71. Berlinale 2021
Ceci n'est pas un festival? – Teil 2 |
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Bachmann bleibt am Ball | ||
(Foto: Berlinale / Maria Speth, Herr Bachmann und seine Klasse) |
Von Anna Edelmann & Thomas Willmann
Als die meisten der diesjährigen Berlinale-Filme gedreht, und allemal konzipiert wurden, war die Realität von 2020 noch Science Fiction. Und niemand hätte erwartet, dass sich je die Frage stellt: Ist das digitale Abbild einer Berlinale getreu genug – oder kann man es getrost in der Pfeife rauchen? Trotzdem war offenbar schon enorm präsent, was dann das Online-Jahr unseres Lebens so derart prägen sollte: Ein neues Verhältnis zu Medialität, Virtualität.
Etliche Filmen schienen mit sich selbst auszuhandeln, was das, was sie da grad tun, eigentlich mit der Realität zu schaffen hat: »Ist das, was wir hier machen, echt? Ist es ein bloßes, womöglich trügerisches Abbild der Realität? Oder entwickelt das Abbild seine eigene Form von Realität?«
Das fing noch vor der Ebene des Abbildungs-Apparats mit der Frage nach der tieferen Wahrhaftigkeit von Schauspiel an – der unreduzierbaren Realität der Körper vor der Kamera: In Hong Sang-soos Inteurodeoksyeon diskutierten ein Regisseur und ein hoffnungsvoller Schauspieler über eine Kussszene. Der Jungdarsteller wollte damals die Leinwandpartnerin nicht küssen, weil er das Gefühl hatte, damit seine reale Freundin zu hintergehen. Und überraschenderweise redet ihm der Regisseur diese Scheu nicht mit Verweis auf die Fiktionalität aus – sondern pflichtet vehement bei, dass die Liebe in dem Moment in der Tat echt sei. (Und das alles freilich, nachdem uns der Film selbst bereits Szenen zwischen einem Liebespaar zeigte…)
In einer Reihe von Filmen war das Schauspiel der Weg zu einer quasi-dokumentarischen Wirklichkeit: Ob der portugiesische Protagonist von No Táxi do Jack den Star der verschmitzten Verfilmung seines eigenen Lebenswegs gab. Ob die Darstellerinnen von La mif an der Entwicklung ihrer Figuren mitarbeiteten und dabei merklich autobiographische Elemente einbrachten. Oder in Una película de policías die Erfahrungen eines mexikanischen Polizisten-Ehepaars bewusst selbstironisch als reißerischer Cop-Thriller nachinszeniert wurden – dieser dann aber wiederum konfrontiert wird mit den Interviews der realen Protagonisten, sowie der Rollenvorbereitung ihrer Darsteller: Stränge, die sich immer weiter vergordern und dabei das Wechselspiel von Ästhetik und Inhalt sinnfällig machen.
Dass im Vortäuschen menschlichen Wesens, wenn nicht die ganze Wahrheit, so doch ein Wert liegen kann, war auch die Überlegung von Maria Schraders Ich bin dein Mensch.
Mit einem Android als Gegenüber fühlt sich das Alleinsein der Protagonistin nicht so einsam an. Ein bewusster Selbstbetrug, gegen den sie sich lange wehrt, auf den sie lange herabschaut, und in dem sie dann doch einen Funken Reales für sich findet.
Das Kino allgemein, wie es sich von dieser Berlinale repräsentiert fand, scheint entspannter geworden zu sein, wenn es auf das Verhältnis von Künstlichkeit zur Realität blickt. Wir haben alle die postmodernen Diskurse, die großen Krisen der Abbildbarkeit mit- und durchgemacht. Uns ist allen die fundamentale Artifizialität jeglichen Kinos bewusst.
Man ist da nicht (mehr) naiv. Man hat das mit der Künstlichkeit internalisiert, und mit den Grenzen und Gefahren der Medialität. Man muss nicht jedesmal die Warntafel hochhalten, wie bedingt das alles ist. Aber das Künstliche, Mediale ist nun mal ein großer Teil unserer Wirklichkeit, ist selbstverständlicher geworden. Und jetzt muss man auch mal nach vorne schauen, und nicht nur auf dessen Einschränkungen, sondern auch dessen Möglichkeiten gucken.
