21 films
Überlegungen zu einer Besten-Liste |
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Zwei Idioten, die nicht erwachsen geworden waren | ||
(Foto: Sony) |
Von Michael Klier
Von Michael Klier (Regisseur, Berlin)
Da ich mit Besten-Listen nicht so viel anfangen kann, schreibe ich über den einen oder anderen Trend in Filmen der letzten zehn Jahre, die ich gesehen habe, diese zwar interessant fand, aber nicht unbedingt meine Favoriten wären.
Bei Tarantinos Film Once Upon a Time... in Hollywood, dem ich durchaus gern zugeschaut habe, weil er so verspielt und sorglos daher kommt, fragte ich mich, was
übrig bleibt, wenn man sich den ganzen Background von Hollywood, Musik und Schauwerten einmal wegdenkt und nur die beiden »großen Jungs« allein betrachtet. Von all dem Dekorativen entkleidet, erschienen mir Brad Pitt und Leonardo DiCaprio mit ihrem pubertären Gehabe und Problemchen plötzlich wie zwei Idioten, die nicht erwachsen geworden waren. Nicht unsympathisch, aber eben nichtssagend, banal.
Und was bleibt, wenn man den ganzen Mafiakram bei The Irishman ausblendet? Was sind das dann für Männer? Komplette Idioten, armselige Männchen? Eine Metapher des alten weißen westlichen Mannes? Der eigentliche Film sind für mich die Gesichter und Körper der gealterten Filmstars, sie überlagern schließlich die banalen Mafiafiguren und bleiben eher in Erinnerung. Da treffen sich beide Filme Tarantinos und Scorseses – es geht um Schauspieler,
genauer gesagt, um das Altern von Schauspielern, sprich, um müde, erschöpfte Männer.
(PS: Die Figur des Idioten an sich ist sehr interessant. Sofern sie eine menschliche Tragik vor Augen führt, ist sie die modernste Variante des gescheiterten Mannes. Darin kommt der Mann sozusagen an seinen Endpunkt. Was kommt danach? Wer stellt die Frage nach dem emanzipierten Mann, in welchen Geschichten nimmt er Gestalt an? Möglich allerdings, dass diese Figur erzählerisch nicht interessant ist, möglich aber auch, dass sie Überraschungen bereithalten könnte.)
Dann gibt es noch weitere Filme über ältere Männer aus diesem, irgendwie gleichermaßen hysterischen und phlegmatischen Jahrzehnt – autobiografisch gefärbte Werke von Autorenfilmern. Es sind meist pessimistische Reflexionen einer aussterbenden Spezies. (Auch Tarantinos Film ist ein verkappt autobiografischer Autorenfilm und sogar in The Irishman spricht Scorsese letztlich von sich.) Reygades, der sich in Nuestro tiempo wie in einem Zerrspiegel als lächerlichen mexikanischen Macho filmt. Almodóvar, der in Leid und Herrlichkeit verzweifelt versucht, sein verlorenes schöpferisches Feuer zurückzugewinnen. Malicks Drehbuchschreiber in Knight of Cups, der ziellos umherirrt, in der Hoffnung auf spirituelle Erlösung aus dem hedonistischen Fegefeuer Hollywoods. Tommaso, ein Filmregisseur, in Abel Ferraras letztem Film, zwanghaft hadernd mit seinem neuen Lebensglück. Und der koreanische Filmemacher Hong Sang-soo, der grüblerisch und zweifelnd in autofiktiven Geschichten immer wieder das schwierige Verhältnis zu Frauen und zur Filmerei hinterfragt. Der Mann in all diesen Filmen ist immer in der Defensive. Das macht ihn menschlich, manchmal liebenswert. Auch hier haben die Protagonisten idiotische Züge an sich. Aber es sind menschliche Züge, sie leiden darunter, sie sind sich ihrer bewusst und suchen einen Weg da heraus, hoffen auf Heilung.
Was wäre die Lektion aus all diesen unterschiedlichen Filmen? Dass die Schwäche der Männer eine Stärke sein könnte? Alle enthalten sie DIE große Frage: wie soll es weitergehen mit den Männern, in unserer Zeit, wie kann eine Zukunft der (Film-) Männer aussehen in den nächsten zehn, zwanzig Jahren, die bestimmt nicht einfach, sondern eher stürmisch werden wird und ein sorgloses Lebensgefühl nirgends in Sicht ist?
Aber es gibt auch die Filme mit Frauen, meist gedreht von Männern. Die
ganz anders sind. Melancholia, Blau ist eine warme Farbe, Roma, The Woman Who Left, u.a. Von
welchen Geschichten werden Filmemacherinnen in den nächsten zehn Jahren erzählen? Von destruktiven Frauen oder Regisseurinnen in Seelenkrisen verstrickt? Wohl eher nicht. Und welche Rolle werden die Männer darin spielen? Wird es dann noch Listen der besten Filme geben?