»Kino ist was anderes als nur Filme sehen« |
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Filmfest-Glamour dank Mario Adorf, Geraldine Chaplin und Eberhard Hauff. Und Christian Ude. | ||
(Foto: CU Pictures, 2007) |
Das Gespräch führte Dunja Bialas
Zur Person: Neben seinen Ämtern als Kulturbürgermeister und OB war er 24 Jahre lang auch im Aufsichtsrat der Filmfest München GmbH, mal als Vorsitzender, mal als Vize: Christian Ude. Er bezeichnet sich als »Cineast von Kindes Beinen an«, er ist mit vielen Filmemachern, Schauspielern und Autoren befreundet und leitet seit 28 Jahren das Kulturforum der Sozialdemokratie in München, das seither eine anspruchsvolle Filmreihe bietet.
An einem sonnigen Mittag Ende Januar fahre ich bei eisigen Temperaturen ins Herz von Schwabing, um denjenigen zu treffen, der über zwanzig Jahre der mächtigste Mann Münchens war: Alt-Oberbürgermeister Christian Ude. Allein die Tatsache, dem zu begegnen, der die Geschicke der Stadt leitete, verändert meine Sicht auf die Dinge: Als meine U-Bahn wegen einer kaputten Tür nicht weiterfahren kann, bin ich fast versucht, mich dem Verkehrsschicksal zu überlassen und meine Verspätung beim
Ex-OB mit einem Hinweis auf den störanfälligen MVV zu entschuldigen. Um die Bürgerperspektive zu forcieren? Ich entscheide mich dann aber doch für ein Taxi und auch dafür, tunlichst Fragen à la Wie war es als OB? zu vermeiden. Gespannt bin ich darauf, wie sich das legendär druckreife Sprechen von Ude im persönlichen Gespräch manifestieren wird. Mir öffnet ein sichtbar entspannter und äußerst gut gelaunter Christian Ude die Tür zu seiner Schwabinger Wohnung am Kaiserplatz. Erst am
Vorabend stand er zusammen mit André Hartmann auf der Bühne bei Heppel & Ettlich. Sein Sprechen ist deutlich rhetorisch modelliert, dabei schön münchnerisch eingefärbt, mit Abtönungspartikeln wie »eigentlich«, »tatsächlich« und »natürlich« als Lieblingswörter. Meine erste Frage richtet sich an Ude als Mitbegründer des Kulturforums, das gerade seine Frühjahrsfilmreihe in den Kinos Münchner Freiheit gestartet hat: Zeit für ein Gespräch über Kino, Kneipen – und über seine dritte Leidenschaft: Das Kabarett.
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artechock: Zur Zeit läuft in den Kinos Münchner Freiheit wieder die Filmreihe des Kulturforums der Sozialdemokratie zum Thema „Zeitgeist und Zeitgeschehen“. Gerade war auch Ihre Parteifreundin, die Arbeitsministerin Andrea Nahles, mit ihrem Filmprogramm „Futurale“ zu Gast in München. Mit dieser Filmreihe illustriert sie aus sozialdemokratischer Perspektive bestimmte Thesen von Politik und gesellschaftlicher Entwicklung. Welchen Stellenwert haben Film und Kino für Sie, als ehemaliger Oberbürgermeister und als Privatmensch?
Christian Ude: Tatsächlich seit meiner Kindheit einen ganz maßgeblichen Stellenwert, wobei es enorme Schwankungen gab. Es gab während des Studiums Jahre, in denen ich in keiner Woche den Kinogang verpasst habe, und es gab in der Amtszeit natürlich Jahre, wo ich nur in der Filmreihe, die meine Frau im Kulturforum macht, und beim Filmfest München Kinofilme im Kino gesehen habe. Es standen ganz einfach keine Abende zur Verfügung!
artechock: Wie sah das Kino Ihrer Kindheit aus?
Ude: Es war bei mir so ähnlich wie wohl bei den meisten Schwabinger Kindern: Wir sind ins Studio Isabella gegangen, ich mit meinem Großvater, der jedes Jahr ein paar Monate in München lebte, und da durfte ich den Film aussuchen, meist waren es Cowboy-Filme – aber noch nicht Winnetou – eher das Gary-Cooper-Frühwerk. Nach dem Kino bin ich mit meinem etwas ratlosen Großvater, der den Filmen nicht so viel abgewinnen konnte, im John-Wayne-Schritt nach Hause gegangen.