Filmen wie No táxi do Jack oder Autotrafia genügte es, kurz einmal die Crew, die Filmklappe ins Bild zu rücken. Ein knappes Nicken Richtung Publikum: Uns ist allen klar, dass Film, dass selbst Dokumentation inszeniert ist.
Im kurzen Moment der Mise en abyme zugleich ein: »Mal ehrlich: Kino kann schon auch was 'Echtes' transportieren, und zurückwirken in die Realität.« Eine gewisse utopische Hoffnung in die Möglichkeiten des Kinos, gewinnbringend und heilsam mit der Wirklichkeit zu interagieren. Statt sich nur mit sich selbst zu beschäftigen.
Exemplarisch, wie in Memory Box Fotos, Video, Tonbandaufzeichnungen eine Möglichkeit der Generationen darstellten, miteinander Verbindung zu finden, und eine verschwiegene Wahrheit aufzudecken. Und zwar nicht nur, klassisch, als Anlass fürs beichtende Gespräch Angesicht zu Angesicht. Sondern als tatsächliche Bewahrer einer ausgelöschten, von einem täuschenden Narrativ überschriebenen Wahrheit.
Ein bezeichnendes Detail in dieser Hinsicht: In wie vielen Filmen plötzlich die Überwachungskamera nicht mehr die offizielle Kino-Kurzschrift für »Achtung! Böse!« war.
Ja, dass sie sogar ins Reich des Mystischen, Märchenhaften, Natürlichen gerückt, dass sie zum Verbündeten, Freund, Helfer der Mächte des Guten wurden, wie in Ras vkhedvat, rodesac cas vukurebt?, oder am Ende von Night Raiders.
Fast klassisch wirkte da schon der latente Pessimismus von Yujiro Harumotos durchaus intensiven Yuko No Tenbin (A Balance), in dem eine Dokumentarfilmerin von ihrem Thema unerwartet persönlich heimgesucht wird. Und die professionelle Wahrheitssucherin sich versucht findet, ihre Enthüllungen zu vertuschen. Aber selbst hier lag das Problem in der moralischen Kompromittierbarkeit der Menschen, während das Medium selbst zur Aufklärung strebt.
Freilich lässt sich diese Wahrnehmung der Filme nicht trennen von unserer Realität. Davon, dass wir alle ein Jahr hinter uns haben, wo wir permanent auf Bildschirme starren, auf Bildschirme einreden. Das hat unser ohnehin zusehends symbiotisches Verhältnis zu Kameras, zur Wirklichkeit des Virtuellen nochmal verschoben.
Zumal dieser Zustand nun schon so lange andauert, dass die ersten Filme ihn gezwungenermaßen in ihre Entstehung mit eingeschrieben haben – egal, ob sie der Pandemie auch Einlass in ihre fiktionale Welt gestatteten. Und die damit arbeiten, dass die Wirkung beim Publikum eine andere ist als vor 2020.
Einst hätte das Ende von Natalie Morales’ Zoom-Freundschafts-Komödie Language Lessons einen nicht weiter überrascht. Da schwappt nichts aus dem Flussbett der narrativen Gewohnheit. Und in der Welt des Films gab es auch keine coronabedingten Hindernisse, die ihm im Wege gestanden hätten. Aber man ist es nicht mehr gewohnt, dass man aus seinem virtuellen Kasterl auch heraus dürfte. Und so erwischt einen das Schlussbild doch fast unvorbereitet.
Und wirkte wie der vielleicht riskanteste Stunt auf der Berlinale.
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Für die auch online parallel stattfindende Woche der Kritik war das rein digitale Format gefühlt eine größere Bürde als für die Berlinale – obwohl man meinen sollte, dass sie einen größeren Teil ihrer Inhalte und Essenz auch losgelöst vom physischen Raum transportieren kann.
