25.10.2012

Auf zu neuen Ufern

Empire Me - Der Staat bin ich
Das schönste selbstgebaute Utopia:
Empire Me – Der Staat bin ich

Zum 12. Mal laden die Tage des Ethnologischen Films in München zu Begegnungen mit dem Fremden ein

Von Dunja Bialas

Nein, auch dieses Jahr wird man den Film mit den Außer­ir­di­schen vergebens im Programm der Ethno­lo­gi­schen Filmtage suchen. Natürlich könnte zum Forschungs­feld eines Ethno­logen auch die Lebens­welt der Aliens gehören, aber diese ist, mangels Exis­tenz­nach­weisen, immer noch uner­forscht. So geht es in dem Film­pro­gramm der Ethno­logen und visuellen Anthro­po­logen zwar nicht um unheim­liche Begeg­nungen der dritten Art, aber immerhin um »unge­wohnte Begeg­nungen mit dem Fremden«, bei denen »ein lust­voller Umgang mit dem Anderen« eingeübt werden soll.

Will man den Anderen nicht als den von uns Anderen begreifen (»Fremd ist der Fremde nur in der Fremde«, stellte ja schon Karl Valentin treff­si­cher fest), sondern einer, der aus seiner Mitte heraus zum Anderen wird, dann ergibt sich eine spannende Annähe­rung an das Programm. Den Zustand des Anders­seins kann man nur in der Abwei­chung von einer (gesell­schaft­li­chen, histo­ri­schen oder poli­ti­schen) Norm erreichen, Abwei­chung wiederum ergibt sich oftmals in der Verän­de­rung, des Ortes, des eigenen Lebens, der Gesell­schaft.

Verän­de­rungen vorher­sagen soll angeblich der Maya-Kalender, nach dem für uns alle am 21.12.2012 die Welt unter­gehen wird. Wenn’s stimmt, können wir uns dann zwar nicht mehr über die Hell­sich­tig­keit der Mayas austau­schen, aber wir können immerhin im Vorfeld dem Mythos des Maya-Kalenders nachgehen, um dann hinterher nicht über­rascht oder enttäuscht zu sein, je nach dem. Frauke Saudig und Eric Black tun dies in Herz des Himmels, Herz der Erde. Dafür reisten sie in mexi­ka­ni­sche Chaipas und nach Guatemala, der Heimat der Maya. Hier begegnen sie einer ganz­heit­li­chen »Kosmo­vi­sion«. Und so ist auch das Ende des Maya-Kalenders als Möglich­keit eines Neube­ginns gedacht, und nicht als Termin für den Welt­un­ter­gang. Beru­hi­gend. (Sa., 3.11., 19:00 Uhr, Monopol)

Thomas Heise hat seine ethno­lo­gi­sche Feld­for­schung vor allem in den ostdeut­schen Bundes­län­dern und einst in der DDR betrieben. Eine kuriose Vorstel­lung, sich ihn in der argen­ti­ni­schen Hochebene zu denken, wie ein berli­nernder Fremd­körper, der mit seinen Studenten das Leben der Kolla doku­men­tiert. Entspre­chend distan­ziert wirken seine Bilder in Sonnen­system, distan­ziert und verrät­selt, die das Beob­ach­tete nicht zu entschlüs­seln vermögen. Genau in dieser Hingabe an das Fremde liegt die hinreißende Kraft des Films: die Haltung des Ausge­schlos­senen nicht aufzu­geben, die reine Beob­ach­tung zuzu­lassen und nicht eine Begegnung zu behaupten, die an der Unmög­lich­keit des gegen­sei­tigen Verste­hens scheitern muss. (Di., 30.10., 19:00 Uhr, Monopol)

Afrika ist einer der tradi­tio­nellen Orte der Ethno­logen, und die Wüste ist der Sehn­suchtsort schlechthin. Kaum ein Volk der Welt hat so viele Sympa­thie­werte gesammelt wie die Tuaregs. Dies verdankt sich ihrer bewun­ders­werten noma­di­schen Lebens­weise, den unver­brauchten sonnen- und wind­ge­gerbten Gesich­tern, ihrer Medi­en­ab­sti­nenz und natürlich ihrer umwer­fenden Musik­be­ga­bung. In den Dünen von Timbuktu in Mali treffen sie sich seit elf Jahren zum »Festival de Désert«. Bedroh­li­cher Streifen am Horizont: auch die Wüste soll durch multi­na­tio­nale Konzerne ausge­beutet werden. Nein, dies ist keine Fata­mor­gana. (Woodstock in Timbuktu – Die Kunst des Wider­stands, Eröff­nungs­film, Fr., 26.10., 17:00 Uhr und 19:00 Uhr, Monopol)

Die Arbeit europäi­scher Ethno­logen unter­sucht oftmals den chau­vi­nis­ti­schen Euro­zen­trismus der Vergan­gen­heit. Der Münchner Regisseur Peter Heller hat in vielen Filmen die unter­schied­li­chen Folgen der Kolo­nia­li­sie­rungen fest­ge­halten. In seinem neuesten Film Süßes Gift – Hilfe als Geschäft geht er dem grund­sätz­li­chen Verderben der soge­nannten Entwick­lungs­hilfe nach, sofern sie nicht Hilfe zur Selbst­hilfe ist, sondern der Subven­tio­nie­rung korrupter Staaten dient und abhängig macht. (Sa., 27.10., 19:00 Uhr, Monopol)

Wer die Welt zu schlecht findet, kann sich ja immer noch seine eigene bauen. Eska­pismus könnte man die Ausstei­ger­men­ta­lität nennen, und dieser treibt in Empire Me – Der Staat bin ich! unter­halt­same Blüten. Ob DIY-Staaten, Eco-Villages oder Mikro­na­tionen: irgendwo gibt es immer einen Schlupf­winkel, in dem ein anderes Leben möglich sein könnte. Und viel­leicht begegnet man in einem der verbor­genen Welten ja sogar einem Außer­ir­di­schen. (So., 4.11., 19:00 Uhr, Monopol)

12. Tage des Ethno­lo­gi­schen Films finden
26.10.-4.11. im Monopol in München.