Cinema Moralia – Folge 196
Schwarz und Weiß, wie Tage und Nächte |
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Andenken an Hannelore Elsner: Will Trempers Die endlose Nacht | ||
(Foto: UCM One) |
»Surface, surface, surface was all that anyone found meaning in...«
Bret Easton Ellis »American Psycho« (1991)»Die Filme selber sind das Problem.«
Uwe Nettzelbeck, 1966
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»Berlin ist sauer, kann ich dir nur sagen. Bin froh, wenn ich wieder in München bin.« Hannelore Elsner war noch sehr jung, als sie diesen Film drehte, aber sie war schon ganz Star. Er ist, glaube ich, ihr bester geblieben, jedenfalls der beste Film, in dem sie mitspielte.
»Dieser Film ist ein Geschenk«, sagte sie selbst: »Ich will, dass die Leute diesen Film sehen. Er ist so toll. Wenn mich einmal jemand ehren möchte, dann bitte mit diesem Film.«
Die endlose Nacht von Will Tremper, ein heute weitgehend vergessenes Kleinod der deutschen Filmgeschichte, und eines der Meisterwerke des deutschen Kinos jener Zeit. Tremper, der vor allem Journalist war, hat nicht nur einen besonderen Plot – eine einzige Nacht an einem einzigen Ort, auf dem Berliner Flughafen Tempelhof – sondern auch Dialoge von großartiger Beiläufigkeit. Als ein Paar
über die Möglichkeit einer Affaire redet, hagelt es nicht Sätze von reineckerhaftem Marmor, sondern eine Figur sagt: »Au weia, wenn das rauskommt.« Ohne festes Drehbuch und mit improvisierten Texten hat Tremper einen Film geschaffen, der durch seine Authentizität fasziniert.
Jedes Bild atmet Sex und Verführung. Personen werden von der Kamera verloren und woanders wiedergefunden. Das Dazwischen darf erahnt werden. Das Ergebnis sind Alltagsbeobachtungen, wie man sie lange nicht
feiner und subtiler gesehen hat.
Ein eleganter deutscher Noir über lauter Gestrandete, Vereinzelte, die in ihren individuellen Schicksalen zusammen das Ganze spiegeln – Short Cuts in West-Berlin. Und ein Mal weltmännisches Deutschland.
Nie wieder war der deutsche Film so frei.
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»Ohne will Trempers Die endlose Nacht wäre der deutsche Nachkriegsfilm ein großer Irrtum. Neben Godards Außer Atem ist Die endlose Nacht einer der beiden Filme, die mich zum Film gebracht haben«. (Klaus Lemke).
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Wer mehr über Tremper wissen will, könnte mit Uwe Nettelbecks ziemlich hervorragendem ZEIT-Portrait von 1966 anfangen. Der geht schon im ersten Absatz perfekt los: »Will Tremper ... ist in jeder Hinsicht unmöglich. Den Jungen ist er nicht seriös genug, zu wenig kunstbeflissen, den Alten ist er zu oft in die Quere gekommen, die einen sagen, er habe sich zu bereitwillig kompromittiert, die andern werfen ihm vor, dass er nicht ihr Spiel spielt, alle zusammen halten sie ihn für einen unzuverlässigen Bruder, der so seine Ideen hat.«
(to be continued)