ABSTAND/ZOOM
M_MISCHE |
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Gute Mische: Tanz und Alkohol. Geht aber auch ohne (in beide Richtungen) | ||
(Foto: Weltkino) |
Von Nora Moschuering
Man könnte vernünftigerweise an dieser Stelle auf die richtige Tonmischung eingehen, auf die akustische Feinarbeit an einem Film, die viele nicht auf dem Schirm haben. Man sagt ja: Ansehen und nicht anhören, was den Ton schon aus dem Sprechen über Film raus-dropt. Also es wäre nicht nur vernünftig, sondern nahezu nötig gewesen, aber ich fühle mich in meinem spätsommerlichen Kino-Enthusiasmus dem gerade nicht gewachsen bzw. ohnehin nicht kompetent genug: Entschuldigt. Also geht es im Folgenden um eine Mische, recht umgangssprachlich und extrem allgemein: die Vereinigung zweier oder mehrerer Elemente auf die ein oder andere Art. Eben: Mische.
Eine Freundin und ich hatten – als Filmfestivals schmerzlich Vermissende –, eine ganze Weile überlegt, ob es dort Signature Drinks gibt, gerne auch Kaffee oder eben ein typisches Mix-Getränk, Limoncello beim Max Ophüls oder in Duisburg eine Mische aus Alt (mein Gusto) und eine Handvoll Erdnüsse, auf der Nonfiktionale Whiskey, auf dem Kurzfilmfestival Hamburg der 35-MilliliterClub (evtl. heißt er auch anders). Uns fiel aber kaum was ein und ja, das ist beileibe nicht die Mische, die wir vermissen, Festivals bieten ja per se eine Mischung an, also sind eine Mische an sich, sie werden zusammengestellt, kuratiert, zu einem Festivalprogramm, und das ist, was wir vermissen.
Aber zum Kino-Enthusiasmus aufgrund der Kinoöffnungen und zu einem Film, der wohl am offensichtlichsten in diesen Text gehört: Der Rausch von Thomas Vinterberg. Darin geben sich vier Männer so eine Art Forschungsauftrag – um nicht zugeben zu müssen, dass sie es aus Frust über ihr eigenes Leben oder Langeweile tun – um zu legitimieren: immer 0,5 Promille zu halten, was natürlich gesteigert wird, denn ja, der Pegel für Bestleistungen kann individuell sein. (Warum sie in der dritten Phase bis zur Bewusstlosigkeit trinken, weiß man nicht genau, schließlich sind es erwachsene Männer, die einen Teil ihrer Jugend schon mit der Erforschung verschiedener dieser Stadien verbracht haben dürften). Also nicht nur die Mische macht es, sondern auch das Maß. Interessant ist, sich mit anderen Menschen darüber zu unterhalten, ob es dem Film gelingt, die richtige Mischung zu finden, zwischen Problematisierung, z.B. Sucht, Selbstwahrnehmungsstörung und Probleme mit dem sozialen Umfeld und eben auch einer einigermaßen realistischen Darstellung des Alkoholkonsums in einem Großteil der Bevölkerung. Verherrlicht der Film Alkohol, verdammt er ihn oder schafft er eben eine gute Mische? Wie weit darf man gehen? Was kann man darstellen und warum trinken wir überhaut? Aus Angst, Langeweile, Gewohnheit, dem Wunsch und der Angst vor Veränderung, Kreativität, Vergessen, Überforderung, als gesellschaftliches Ritual, um uns locker zu machen z.B. bei Abifeiern oder in der Politik? Mads Mikkelsen Figur tanzt Jazzballett und das tanzt man ziemlich sicher besser ohne Alkohol. Für mich hat der Film die richtige Mischung, für andere nicht, aber das ist ja vielleicht überhaupt die Grundlage für gute Diskussionen.