Einen Vorteil hatte die virtuelle Form: Es war Menschen von überall auf dem Globus zwangloser möglich, an den rahmenden, begleitenden Gesprächen teilzunehmen. Doch dies vermochte das grundsätzlichere Problem nicht aufzuwiegen: Wer wäre dieser Tage nicht schon »ausgezoomt«? Wäre wirklich eifrig, sich auch noch stumm die Online-Treffen anderer Leute anzuschauen, anzuhören? Es war enorm schwer bis unmöglich, sich mitten im Streamingfestival auch noch darauf einzulassen – während die WdK den öffentlichen Gedankenaustausch aber gerade als ihren Kernpunkt begreift.
In den Kinos Hackesche Höfe ist die WdK »in echt« ein gewisser Rückzugsort vom Wahn der Berlinale – ein Nest, im Hinterhof, fast unterm Dach, wo man sich nicht nur wegen der Filme und Podiumsdiskussionen einfindet, sondern auch fürs Bier danach mit Gleichgesinnten.
Dass man online sich auf eine andere Streaming-Platform begeben musste, um vom Hauptfestival hier rüberzuwechseln, hat freilich nicht den gleichen Effekt. Und wenn – zumal in diesem starken Jahrgang – der nächste Berlinale-Film für den Mauszeiger gleich um die Bildschirmecke wartet, erfordert es schon absurde Formen der Disziplin, sich lieber für zwei Stunden redende Köpfe in Bildschirmfenstern zu entscheiden. Bei denen sich außerdem – unabhängig davon, wie interessant war, was sie sagen – selten ein gesteigertes Maß an Energie vermittelte.
Formatunabhängig hat die Woche der Kritik seit dem Amtsende Kosslicks aber noch ein anderes Problem: Sie hat es schwerer, sich als Gegenentwurf zu positionieren, gegen ein Festival, dessen künstlerische Leitung nun eine sehr ähnliche Auffassung von Kino, einen durchaus verwandten Geschmack an den Tag legt. Sie hat es schwerer, wenn etwa Aleksandre Koberidze, einst eine WdK-Entdeckung, jetzt im Berlinale-Wettbewerb beglückt.
Nun klafft zwischen dem Anspruch der WdK und dem, was sie dann tatsächlich an Filmen auf die Leinwand zu bringen schafft, seit jeher ein gewisser Widerspruch. Nicht immer fiel und fällt es leicht, die Überzeugung zu gewinnen, dass das wirklich Kino ist, für das man in größerer Leidenschaft brennt – statt daran nur theoretische Positionen austarieren zu können. Und dass diesmal einem keine Sichtung auf großer Leinwand das Gegenteil beweisen konnte, half nicht gegen den Eindruck, viele Beiträge würden eher unter die Rubrik »Videoarbeit« fallen als »Filme«. Wenn man nun zu allem Überfluss von der Berlinale auch nicht mehr mit diesem typischen, gemütszermürbten Februargefühl rüberwechselt, wo es sich anfühlt, als wären eh alle Leinwände der Welt nur mit Dinkel gefüllt… Dann wird’s vollends schwierig. Mit bereits verzückt leuchtenden Augen betrachtet, wirkt das Programm der WdK (im Guten wie im weniger Guten) dann oft eher wie die Discounter-Variante der Berlinale-Auswahl.
Da wiederum war die digitale Ausgabe dann aber doch auch segensreich: Nicht an zeitraubende Ortswechsel und einen festen Zeitplan der Filmvorführungen gebunden, fiel es deutlich leichter, mal ein Programm der WdK zwischen zwei Berlinale-Beiträge zu schieben. Und verblüffend oft traten – unabhängig vom empfundenen Qualitätsgefälle – diese Kombinationen dann in unerwarteten Dialog.
Es wurde schnell offensichtlich, dass die Menschen hinter den Filmen der WdK von just jenen Dingen umgetrieben wurden, die auch die Berlinale prägten. Dass es da nicht nur Berührungspunkte, sondern ganze gemeinsam beackerte Flächen gab. Und dass die Woche der Kritik ihre Stärke in der Staffelübergabe, im so regen wie ungeplanten Austausch, dem Weiter- und Ausspinnen der Berlinale fand.
