»Diese Art von Geschichte fasziniert mich einfach« |
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Sam Mendes beim Dreh von American Beauty |
Die Kritiker in den USA waren begeistert, die Vereinigung der Filmjournalisten in Los Angeles wählte ihn gar zum besten Film des Jahres 1999, was ein gutes Omen für den Oscar 2000 zu sein scheint. Dabei trifft American Beauty ins finstere Herz der USA; ein Film über amerikanische Suburbs, Familien sowie Frauen- und Männerbilder.
Zoran Gojic führte ein Gespräch mit Sam Mendes, dem britischen Regisseur des Films.
artechock: Hat sie der Erfolg ihres Filmdebüts überrascht?
Sam Mendes: Sehr. Ich meine, ich habe gehofft, dass American Beauty bei der Kritik gut ankommt. Ich war sicher, es würde in jedem Fall ein interessanter Film werden. Was mich verblüfft hat, war wieviele Leute sich den Film dann letztendlich ansehen. Für mich ist das kein Mainstream-Film. Aber den Leuten geht die Geschichte offenbar ans Herz und sie finden einen persönlichen Bezug dazu. Die Tatsche, dass so viele Menschen den Film gesehen haben ist für mich viel aufregender als irgendwelche Preise.
artechock: American Beauty wird ja bereits als haushoher Favorit für die Oscar-Verleihung im März gehandelt. Machen sie sich Hoffnungen?
Mendes: Hören sie, ich werde ehrlich sein: Nein, ich denke nicht, dass der Film den Oscar bekommt. Dafür ist er zu düster. Aber für mich ist alleine schon die Tatsache, dass er überhaupt im Gespräch dafür ist, ein riesiger Erfolg. Und ein gutes Zeichen für den amerikanischen Filmmarkt. Es ist kein Star-Vehikel, er hat eine ungewöhnliche Struktur und es gab noch andere außergewöhnliche Filme, die ebenfalls Erfolg hatten. The Sixth Sense ist so ein Film, der Unsummen eingespielt hat. Es ist im Grunde eine einfache Geschichte um eine Mutter und ihren Sohn. Das lag vermutlich an Star Wars. Die anderen Studios hatten Angst große Filme gegen Star Wars antreten zu lassen und haben deshalb andere Filme ins Rennen geschickt. Das ist gut für die Filmemacher, auch für mich. Es hätte schlimmer kommen können.
artechock: Sie sagen selber, dass American Beauty ein düsterer Film ist, der eigentlich am Massengeschmack vorbei zielt. Weshalb haben sie sich dann für ihr Kinodebüt so einen Stoff ausgesucht?
Mendes: Diese Art von Geschichte fasziniert mich einfach. Andererseits ist mein Geschmack im Grunde relativ nahe am Mainstream. Die Filme, die mich beeinflusst haben und die ich seit meiner Jugend liebe, waren amerikanische Filme aus dem Zeitraum zwischen 1968 und 1975: Midnight Cowboy, Die Reifeprüfung, Rosemary’s Baby, Chinatown, etc. Mainstreamfilme also. Aber aus einer Zeit, in der Mainstreamfilme viel interessanter waren als heute. Insofern bin ich ein Anachronismus und kein Produkt des zeitgemäßen Hollywood. Vielleicht beginnt ja jetzt wieder eine Zeit, in der Filme dieser Art wieder öfter gemacht werden. Midnight Cowboy hat 1968 den Oscar gewonnen. In den 80ern wäre das undenkbar gewesen.
artechock: Sie stehen Hollywood eher skeptisch gegenüber, aber jetzt gehören sie dazu und sind für sechs Golden Globes nominiert.
Mendes: Ist doch toll. Außerdem: Die Preisverleihungen sind einfach nur Fernsehshows, die erfunden wurden, um Werbung für Filme zu machen. Lassen sie uns das nicht vergessen. Es ist eine TV-Sendung und kein Grund, um Filme zu drehen. Es ist trotzdem nett, aber man sollte nicht zu viel darüber nachdenken oder reden.
artechock: Sie haben für den Film mit veritablen Hollywood-Stars gearbeitet. Sind sie gut mit denen ausgekommen?
