Die Theatiner-Filmkunst in München verabschiedet sich von der Ära des Zelluloids mit einem Filmprogramm aus dem Repertoire der Neuen Filmkunst von Walter Kirchner / Die Lupe
Von Dunja Bialas
»2012 ist das dunkelste Jahr in der Geschichte des Kinos. Die feindliche Übernahme durch das Digitale ist vollzogen, es ist das Ende des Films.« · Peter Kubelka
Was der Wiener Avantgardist und Filmtheoretiker Peter Kubelka letztes Jahr anlässlich der Aufführung seiner filmischen Skulptur Monument Film in Wien konstatierte, trifft nun auch in München auf die letzte Bastion des Zelluloidfilms zu. In diesen Tagen wird das altehrwürdige Theatiner mit einem digitalen Gerät mit 2K-Auflösung bestückt. Damit ist das Filmtheater, das 1956 errichtet wurde, in der Gegenwart, und noch wichtiger, in der Zukunft der Kinos angekommen.
Immer schwieriger war es, so Marlies Kirchner von der Theatiner Filmkunst, noch interessante Filme auf Zelluloid zu erhalten. Ein digitales Aufrüsten war daher unumgänglich. Die glückliche Nachricht: Die 35mm-Projektoren können im Vorführraum bleiben. So wird es auch in Zukunft möglich sein, Filmkopien aus dem umfassenden Repertoire der Neuen Filmkunst von Walter Kirchner zu zeigen.
1957, als Kirchner das Theatiner übernahm, hatte er begonnen, Filme in Deutschland bekannt zu machen, deren Aufführung durch die Machthaber im Dritten Reich unterbunden wurden. Er brachte Filme der Sowjetischen Revolution und aus der Weimarer Zeit in sein Kino in München und machte sie über seinen Verleih deutschlandweit zugänglich. Kirchner machte überdies alle Filme der französischen Nouvelle Vague dem deutschen Publikum bekannt, meist im Original mit Untertiteln, und die
Filme des italienischen Neo-Realismus. So kann ohne Übertreibung seine Arbeit als Filmverleiher als historisch bezeichnet werden: In einer Zeit, wo vor allem der deutsche Heimatfilm und seichte Komödien die Kinosäle füllten, ließ er das deutsche Kinopublikum vom Geist der neuen Kinobewegung in Italien, Frankreich oder Spanien anstecken. Vermutlich ist es in diesem Zusammenhang auch kein Zufall, dass die Oberhausener Bewegung, aus der zahlreiche Filme hervorgingen, die sich
gegen »Papas Kino« wandten, in München ihren Anfang nahm. Alexander Kluge und die anderen waren vermutlich auch des öfteren in der Theatiner Filmkunst gewesen.
Heute ist das Theatiner mit seinem holzvertäfelten Saal aus den 50er Jahren und der Freitreppe, die in das eleganten Foyer hinunterführt, denkmalgeschützt. Nicht denkmalgeschützt hingegen sind die Art und die Qualität der Filme, wie sie früher einmal entstanden sind. Die Tatsache, dass das Theatiner uns mit dem Erhalt seiner 35mm-Projektoren weiterhin die Perlen der Kinogeschichte zeigen kann, gilt es daher unbedingt zu feiern. Dies kann man jetzt mit einem ausgewählten
35mm-Programm im Theatiner machen, bei dem es zum Glück nicht heißt, für immer von den Filmen, die uns am Herzen liegen, Abschied zu nehmen, sondern einen Gruß zuzurufen, der ein Wiedersehen in Aussicht stellt: Au revoir, 35mm!
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AU REVOIR 35mm, 16.05.-29.05., Theatiner Filmkunst, München, Theatinerstr. 32.
Kartenreservierung unter Tel: 089 / 22 31 83
Das Programm im Detail:
- Do., 16.05., 16:00 Uhr und Fr., 17.05., 18:30 Uhr
To Have and Have Not
(Haben und Nichthaben)
- USA 1944 · Regie: Howard Hawks · D: Humphrey Bogart, Lauren Bacall · 96 min. · Englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
- Do., 16.05., 18:30 Uhr und Fr., 17.05., 16.00 Uhr
Blow Up
- Großbritannien/Italien 1966 · Regie: Michelangelo Antonioni · D: David Hemmings, Vanessa Redgrave, Sarah Miles · 111 min. · Englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
- Sa., 18.05., 16:00 Uhr und So., 19.05., 18:30 Uhr TIPP!
