14.07.2022

Free Irani Cinema!

KILLING THE EUNUCH KHAN
Symbolträchtige Science Fiction: Killing the Eunuch Khan
(Foto: CINEMA IRAN / Killing the Eunuch Khan)

Das 7. Iranische Filmfestival zeigt in München an drei konzentrierten Tagen aktuelle Filme aus dem Iran und dem Exil

Von Dunja Bialas

So viel traurige Aktua­lität hätte sich das Cinema Iran, das am heutigen Mittwoch in München eröffnet wird, nicht gewünscht. Erst letzten Freitag hatten die irani­schen Staats­kräfte die Regis­seure Mohammad Rasoulof und Mostafa Al-Ahmad verhaftet, anschei­nend wegen eines Aufrufs gegen die staat­liche Gewalt unter dem fried­vollen Hashtag »Put Your Gun Down«. Die Vorge­schichte dazu: Der Einsturz eines in Bau befind­li­chen Hoch­hauses hatte im Mai über vierzig Mensch­leben gefordert und heftige Proteste ausgelöst, die von den Behörden gewaltsam nieder­ge­schlagen wurden. Auch der renom­mierte Regisseur Jafar Panahi befindet sich seit diesem Montag in Haft, er wurde fest­ge­nommen, als er sich bei der Staats­an­walt­schaft nach dem Verbleib seiner Regie­kol­legen erkundigt hatte. Zwei weitere Doku­men­tar­fil­me­rinnen, Firouze Khos­ra­vani und Mina Keshavarz, sollen ebenfalls verhaftet worden, mitt­ler­weile aber wieder frei sein, berichtet ein irani­scher Kriti­ker­kol­lege, der auch Hinter­gründe zu den Verhaf­tungen geliefert hatte, insgesamt sollen sich über 70 Akteur*innen der irani­schen Film­in­dus­trie dem Hashtag ange­schlossen haben.

Filme­ma­chen, trotz allem

Inter­na­tio­nale Verbände wie die Welt­kri­ti­ker­ver­ei­ni­gung FIPRESCI fordern nun die Frei­las­sung der Regis­seure. Auch die Berlinale protes­tiert gegen die Verhaf­tungen. Rasoulof hatte 2020 mit seinem vehement und doch sehr dialek­tisch gegen die Todes­strafe eintre­tenden Doch das Böse gibt es nicht den Goldenen Bären gewonnen, Jafar Panahi 2015 mit Taxi Teheran. Beides sind Filme, die die iranische Gesell­schaft kritisch in den Blick nehmen, depri­mie­rend bei Rasoulof, sehr viel lebens­zu­ge­wandter bei Panahi. Letzterer steht seit 2010 unter einem zwan­zig­jäh­rigen Berufs­verbot, wurde auch zu einer sechs­jäh­rigen Gefäng­nis­strafe verur­teilt und befand sich mehrere Wochen im Hunger­streik, als ihm ein Anwalt verwei­gert wurde. Die Anklage des irani­schen Staates lautet: »Propa­ganda gegen das System.« Panahis Methode: Filme machen, trotz allem. Taxi Teheran wurde unauf­fällig mit einer am Arma­tu­ren­brett eines Taxis befes­tigten Kamera gedreht, This Is Not A Film (2011), der erste Film, der im Haus­ar­rest und unter Berufs­verbot entstand, ist eine einzige, hinter­sin­nige Negation des Filme­ma­chens. Auf das iranische Kino muss man gefasst sein. Der Staat ist das sehr wohl.

Mit Killing the Eunuch Khan eröffnet Cinema Iran in München – nach zwei Jahren pande­mie­be­dingter Pause – mit einem der Filme, die durch starke Bild­sprache und hohe Symbolik zu einer bestens chif­frierten, aber auch leicht dechif­frier­baren poli­ti­schen Botschaft finden und das Staats­system das Fürchten lehren, auch weil sie im Ausland hohen Anklang finden – Killing the Eunuch Khan wurde beim Slamdance Festival mit dem Grand Jury Prize ausge­zeichnet. Regisseur Abed Abest gehört mit seinen 35 Jahren zu einer neuen Gene­ra­tion von Filme­ma­chern, die gegen die iranische Repres­sion anfilmen und mit ihren formen­starken Werken inter­na­tio­nale Aufmerk­sam­keit erregen. Killing the Eunuch Khan ist eine albtraum­ge­tränkte Science-Fiction-Fantasie, die Asso­zia­tionen zu vergan­genen und aktuellen Kriegen sowie an die schwin­del­erre­genden Gewalt­spi­ralen des Landes weckt. (Mi 13.07. 19:00, Wieder­ho­lungs­ter­mine im Rahmen der Film­kunst­wo­chen München, 31.07. & 14.08. 20:00 Neues Maxim)