Auch hier das Reflektieren von Schauspiel und Filmbild zur Realität: In Nicolás Peredas Fauna, wo in einer hinreißenden Szene ein mittelerfolgreicher TV-Darsteller den Schwiegervater in spe beeindrucken muss, indem er ihm seinen Auftritt aus »Narcos« vorspielt – mit dem Hindernis, dass seine Nebenrolle es in der Serie noch zu keinerlei Dialog gebracht hat. Oder in Sion Sonos Escher dori no akai posuto (Red post on escher street) – dem unverschämtesten, freudvollsten Stück Kino im WdK-Programm, das ein Film-Casting als Begegnungsort etlicher exzentrischer Charaktere erzählerisch in alle losen Richtungen ausspann, und in seiner typischen Überdrehtheit getragen wurde von einer für Sono ganz ungewohnten Gelassenheit, sonnigen Grundstimmung, und einer (teils wortwörtlich) Reihe junger Frauen, deren Persönlichkeit durch die männliche Inszenierung hervorleuchtete.
Auch bei der WdK die Kamera als Mittel, einen Austausch mit den Eltern zu ermöglichen: Ob Zacharias Zitouni bei First In First Out im Interview eine Möglichkeit sucht, endlich hinter die schweigsame Fassade des Vaters zu dringen, der einst aus Deutschland abgeschoben wurde und nun am Hamburger Flughafen Catering macht – auch für Abschiebeflüge. (Mit dem Ergebnis, dass zumindest sichtbarer wird, dass in dem Mann trotz aller Beteuerungen des ungerührten Gegenteils etwas arbeitet – auch wenn die »Erzählarbeit« von der Mutter als Stimme aus dem Off geleistet wird.) Oder ob Kamal Aljafari in An Unusual Summer die fast 15 Jahre alten Videobänder einer selbstangebrachten Überwachungskamera für den Auto-Stellplatz der Familie im arabischen Viertel Ramalas durchforstet nach Überbleibseln eines fernen Jahrs, einer ferngerückten Welt, und der spukhaften Präsenz des mittlerweile verstorbenen Vaters.
An einer ganz ähnlich maximalistischen Zustandsbeschreibung der Welt wie Radu Jude versuchte sich Manoj Leonel Jahson & Shyam Sunders Horse Tail – auch wenn dessen Buntheit, visuelle Bricolage, allumfassende Philosophiererei nie wirklich dem galoppierenden Rhythmus, der Fülle und Weisheit nahe kam, die der schon sehr von sich selbst überzeugte Film heischte.
Und Phillip Warnells Intimate Distances konnte man rückblickend als eine Vorbereitung auf den Gewinner des Silbernen Bären – Preis der Jury betrachten: Die Casting-Direktorin Martha Wollner spricht an einer Straßenecke in Queens wildfremde Leute an und kommt mit ihnen schnell in erstaunlich offenen, intimen Austausch. Doch alle offensiven Kunstbemühungen des Films drumrum – die Distanz der Kamera; die arg gewollten Voice over-Einschübe; die lange, bewusst sperrig-desorientierende Vorlaufzeit, bis der Film endlich klar macht, was sein Projekt ist; das starre Durcharbeiten eines vorbereiteten Fragen-Kanons unabhängig vom Verlauf der Gespräche... – all das arbeitet nur gegen den menschlichen Kern, wirkt albern, überflüssig, klein gegenüber den schlichten Momenten der Begegnung.
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Wie radikal das wirken kann, wenn man all den Schnickschnack, all das Ego weglässt, das ließ einen dann die Großüberraschung des Wettbewerbs erleben.
Wenn man überhaupt noch einmal mit einem Höhepunkt gerechnet hätte, nach dem cineastischen Gipfelfest in der Festivalmitte, dann doch ganz gewiss nicht in dieser Gestalt: Eine dreieinhalbstündige, rein beobachtende Doku über eine 6. Klasse voller Kinder mit Migrationshintergrund in einer hessischen Kleinstadt-Schule.
