16.01.2020
21 films

Überle­gungen zu einer Besten-Liste

Once upon a time... in Hollywood
Zwei Idioten, die nicht erwachsen geworden waren
(Foto: Sony)

Ein Kommentar

Von Michael Klier

Von Michael Klier (Regisseur, Berlin)

Da ich mit Besten-Listen nicht so viel anfangen kann, schreibe ich über den einen oder anderen Trend in Filmen der letzten zehn Jahre, die ich gesehen habe, diese zwar inter­es­sant fand, aber nicht unbedingt meine Favoriten wären.
Bei Taran­tinos Film Once Upon a Time... in Hollywood, dem ich durchaus gern zuge­schaut habe, weil er so verspielt und sorglos daher kommt, fragte ich mich, was übrig bleibt, wenn man sich den ganzen Back­ground von Hollywood, Musik und Schau­werten einmal wegdenkt und nur die beiden »großen Jungs« allein betrachtet. Von all dem Deko­ra­tiven entkleidet, erschienen mir Brad Pitt und Leonardo DiCaprio mit ihrem puber­tären Gehabe und Problem­chen plötzlich wie zwei Idioten, die nicht erwachsen geworden waren. Nicht unsym­pa­thisch, aber eben nichts­sa­gend, banal.
Und was bleibt, wenn man den ganzen Mafiakram bei The Irishman ausblendet? Was sind das dann für Männer? Komplette Idioten, armselige Männchen? Eine Metapher des alten weißen west­li­chen Mannes? Der eigent­liche Film sind für mich die Gesichter und Körper der geal­terten Filmstars, sie über­la­gern schließ­lich die banalen Mafia­fi­guren und bleiben eher in Erin­ne­rung. Da treffen sich beide Filme Taran­tinos und Scorseses – es geht um Schau­spieler, genauer gesagt, um das Altern von Schau­spie­lern, sprich, um müde, erschöpfte Männer.

(PS: Die Figur des Idioten an sich ist sehr inter­es­sant. Sofern sie eine mensch­liche Tragik vor Augen führt, ist sie die modernste Variante des geschei­terten Mannes. Darin kommt der Mann sozusagen an seinen Endpunkt. Was kommt danach? Wer stellt die Frage nach dem eman­zi­pierten Mann, in welchen Geschichten nimmt er Gestalt an? Möglich aller­dings, dass diese Figur erzäh­le­risch nicht inter­es­sant ist, möglich aber auch, dass sie Über­ra­schungen bereit­halten könnte.)

Dann gibt es noch weitere Filme über ältere Männer aus diesem, irgendwie glei­cher­maßen hyste­ri­schen und phleg­ma­ti­schen Jahrzehnt – auto­bio­gra­fisch gefärbte Werke von Autoren­fil­mern. Es sind meist pessi­mis­ti­sche Refle­xionen einer ausster­benden Spezies. (Auch Taran­tinos Film ist ein verkappt auto­bio­gra­fi­scher Autoren­film und sogar in The Irishman spricht Scorsese letztlich von sich.) Reygades, der sich in Nuestro tiempo wie in einem Zerr­spiegel als lächer­li­chen mexi­ka­ni­schen Macho filmt. Almodóvar, der in Leid und Herr­lich­keit verzwei­felt versucht, sein verlo­renes schöp­fe­ri­sches Feuer zurück­zu­ge­winnen. Malicks Dreh­buch­schreiber in Knight of Cups, der ziellos umherirrt, in der Hoffnung auf spiri­tu­elle Erlösung aus dem hedo­nis­ti­schen Fegefeuer Holly­woods. Tommaso, ein Filmregisseur, in Abel Ferraras letztem Film, zwanghaft hadernd mit seinem neuen Lebensglück. Und der koreanische Filmemacher Hong Sang-soo, der grüblerisch und zweifelnd in autofiktiven Geschichten immer wieder das schwierige Verhältnis zu Frauen und zur Filmerei hinterfragt. Der Mann in all diesen Filmen ist immer in der Defensive. Das macht ihn menschlich, manchmal liebenswert. Auch hier haben die Protagonisten idiotische Züge an sich. Aber es sind menschliche Züge, sie leiden darunter, sie sind sich ihrer bewusst und suchen einen Weg da heraus, hoffen auf Heilung.

Was wäre die Lektion aus all diesen unter­schied­li­chen Filmen? Dass die Schwäche der Männer eine Stärke sein könnte? Alle enthalten sie DIE große Frage: wie soll es weiter­gehen mit den Männern, in unserer Zeit, wie kann eine Zukunft der (Film-) Männer aussehen in den nächsten zehn, zwanzig Jahren, die bestimmt nicht einfach, sondern eher stürmisch werden wird und ein sorgloses Lebens­ge­fühl nirgends in Sicht ist?
Aber es gibt auch die Filme mit Frauen, meist gedreht von Männern. Die ganz anders sind. Melan­cholia, Blau ist eine warme Farbe, Roma, The Woman Who Left, u.a. Von welchen Geschichten werden Filme­ma­che­rinnen in den nächsten zehn Jahren erzählen? Von destruk­tiven Frauen oder Regis­seu­rinnen in Seelen­krisen verstrickt? Wohl eher nicht. Und welche Rolle werden die Männer darin spielen? Wird es dann noch Listen der besten Filme geben?