Girls Interrupted |
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Ein umstrittenes Plakat |
Diese Woche ist Woche der Frauen: Gleich drei Filme nehmen sich den durchgeknallten Killer-Frauen / den Nymphomaninnen / dem irregewordenen weiblichen Geschlecht an, die ganz anders sind als all diese gewohnten Hausfrauen-Weibchen mit Spitzen-BH und Blümchenkleidern, die uns sonst so vorgeführt werden. Sex, Hysterie und Gewalt, Irresein – das sind Formen von Fluchtverhalten, die gerne Frauen zugeschrieben werden, vor allem im Kino.
Das „Normale“ sucht man in Durchgeknallt (Girl, Interrupted), Office Killer und Romance vergebens. Doch was ist schon normal? Vielleicht das Verhalten von Marie, der Hauptfigur in Romance von Catherine Breillat. Die 1947 geborene Regisseurin ist in ihrer französischen Heimat für ein sehr persönliches Filmwerk bekannt. Sie schrieb verschiedene Drehbücher und
Romane und drehte seit 1976 sieben Spielfilme, meist Portraits weiblicher Sexualität. Am Donnerstag startet Romance, ein anspruchsvoller, kompromißloser Film über weibliche Sexualität. Wegen seiner freizügigen Szenen war Romance dem Vorwurf der
Pornographie ausgesetzt – das Filmplakat (links) wurde z.B. in den USA verboten.
Mit Catherine Breillat sprach Rüdiger Suchsland
artechock: Wie kam es zu Romance?
Catherine Breillat: Mir ging es um einen Kommentar zu konventionellen Vorstellungen sexueller und emotionaler Hingabe. Was der Hauptfigur von Romance passiert, ist ja nichts wirklich Ungewöhnliches. Vielmehr handelt es sich um Erfahrungen, die wir alle machen: Ein Mann, den man liebt, will nicht mehr mit einem schlafen, eine Geburt, Unterdrückung im Beruf, die eine sexuelle Komponente hat, Liebesaffairen, in denen es nur um Sex geht, sado-masochistische Erfahrungen, eine Vergewaltigung...
artechock: Aber dies sind doch extreme Erfahrungen?
Breillat: Ja, aber Erfahrungen, die vielen Menschen bekannt sind, Alltagssituationen. Die Übergänge zum Extrem sind ja nicht abrupt, sondern fließend. Fälle von Ohnmacht verschiedenster Art. Und um Ohnmacht handelt es sich nicht weniger, wenn es sich um Situationen handelt, die man freiwillig erträgt.
artechock: Ist Ohnmacht die weibliche „condition humaine“?
Breillat: Ja, das scheint mir schon zuzutreffen. Natürlich sind Frauen gesellschaftlich unterdrückt. Aber es geht in meinem Film nicht primär um den Geschlechterkonflikt. Es ist mir zwar oft vorgeworfen worden, ich würde Männer zu negativ zeigen. Aber meine Hauptfigur ist ja auch keine Heilige. In Wahrheit zeige ich Macht. Liebe ist vor allem eine Frage der Macht. Und ich wollte diesen Machtbezirk ausloten, auch über Tabus und jene unausgesprochenen Machtstrukturen zeigten, die wir alle verinnerlicht haben. Romance überschreitet die Grenzen des Selbstverständlichen. Denn das ist ja auch immer das Bequeme.
artechock: Sie sind dafür gefeiert, aber auch stark attackiert worden, auch von Frauen-Aktivistinnen...
Breillat: Absolut lächerlich! Sie als Mann begreifen vielleicht besser, dass Romance ja überhaupt kein Film ist, der sich gegen Frauen richtet.
artechock: Nein, schon eher wird einem als Mann etwas mulmig. Es steckt so eine untergründige Aggressivität in dem Film, wie ein lauerndes Ungeheuer, das jederzeit ausbrechen könnte...
Breillat: Genau! Gut, dass sie es so empfinden. Was sie da spüren, ist die Gewalt der Verhältnisse, eine Aggressivität die eigentlich auch unausweichlich ist, die man nur lieber totschweigt.
artechock: Gibt es nicht auch Glück zwischen den Geschlechtern, überhaupt den Menschen?
Breillat: Doch selbstverständlich. Nur lassen sich Glück und Gewalt nicht trennen, genausowenig wie Normalität und Exzess, Romantik und Realismus. Es existiert immer beides zusammen. Sex ist sehr metaphysisch. Denn in ihm zeigt sich genau diese Gleichzeitigkeit.
artechock: Ist Romance ein realistischer Film?
Breillat: Ja und nein. Realistisch wenn es um die Strukturen geht. Aber natürlich ist es auch eine Abstraktion von der beobachtbaren Wirklichkeit.
artechock: Man hat ihnen Pornographie vorgeworfen. Kann Porno Kunst sein?
Breillat: Nein. Pornofilme sind gar kein richtiges Kino. Und Romance ist ja auch kein Porno, sondern er zitiert Porno-Situationen. Davon abgesehen: Wirklich obszön sind doch ganz andere Filme, welche, die das Publikum für dumm verkaufen. Armageddon zum Beispiel.