Gott und Teufel im Lande der Sonne
(Deus e o Diabo na Terra do Sol)
- Brasilien 1963 · Regie: Glauber Rocha · D: Othon Bastos, Iona Magalhaes, Lidio Silva · 112 min. · Portug. Originalfassung mit deutschen Untertiteln
- Sa., 18.05., 18.30 Uhr und So., 19.05., 16:30 Uhr TIPP!
Orphée
- Frankreich 1949 · Regie: Jean Cocteau · D: Jean Marais, Maria Casares, Marie Déa 95 min. · Französische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
- So., 19.05., 11:00 Uhr
Il gattopardo
(Der Leopard)
- Italien/Frankreich 1962 · Regie: Luchino Visconti · D: Burt Lancester, Claudia Cardinale · 180 min. · Italienische Originalfassung mit deut. Untertiteln
- Mo., 20.05., 15:45 Uhr und Di., 21.05., 18:15 Uhr
North by Northwest
(Der unsichtbare Dritte)
- USA 1959 · Regie: Alfred Hitchcock · D: Cary Grant, Eva Marie Saint, James Mason · 136 min. · Englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
- Mo., 20.05., 18:30 Uhr und Di., 21.05., 16:00 Uhr TIPP!
Le mépris
(Die Verachtung)
- Frankreich/Italien 1963 · Regie: Jean-Luc Godard · nach Alberto Moravia · D: Brigitte Bardot, Michel Piccoli, Jack Palance, Fritz Lang · 95 min. · Französische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
- Mi., 22.05., 16:00 Uhr und Do., 23.05., 18:30 Uhr
Capriolen
- Deutschland 1937 · Regie: Gustaf Gründgens · D: Gustaf Gründgens, Marianne Hoppe · 86 min. · Deutsche Originalfassung
- Mittwoch, 22.05. um 18.30 Uhr und Donnerstag, 23.05. um 16.00 Uhr
Madame de...
- Frankreich/Italien 1953 · Regie: Max Ophüls · D: Charles Boyer, Danielle Darrieux · 105 min. · Deutsche Fassung
- Fr., 24.05., 16:00 Uhr und Sa., 25.05., 18:30 Uhr TIPP!
Il deserto rosso
(Die rote Wüste)
- Italien/Frankreich 1963/64 · Regie: Michelangelo Antonioni · D: Monica Vitti, Richard Harris · 117 min. · Deutsche Fassung
- Fr., 24.05., 18:30 Uhr und Sa., 25.05., 16:00 Uhr TIPP!
Week end
- Frankreich 1967 · Regie: Jean-Luc Godard · D: Mireille Darc, Jean Yanne, Valerie, Lagrange · 103 min. · Deutsche Fassung
- So., 26.05., 11:00 Uhr
La dolce vita
- Italien/Frankreich 1959 · Regie: Federico Fellini · D: Marcello Mastroianni, Anita Ekberg · 176 min. · Deutsche Fassung
- So., 26.05., 16:15 Uhr und Mo., 27.05., 18:15 Uhr TIPP!
Sanshô Dayû
(Sansho Dayu – Ein Leben ohne Freiheit)
- Japan 1954 · Regie: Kenji Mizoguchi. · D: Mit Kinuyo Tanaka, Yoshiaki Hanayagi. · 124 min. · Japanische Originalfassung mit deutschen Untertiteln.
- So., 26.05., 18:30 Uhr und Mo., 27.05., 16:00 Uhr TIPP!
Nel nome del padre
(Im Namen des Vaters)
- Italien 1972 · Regie: Marco Bellocchio · D: Yves Beneyton, Renato Scarpa, Lou Castel · 115 min. · Italienische Originalfassung mit deutschen Untertiteln (OmU)
- Di., 28.05., 16:00 Uhr und Mi., 29.05., 18:30 Uhr TIPP!
Cléo de 5 à 7
(Mittwoch zwischen 5 und 7)
- Frankreich/Italien 1961 · Regie: Agnès Varda · D: Corinne Marchand, Antoine Bourseiller, Dominique Davray · 90 min. · Deutsche Fassung
- Di., 28.05., 18:30 Uhr und Mi., 29.05., 16:00 Uhr
Belle de jour
(Belle de Jour – Schöne des Tages)
- Frankreich/Italien 1967 · Regie: Luis Buñuel · D: Catherine Deneuve, Jean Sorel, Michel Piccoli · 101 min. · Französische Originalfassung mit deutschen Untertiteln