Um eine andere Art der Mischung geht es in dem Dokumentarfilm Die Unbeugsamen, nämlich die von Frauen und Männern in der Bonner Republik. Von einer Art »richtigen Mischung« waren sie damals weit entfernt, es ging erst mal darum, überhaupt einige wenige Frauen in der Politik zu haben und zu akzeptieren, denn natürlich: »Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte.« (zugeschrieben) Käte Strobel (SPD). Beeindruckend auch Waltraut Schoppe (Bündnis90/Die Grünen), die 1983 mit ihrer ersten Rede im Bundestag, in der sie eine »Bestrafung bei Vergewaltigung in der Ehe« forderte, Aufsehen und Bewusstsein erzeugte. Oder Rita Süssmuth (CDU), die von Helmuth Kohl als zweite Frau ins Kabinett berufen wurde und dann doch eine eigene politische Meinung hatte und diese auch kundtat. Hildegard Hamm-Brücher (FDP), nicht unbedingt eine Frau, die andere Frauen unterstützte, aber eben eine, die es als selbstverständlich nahm, das Gleiche zu tun/zu sagen wie Männer. Christa Nickels (Bündnis90/Die Grünen) die mit 1000 japanischen Papier-Kranichen zum Jahrestag von Hiroshima sprach und eben neben Inhalten auch die Visualität, die Form, geändert wurde, etwas Neues reingebracht wurde, in diese homogene Gruppe weißhaariger Männerrunden im Anzug. Während des Filmes gab es Klatschen und Lachen oder echauffierte Rufe, ein lebendiger Kinosaal, puh, wie gut, und hoffentlich führt der Film dazu, dass mehr Frauen in die Politik gehen, denn viel besser sind die Zahlen nicht geworden.
Was auch immer wieder in Filmen gemacht wird, ist Genres zu mischen. Ich denke, die kommen sich dabei manchmal so ähnlich vor wie diejenigen die das SUP erfunden haben, den Pizzaburger oder AcroYoga: ganz schön clever. Aber ja, manchmal macht es eben die Mischung, manchmal hilft aber auch das nicht.
Auf der Suche nach Gemischtem bin ich bei der Netflix-Produktion »Blood Red Sky« gelandet: Weil klar, warum nicht mal Vampire und Terroristen zusammendenken? Das erinnert mich an die Verfilmung des Romans »Stolz und Vorurteil und Zombies«, den ich irgendwie 2016 im Kino verpasst habe oder natürlich Fast-Klassiker wie Zombiber, Sharknado oder Cowboys & Aliens. Kollege Josef Grübl bezeichnet Blood Red Sky nicht nur als »Vampirfilm und Mamadrama, sondern auch Entführungskrimi, Terrorthriller und Actionspektakel«. Was auch immer ein »Mamadrama« sein soll, wenn es darum geht, dass eine alleinerziehende Mutter gegen Terroristen kämpft, gegen den Drang, andere Leute auszusaugen und ihren Sohn zu schützen, dann ist das wirklich ein Mamadrama, ein ziemlich großes und spezielles, aber sonst? Eine Vampirin sitzt mit ihrem Nicht-Vampir-Sohn in einem Flugzeug und das wird von Terroristen entführt und zwar den so ziemlich Fiesesten, die man sich vorstellen kann. Wow. Ich war neugierig, musste dann aber doch zwischendurch ziemlich viel anderes erledigen, weil ständig Leute erschossen wurden, wieder auferstanden und wieder zerfleischt wurden, ziemlich viel Repetitives – insgesamt keine gute Mische und leider auch wieder zu gut, um richtig akzeptabler Trash zu sein.
Jetzt beende ich mal meine eigene Mische, mein eigenes Mixtape, zum Schluss noch eine Podcast-Empfehlung. Anfang September drehte sich die Folge von »This American Life« um musikalische Mixtapes. »This American Life« setzt sich jede Folge aus mehreren dokumentarischen Kleinodien zusammen: »like little movies for radio«, das ist so schön wie praktisch, wenn man mal einfach im Bett liegen will, um die Augen, die den ganzen Tag geöffnet sind, zu schließen, um sich nicht alleine zu fühlen, was zu lernen und etwas herbeizuphantasieren.
Der Titel war: »This is just some songs – We made you a mixtape. Don’t make a big deal out of it or anything.« Der Soundtrack eines Moments oder einer Beziehung, der richtige Track unter Slideshows, die am Ende des Schuljahres gezeigt werden... insgesamt fünf Geschichten zum Thema Musik, die zusammen ein Mixtape bilden. Denn: Die Welt ist ein Remix.