Filmen im Exil

Zwei der Film­vor­stel­lungen im Reaktor-Projek­ti­ons­raum des HP8, dem Inte­rims­quar­tier des Gasteigs an der Isar, sind Werken gewidmet, die fernab des Irans im deutschen Exil entstanden. Die iranische Regis­seurin und HFF-Absol­ventin Narges Kalhor hatte bereits Film am Beh-andish College in Teheran studiert, als sie 2009 mit einem Film auf das Nürn­berger Menschen­rechts­film­fes­tival kam. Da bei der Rückkehr in die Heimat die Verhaf­tung drohte, bean­tragte sie in Deutsch­land Asyl. Seitdem setzt sie sich in stark symbo­li­schen Filmen mit ihrer Herkunft ausein­ander, zeigt in ihrem Abschluss­film aber auch ihren scharfen Blick auf die deutschen Verhält­nisse, aus Sicht einer auslän­di­schen Filme­ma­cherin. In the Name of Sche­he­ra­zade oder Der erste Bier­garten in Teheran erzählt von den Erwar­tungen der Förder­stellen an die Exil-Iranerin, wie ihr Film auszu­sehen habe, was sie mit Achtern­busch nicht unähn­li­chem, trockenem Humor aufspießt. Ihr Film ist eine Art »Lettres Persanes«, persische Briefe der Aufklärer, die sich im 18. Jahr­hun­dert in die Position der Iraner versetzten, um die fran­zö­si­sche Gesell­schaft aufs Korn zu nehmen. Hier ist es eine junge Iranerin, der das leich­ter­hand mit der baye­ri­schen Weißwurst-Büro­kratie gelingt. (Fr 15.7. 20:00 Projektor HP8, zu Gast: Narges Kalhor)

Daniel Asadi Faezi gehört als in Deutsch­land Geborener bereits zur zweiten Gene­ra­tion der Exil-Iraner. Sein Vater kam in den Acht­zi­ger­jahren aus dem Iran nach Deutsch­land. Onkel Ibrahim blieb allein in der Heimat zurück, ein inten­siver Brief­wechsel zwischen ihm und dem Vater des Filme­ma­chers entstand. »Langsam vergesse ich Eure Gesichter«, schreibt der Onkel an die fernen Verwandten, Asadi Faezi hat seinen Film nach dieser Zeile benannt. Sein Film ist eine hoch­kon­zen­trierte Wieder­be­geg­nung mit den vor über dreißig Jahren geschrie­benen Briefen. Asadi Faezi lässt sie in einem reduziert als Wohn­zimmer deko­rierten Tonstudio verlesen, vom Vater und Onkel. Deren Worte verlieren und finden sich wieder in der Brüchig­keit der wehmü­tigen und sorgen­vollen Sätze, die älter gewor­denen Stimmen der Lesenden tauchen ein in die vergan­genen Emotionen und die damals Aufge­bro­chenen reichen den auch heute nicht Zurück­ge­kehrten die Hand. Was Exil bedeutet und was es bedeutet, die Heimat zu verlassen und die Lieben zurück­zu­lassen, macht Langsam vergesse ich eure Gesichter auf nüchterne und trotzdem tief emotio­nale Weise begreifbar. (Sa 16.7. 18:00 Projektor HP8, zu Gast: Daniel Asadi Faezi mit Vater und Onkel)

Hinter dem Vorhang von Osteuropa

Die Abwe­sen­heit geliebter Menschen im Exil spielt auch in Absence eine Rolle, die dritte Regie­ar­beit des 55-jährigen Schau­spie­lers Ali Mosaffa, der in zahl­rei­chen Filmen von Dariush Mehrjui, einem eminenten Vertreter der »Iranian New Wave«, mitge­wirkt hatte. In seinem Film geht es nach Prag, er taucht ein in die Welt hinter dem Eisernen Vorhang der Sech­zi­ger­jahre und gräbt nach und nach die Fami­li­en­ge­schichte aus, zeigt aber auch die Verwo­ben­heit der osteu­ropäi­schen mit der irani­schen Geschichte. (Sa 16.7. 20:00 Projektor HP8)

Das führt unwei­ger­lich in die Gegenwart zurück. »Putin reist in den Iran« vermelden heute die Tages­zei­tungen. Kommenden Dienstag, da ist das Festival Cinema Iran schon vorbei, wird der Kreml-Chef in Teheran neben dem irani­schen Präsi­denten Ebrahim Raisi auch den türki­schen Staats­chef Recep Tayyip Erdogan treffen. So wird Iran in den inter­na­tio­nalen Fokus rücken, es soll um Syrien gehen, aber auch um die »neutrale« Haltung des Landes zum Ukrai­ne­krieg und um even­tu­elle Vers­tär­kungen mili­täri­scher Allianzen mit Russland. Auch der Iran ist Teil der »Zeiten­wende« genannten kriti­schen Weltlage. Höchste Zeit, den Blick in dieses Land zu legen und auch die Repres­sion des irani­schen Volkes und die Verhaf­tung von Film­schaf­fenden nicht als nationale Ange­le­gen­heit der Isla­mi­schen Republik abzutun, sondern als die verwo­benen Machen­schaften in einer unfreien Welt zu erkennen. Free Irani Cinema!

7. Cinema Iran
13.-16. Juli 2022 München

Alle Vorstel­lungen im HP8 Reak­tor­halle im Gasteig, Hans-Preißinger-Str. 8, 81379 München
Tickets 8 € bei München Ticket