Nicht, dass man der nicht zugetraut hätte, ein guter, interessanter Film zu sein. Aber doch nicht einer, über den man am Freitag, erfüllt von einer tiefen Fröhlichkeit, Entspanntheit, Gelassenheit dann auf eine Weise chattete, dass man mitunter versichern musste: »Wir sind keine Sekte! Wir sind eine Glaubensgemeinschaft!«
Eine kurze Beschreibung von Maria Speths Herr Bachmann und seine Klasse läuft Gefahr, ihn unerträglich sozialpädagogisch, gutmenschelnd, predigend klingen zu lassen. Aber all das ist seine Titelfigur genau nicht. Es gibt keine Theorie in dem Film, nur Praxis. Bachmann – der ein bisserl aussieht wie Joe Zawinul – ist eher aus Zufall Lehrer geworden, wurschtelt sich auch nur so durchs Dasein.
Der Film ist nie verhätschelnd, nie verlogen. Er hat durchaus ein Bewusstsein dafür, dass Bachmann eher die Ausnahme ist. Aber auch eine Grundüberzeugung, dass dem nicht so sein müsste. Dass das mit dem Menschlich-zueinander-sein gleichzeitig sehr verzwickt ist – und aber so simpel sein könnte.
Den Rest des Festivals konnte man, ganz ehrlich, dann Filme nicht mehr recht ernst nehmen, in denen Menschen ihre Probleme nicht einfach rasch und ruhig durch ein klärendes Gespräch, durch Aufeinanderzugehen lösen können und wollen. Was für absurd menschen- und weltfremde Ideen das doch sind: Drama! Gewalt!
Das war das wohl Verblüffendste an dem Film: Wie lang er nachwirkt. Wie sehr er einen dazu bringt, seinen inneren Bachmann zu finden. Und auch nach Berlinale-Ende noch mit einem »What Would Bachmann Do?« durchs Leben gehen lässt.
Aber die Online-Berlinale wäre dem »echten« Festival nicht so ähnlich gewesen, hätte die Jury sie einem am Ende nicht noch ein bisserl vergällt.
Vielleicht mehr als nur Zufall, dass gleich zwei »Schulfilme« mit einem Edelmetall-Bären bedacht wurden. »In der Schule lernt man fürs Leben!«, scheint derzeit auch das Kino zu meinen. Größer aber könnte der Kontrast im Welt- und Menschenbild zwischen den beiden usurpierten Werken nicht sein.
Schade, dass die Jury in ihrer Begründung des Silbernen Bären für Bachmann (nicht unähnlich der Jurys bei »Generation« und »Shorts« im Falle von Cryptozoo und Easter Eggs) fast entschuldigend klang, da einmal einen Film auszuzeichnen, der nicht sagt, wie schlimm und schlecht alles ist. Als wäre das die einzig wahre Kunst.
Und erst recht schade, dass sie am Ende dann doch noch preiswürdiger fand, was Radu Jude macht. Dessen Barbardeală cu bucluc sau porno balamuc, der es sich nach den ersten zwei Teilen, die clever und unterhaltsam bemüht waren, offenen Auges und denkend durch die Welt zu gehen, im dritten Teil mit uns verscherzt hat. Da gibt er es auf, Menschen zu zeigen. Und schnitzt sich eine Schießbude voller Karikaturen – die dann ganz überraschend leichte Ziele abgeben. Da führt er bewusst, ja geradezu manipulativ vor, wie zwecklos angeblich Reden, Argumentieren ist. Und setzt als Ziel- und Endpunkt eine – freilich comichaft überzeichnete, doch sehr vehement körperliche – Vergewaltigungsfantasie an.
Die von Jury wie Presse erstaunlich sang- und klanglos durchgewunken, wenn nicht sogar bejubelt wurde – weil »es trifft ja die Richtigen«.
Der Film hatte durchaus preiswürdige Aspekte. Aber es hinterlässt einen besonders schlechten Nachgeschmack, wenn nun durch den Goldenen Bären ausgerechnet diese Szene quasi dasteht als Höhe-, End- und Zielpunkt auch dieser Berlinale.
Aber bevor wir da Schaum vor dem Mund bekommen, beschwören wir unseren inneren Bachmann.
Jurys sind auch Menschen, die haben ihre Gründe, und es ist okay.
Deswegen müssen wir die Filme nicht sehen wie sie.
Und uns nicht weniger freuen an all den für uns – also unwidersprechbar objektiv! – feinen Filmen.
See you next Wednesday!