Free Irani Cinema! |
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Symbolträchtige Science Fiction: Killing the Eunuch Khan | ||
(Foto: CINEMA IRAN / Killing the Eunuch Khan) |
Von Dunja Bialas
So viel traurige Aktualität hätte sich das Cinema Iran, das am heutigen Mittwoch in München eröffnet wird, nicht gewünscht. Erst letzten Freitag hatten die iranischen Staatskräfte die Regisseure Mohammad Rasoulof und Mostafa Al-Ahmad verhaftet, anscheinend wegen eines Aufrufs gegen die staatliche Gewalt unter dem friedvollen Hashtag »Put Your Gun Down«. Die Vorgeschichte dazu: Der Einsturz eines in Bau befindlichen Hochhauses hatte im Mai über vierzig Menschleben gefordert und heftige Proteste ausgelöst, die von den Behörden gewaltsam niedergeschlagen wurden. Auch der renommierte Regisseur Jafar Panahi befindet sich seit diesem Montag in Haft, er wurde festgenommen, als er sich bei der Staatsanwaltschaft nach dem Verbleib seiner Regiekollegen erkundigt hatte. Zwei weitere Dokumentarfilmerinnen, Firouze Khosravani und Mina Keshavarz, sollen ebenfalls verhaftet worden, mittlerweile aber wieder frei sein, berichtet ein iranischer Kritikerkollege, der auch Hintergründe zu den Verhaftungen geliefert hatte, insgesamt sollen sich über 70 Akteur*innen der iranischen Filmindustrie dem Hashtag angeschlossen haben.
Internationale Verbände wie die Weltkritikervereinigung FIPRESCI fordern nun die Freilassung der Regisseure. Auch die Berlinale protestiert gegen die Verhaftungen. Rasoulof hatte 2020 mit seinem vehement und doch sehr dialektisch gegen die Todesstrafe eintretenden Doch das Böse gibt es nicht den Goldenen Bären gewonnen, Jafar Panahi 2015 mit Taxi Teheran. Beides sind Filme, die die iranische Gesellschaft kritisch in den Blick nehmen, deprimierend bei Rasoulof, sehr viel lebenszugewandter bei Panahi. Letzterer steht seit 2010 unter einem zwanzigjährigen Berufsverbot, wurde auch zu einer sechsjährigen Gefängnisstrafe verurteilt und befand sich mehrere Wochen im Hungerstreik, als ihm ein Anwalt verweigert wurde. Die Anklage des iranischen Staates lautet: »Propaganda gegen das System.« Panahis Methode: Filme machen, trotz allem. Taxi Teheran wurde unauffällig mit einer am Armaturenbrett eines Taxis befestigten Kamera gedreht, This Is Not A Film (2011), der erste Film, der im Hausarrest und unter Berufsverbot entstand, ist eine einzige, hintersinnige Negation des Filmemachens. Auf das iranische Kino muss man gefasst sein. Der Staat ist das sehr wohl.
Mit Killing the Eunuch Khan eröffnet Cinema Iran in München – nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause – mit einem der Filme, die durch starke Bildsprache und hohe Symbolik zu einer bestens chiffrierten, aber auch leicht dechiffrierbaren politischen Botschaft finden und das Staatssystem das Fürchten lehren, auch weil sie im Ausland hohen Anklang finden – Killing the Eunuch Khan wurde beim Slamdance Festival mit dem Grand Jury Prize ausgezeichnet. Regisseur Abed Abest gehört mit seinen 35 Jahren zu einer neuen Generation von Filmemachern, die gegen die iranische Repression anfilmen und mit ihren formenstarken Werken internationale Aufmerksamkeit erregen. Killing the Eunuch Khan ist eine albtraumgetränkte Science-Fiction-Fantasie, die Assoziationen zu vergangenen und aktuellen Kriegen sowie an die schwindelerregenden Gewaltspiralen des Landes weckt. (Mi 13.07. 19:00, Wiederholungstermine im Rahmen der Filmkunstwochen München, 31.07. & 14.08. 20:00 Neues Maxim)
