig kunst­be­flissen, den Alten ist er zu oft in die Quere gekommen, die einen sagen, er habe sich zu bereit­willig kompro­mit­tiert, die andern werfen ihm vor, dass er nicht ihr Spiel spielt, alle zusammen halten sie ihn für einen unzu­ver­läs­sigen Bruder, der so seine Ideen hat.«

(to be continued)