Mendes: Sehr gut. Ich bin es gewohnt mit Schauspielern zu arbeiten, da gibt es keine Unterschiede. Ich war froh, Kevin Spacey und Annette Bening zu haben. Sie sind sehr professionell und umgänglich. Es gab keine hysterischen Szenen oder dergleichen. Ich war viel nervöser im Umgang mit den Technikern, weil ich von diesen Dingen nicht die geringste Ahnung hatte. Ich wusste nicht, was der Kamermann eigentlich macht. Aber mit Schauspielern hatte ich am Theater immer schon zu tun, das kann ich.
artechock: Gibt es denn einen Unterschied, wenn man für die Bühne und für die Filmkamera inszeniert.
Mendes: Das sind zwei Welten. Theater ist ein Prozess, so wie Sport. Man spielt im Team. Ich sehe jeden und wer gerade was tut. Es mag sie überraschen, aber im Grunde ist Theater ohnehin nicht das Medium des Regisseurs, sondern das der Schauspieler. Kino ist hingegen eindeutig das Medium des Regisseurs. Das ist wie Meditation. Der Film existiert vor dem ersten Drehtag in einem. Der Regisseur trifft alle Entscheidungen, es gibt keine Diskussionen. Es ist die letzte funktionierende Diktatur. Man hängt von der Kunstfertigkeit anderer ab, aber der Regisseur ist derjenige, der entscheidet. Es ist natürlich auch langsamer und langweiliger. Weniger romantisch als Theater. Theater ist organischer. Dort beginnt man armselig mit ein paar Leuten und dem Text und dann fügt man verschiedene Aspekte hinzu. Beim Film ist es fast umgekehrt. Beim Drehen ist das Licht, die Kostüme und dergleichen schon da und man konzentriert sich während der Arbeit letztlich nur noch auf die Schauspieler und vergisst alles andere.
artechock: Nach welchen Kriterien haben sie den visuellen Stil des Films kreiert?
Mendes: Ich habe alles aufgezeichnet. Ich hatte Angst, dass ich bis zum Drehbeginn alles wieder vergesse. Ich wollte vor allem visualisieren, was auch in den Charakteren steckt. Schönheit, Licht, aber auch Sterilität. Es ist ein sehr gestylter Film, aber in seinen Mittel sehr ökonomisch. Ich wollte keine Steady-Cam oder Kamerafahrten, Wenn sich die Kamera bewegt, dann sehr langsam, weil jede Einstellung für sich stehen und eine gewisse Spannung behalten sollte. Außerdem kann man viel mit dem Raum arbeiten. Obwohl: Einen im Computer generierten Trick habe ich drin. Nennen sie mich George Lucas.
artechock: Sie zeichnen in dem Film kein nettes Bild von Amerika. Hilft ihnen ihre europäische Herkunft, die Distanz zu bewahren?
Mendes: Es gibt ja eine lange Liste von Nicht-Amerikanern, die sehr amerikanische Filme gemacht haben. Wilder, Lubitsch, Forman, Weir, etc. Sie alle haben gemeinsam, dass sie die Landschaft und die Leute in ihr unterschiedlich bewerten. In Paris, Texas werden die Städte objektiv gezeigt, aber die Menschen sehr subjektiv. Wissen sie, einen Film wie American Beauty hätte ich in England nicht drehen können. Ich wäre zu befangen.
artechock: Viele halten American Beauty tatsächlich für das definitive Porträt der weißen amerikanischen Mittelklasse-Seele. Wie gehen sie damit um ?
Mendes: Jeder Künstler erzählt eine Geschichte auf seine Art. Und als Filmemacher möchte man sich nicht auf Definitionen einlassen. Ich meine Shakespeare behandelt in »Lear« doch nicht das Problem alter Männer die sehr verschiedene Töchter haben. Er erzählt einfach eine gute Geschichte. Und in American Beauty geht es nicht um die Nöte weißer Mittelschicht-Männer oder was weiß ich sonst. Es ist eine Geschichte, die ich erzähle und von der ich hoffe, dass jedem Zuschauer etwas eigenes dazu einfällt. Ich hatte beim Drehen nicht das Gefühl, dass ich etwas Bedeutendes schaffe. Vielleicht ist es deswegen so gut gelungen. Wenn man krampfhaft versucht etwas Wichtiges zu sagen, geht das glaube ich immer daneben. Das wartet jetzt auf mich. Alle erwarten von meinem zweiten Film etwas ganz Besonderes.
artechock: Also bleiben sie beim Film?
Mendes: Ich möchte auch weiterhin am Theater arbeiten, aber auch Filme drehen. Film ist im Moment sehr aufregend, aber Theater ist meine Heimat.