Zwei der Filmvorstellungen im Reaktor-Projektionsraum des HP8, dem Interimsquartier des Gasteigs an der Isar, sind Werken gewidmet, die fernab des Irans im deutschen Exil entstanden. Die iranische Regisseurin und HFF-Absolventin Narges Kalhor hatte bereits Film am Beh-andish College in Teheran studiert, als sie 2009 mit einem Film auf das Nürnberger Menschenrechtsfilmfestival kam. Da bei der Rückkehr in die Heimat die Verhaftung drohte, beantragte sie in Deutschland Asyl. Seitdem setzt sie sich in stark symbolischen Filmen mit ihrer Herkunft auseinander, zeigt in ihrem Abschlussfilm aber auch ihren scharfen Blick auf die deutschen Verhältnisse, aus Sicht einer ausländischen Filmemacherin. In the Name of Scheherazade oder Der erste Biergarten in Teheran erzählt von den Erwartungen der Förderstellen an die Exil-Iranerin, wie ihr Film auszusehen habe, was sie mit Achternbusch nicht unähnlichem, trockenem Humor aufspießt. Ihr Film ist eine Art »Lettres Persanes«, persische Briefe der Aufklärer, die sich im 18. Jahrhundert in die Position der Iraner versetzten, um die französische Gesellschaft aufs Korn zu nehmen. Hier ist es eine junge Iranerin, der das leichterhand mit der bayerischen Weißwurst-Bürokratie gelingt. (Fr 15.7. 20:00 Projektor HP8, zu Gast: Narges Kalhor)
Daniel Asadi Faezi gehört als in Deutschland Geborener bereits zur zweiten Generation der Exil-Iraner. Sein Vater kam in den Achtzigerjahren aus dem Iran nach Deutschland. Onkel Ibrahim blieb allein in der Heimat zurück, ein intensiver Briefwechsel zwischen ihm und dem Vater des Filmemachers entstand. »Langsam vergesse ich Eure Gesichter«, schreibt der Onkel an die fernen Verwandten, Asadi Faezi hat seinen Film nach dieser Zeile benannt. Sein Film ist eine hochkonzentrierte Wiederbegegnung mit den vor über dreißig Jahren geschriebenen Briefen. Asadi Faezi lässt sie in einem reduziert als Wohnzimmer dekorierten Tonstudio verlesen, vom Vater und Onkel. Deren Worte verlieren und finden sich wieder in der Brüchigkeit der wehmütigen und sorgenvollen Sätze, die älter gewordenen Stimmen der Lesenden tauchen ein in die vergangenen Emotionen und die damals Aufgebrochenen reichen den auch heute nicht Zurückgekehrten die Hand. Was Exil bedeutet und was es bedeutet, die Heimat zu verlassen und die Lieben zurückzulassen, macht Langsam vergesse ich eure Gesichter auf nüchterne und trotzdem tief emotionale Weise begreifbar. (Sa 16.7. 18:00 Projektor HP8, zu Gast: Daniel Asadi Faezi mit Vater und Onkel)
Die Abwesenheit geliebter Menschen im Exil spielt auch in Absence eine Rolle, die dritte Regiearbeit des 55-jährigen Schauspielers Ali Mosaffa, der in zahlreichen Filmen von Dariush Mehrjui, einem eminenten Vertreter der »Iranian New Wave«, mitgewirkt hatte. In seinem Film geht es nach Prag, er taucht ein in die Welt hinter dem Eisernen Vorhang der Sechzigerjahre und gräbt nach und nach die Familiengeschichte aus, zeigt aber auch die Verwobenheit der osteuropäischen mit der iranischen Geschichte. (Sa 16.7. 20:00 Projektor HP8)
Das führt unweigerlich in die Gegenwart zurück. »Putin reist in den Iran« vermelden heute die Tageszeitungen. Kommenden Dienstag, da ist das Festival Cinema Iran schon vorbei, wird der Kreml-Chef in Teheran neben dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi auch den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan treffen. So wird Iran in den internationalen Fokus rücken, es soll um Syrien gehen, aber auch um die »neutrale« Haltung des Landes zum Ukrainekrieg und um eventuelle Verstärkungen militärischer Allianzen mit Russland. Auch der Iran ist Teil der »Zeitenwende« genannten kritischen Weltlage. Höchste Zeit, den Blick in dieses Land zu legen und auch die Repression des iranischen Volkes und die Verhaftung von Filmschaffenden nicht als nationale Angelegenheit der Islamischen Republik abzutun, sondern als die verwobenen Machenschaften in einer unfreien Welt zu erkennen. Free Irani Cinema!
7. Cinema Iran
13.-16. Juli 2022 München
Alle Vorstellungen im HP8 Reaktorhalle im Gasteig, Hans-Preißinger-Str. 8, 81379 München
Tickets 8 € bei München Ticket