1001 Sommernacht |
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Eröffnet wurde mit El Olivo von Icíar Bollaín |
Von Dunja Bialas
Eigentlich sind es schon mehr als 1001 Sommernacht. Es war eine andere Zeit damals, in den fünfziger Jahren, als die Filmkunstwochen in München von Fritz Falter ins Leben gerufen wurden. Fritz Falter war Betreiber des mittlerweile geschlossenen Kinos »Studio für Filmkunst« in der Schwabinger Occamstraße, dem das Sommerfestival der Kinobetreiber seinen Namen verdankt. Übernommen hatte er es als »Occam-Filmtheater« und begann gegen der Widerstand der Verleiher, sich »Programmtage« zu nehmen, an denen er vom üblichen Verleihprogramm ausscherte und die er mit Perlen der Filmgeschichte füllte.
Seitdem hat sich die Kinosituation grundlegend geändert, weniger jedoch die Erwartungen der Verleiher an die Kinobetreiber, die Filme entsprechend ihren Vorgaben auszuwerten. Selbst ein Programm jenseits der bloßen Auswahl aus dem Film-Portfolio der Verleiher zu gestalten, ist für Arthouse-Kinos eine wahre Herausforderung und ein willkommenes Ausscheren aus dem Alltag, mit Gästen, Lieblingsfilmen und einem Preview-Blick in die Zukunft. »Münchner Kinos machen Programm«, mit dem seit drei Jahren die Filmkunstwochen untertitelt werden, soll die Besonderheit des vermeintlich Selbstverständlichen hervorheben.
»Magic Moments« lautet das Motto, das sich die sieben Kinobetreiber der 64. Filmkunstwochen selbst gewählt haben. Ihr Programm besteht aus den Filmen der vergangenen Saison, die sie besonders beeindruckt haben und eine gewisse Magie entfalten konnten. »Filme wiedersehen« war so auch der traditionelle Claim des Sommerfestivals, für viele die Gelegenheit, Filme, die man verpasst hat, nachzuholen. Wer will, kann aber auch tiefer in die Materie einsteigen: Das diesjährige Programm mit über hundert Filmen in drei Wochen bündelt und stellt mannigfach Bezüge her.
Als Side-kicks zum aktuell im Kino laufenden Toni Erdmann sind nochmals Ades beiden ersten Filme zu sehen (Der Wald vor lauter Bäumen, Alle Anderen). Außerdem wird sie als Produzentin von internationalen Filmen vorgestellt: mit der fantastischen Trilogie 1001 Nacht des portugiesischen Regisseurs Miguel Gomes (Tabu), der einen großen Erfolg in Cannes letztes Jahr feierte (und nach Meinung eines Kinobetreibers die Eintrittskarte zum wichtigen A-Festival herstellte) (Fr.-So., 17:00 Uhr, ABC Kino).
Maren Ade gewann mit ihrem ersten Film außerdem den Starter-Filmpreis der Stadt München, und von hier aus spinnen sich weitere Fäden: zwei der aktuellen Starter-Preisträgerfilme sind bei den Filmkunstwochen zu sehen. Café Waldluft von Matthias Koßmehl, ein Dokumentarfilm über ein Café vor der imposanten Kulisse des Watzmann, in dem Asylbewerber willkommen geheißen werden (Fr., 22.7., 18:00 Uhr, Rio). Der zweite Film stammt von Jakob Gross, der unter schwierigen Umständen seinen entfesselten Dokumentarfilm Abdo realisierte. Er erzählt vom in Kairo lebenden Abdo, der zu Zeiten der Revolution die Mädchen, die Musik und den Fußball zelebriert, und in seinem freiheitsliebenden Lebensstil eine Ahnung von dem Sturm und Drang erstellt, mit dem die Jugend gestalterisch die Welt erobern könnte, wenn man sie nur lässt. Dies kann durchaus auf die jungen Filmemacher übertragen werden: Jakob Gross musste seinen Film ohne Senderbeteiligung machen und hat mit seiner Independent-Produktion zu einer freien Sprache gefunden, die man sich unter dem Einfluss von Fernseh-Redakteuren nur schwer vorstellen könnte (Do. 28.7., 17:30 Uhr, ABC).
Im Kontakt mit den Kinobetreibern sickert immer wieder durch, dass das Kinomachen immer schwerer wird und stark abhängig ist von Gassenhauern, die schlechter gehende Filme wieder ausgleichen. Wie Fritz Falter in den 50er Jahren sind sie aber allen Widrigkeiten zum Trotz auch heute noch Kinopioniere. Thomas Wilhelm, der mit seinem Kino Neues Rottmann teilnimmt und wieder zwei starke Vorstellungen zu Film & Psychiatrie zeigt (Nicht alles schlucken, Mo., 25.7., 18:30 Uhr, und Ein Mann namens Ove, Di. 18:30 Uhr), baut gerade das Neue Rex in Laim um und eröffnet im August neu. Christian Pfeil, Betreiber von Arena und Monopol und außerdem des »Kino im Schillerhof« in Jena, glaubt auch im Jahr 2016 unverdrossen an das gemeinsame Filmegucken. Im Frühjahr hat er sich in Berlin ein Kino angesehen, in das er zusammen mit zwei anderen als Betreiber einsteigen wird. Er hält engen Kontakt zum Münchner Regisseur (und BTW Starter-Filmpreisträger) Ralf Westhoff, der während der Filmkunstwochen im Monopol ein Programm von »besten guten Filmen« präsentiert (tgl. 19:45 Uhr, sonntags: Previews).
Und noch eine positive Meldung gibt es zum Schluss: Zeitgleich zur Eröffnung der Filmkunstwochen fand die Gründung des Fördervereins »Neues Maxim« statt. Ab dem 6. Oktober kann das totgesagte Maxim wie Phoenix aus der Asche überraschend wieder seinen Spielbetrieb als neuen kulturellen Treffpunkt aufnehmen. Man wird sich auch Festivals öffnen, und wer weiß, vielleicht ist das Neue Maxim ja bereits nächstes Jahr schon bei den Filmkunstwochen dabei.
Es ist ein Märchen wie aus 1001 Nacht: Das Kino geht immer weiter.
64. Filmkunstwochen München
20.7.-10.8.2016
Beteiligte Kinos: ABC Kino, Monopol, Neues Rottmann, Rio Filmpalast, Studio Isabella, Theatiner Filmkunst, Filmeck Gräfelfing.
Die Autorin leitet seit 2014 organisatorisch und als Programmberaterin die Filmkunstwochen München.