Und dann kamen die ersten Semester des Studiums. Da wurde das Studio in der Isabellastraße, was bei mir gleich um die Ecke war, zunehmend abgelöst vom Türkendolch: Da konnte man viel mehr Studentinnen und Studenten kennenlernen. Zentrale Bedeutung bekam auch das Arri. Ich muss ganz ehrlich gestehen: Nicht etwa wegen der Filmkunst, die dort zeitweise auch zu sehen war, sondern wegen Eddie Constantine. Immer Mittwoch Abend gab es den Eddie-Film. Das war ein Erlebnis sondergleichen: Das Publikum kannte den Film in- und auswendig und spielte mit. Viele Studenten hatten gleich ein ganzes Tragerl Bier mitgebracht, so dass man immer auch Freibier bekam. Die kannten alle die Filme und versuchten, mit Zurufen die drohenden Ereignisse abzuwenden, was natürlich nicht gelang. Das ging so: »Eddie, Eddie, Vorsicht! Von rechts!« Ich wusste überhaupt nicht, was das soll. Aber tatsächlich kam dann bald rechts hinter dem Vorhang die Pistole hervor, und Eddie wurde angeschossen. Die Warnungen waren völlig vergeblich. Das Erlebnis zeigte mir: Kino ist was anderes als nur Filme sehen.
artechock: Welche Filme haben Sie am stärksten beeindruckt?
Ude: In den 60er Jahren habe ich die maßgeblichen Filme, die man als Filmkunst bezeichnen kann, im Occam-Studio von Fritz Falter* gesehen. Am nachhaltigsten hat mich Die Brücke von Bernhard Wicki beeinflusst, den ich später als Bürgermeister noch kennenlernen durfte. Es hat mich in einer antimilitaristischen Einstellung enorm bestätigt, dass eine Abiturklasse zu Beginn des Sommers sinnlos aufgerieben wird, das war so empörend und beunruhigend, dass man einfach pazifistisch eingestellt werden musste! Der andere Film war Alexis Sorbas, auch einer dieser großen Schwarzweißfilme, die sich viel mehr eingeprägt haben als vieles Buntes später – wie auch M von Fritz Lang, oder die Filme von Orson Welles, die nur in Schwarzweiß möglich und denkbar waren. Bei Alexis Sorbas ist es so, dass ich eigentlich überhaupt keinen Griechenlandbezug hatte. Denn ich war ja nicht einer dieser eingebildeten Pinsel vom humanistischen Max-Gymnasium, ich kam vom neusprachlichen Oskar-von-Miller-Gymnasium. Wir hatten den schöneren Turm, einen riesigen Schulturm, aber eben kein Griechisch! Auch an Urlaub in Griechenland war überhaupt nicht zu denken, der Gardasee war das höchste der Gefühle. Und trotzdem hat der Film in mir eine tiefe Griechenland-Sehnsucht angestoßen, die dann später auch ein politisches Thema wurde, mit den griechischen Studenten und Gewerkschaftern, die zur Zeit der Militärjunta hier im Exil lebten und zu uns Jungsozialisten kamen. Als ich dann wirklich nach Griechenland kam, hatte ich immer den Alexis Sorbas im Herzen.
Erst später, als ich den Film wiederholt gezeigt habe, auch in der Filmreihe oder beim Filmfest München, habe ich mich gefragt: Wie konnte ich mich eigentlich dafür begeistern? Das ist ja schrecklich, was man da zu sehen bekommt! Emotional sind viele Szenen großartig und bewegend. Aber wie hier mit einer angeblich unsittlichen Witwe umgegangen wird, das würde man heute für islamischen Fundamentalismus halten! Es war aber ein griechisches Dorf, das eine Frau gesteinigt hat, weil sich eifersüchtige Männer, die sie gerne selber gehabt hätten, in ihrer Scheinheiligkeit zu Gewalttätigkeiten haben hinreißen lassen. Oder die Klageweiber! Die das Haus schon plündern, während sie noch den letzten Schnauferer macht. Widerliche Szenen! Aber das war mir beim ersten Betrachten des Films überhaupt nicht bewusst. Ich fand das großartig und emotional aufrührend und aufregend. Seitdem habe ich die fixe Idee, ich würde gerne Sirtaki tanzen wollen.
artechock: Das ist ja genau die Doppeldeutigkeit, die man bei Filmen erleben kann: Filme transportieren Inhalte, die eben nicht eindeutig als Thesen formuliert werden, sondern eine weitere Spanne aufweisen. Was dann über die Politik hinausgeht. Man hat auch mit Lebensinhalten zu tun, die Widersprüchlichkeiten aufzeigen und ganz viel Emotion beinhalten können. Welche Rolle geben Sie der Politik im Film?
Ude: Ich würde mich mit Händen und Füßen dagegen wehren, dass die Politik oder einzelne Politiker, und seien sie im Ruhestand, dem Film sagen sollen, was er zu sein habe. Das wäre ein instrumentalisierter Film, und damit hätte er seine Unschuld verloren, bevor die erste Klappe fällt. Film muss künstlerisches Ausdrucksmittel sein. Wenn das am Ende nur der Aufruf ist zum Gewerkschaftsbeitritt oder zur richtigen Wahlentscheidung, dann ist das mit Sicherheit ein schauerlich schlechter, banaler und bald dahinwelkender Film. Es muss um Wesentliches gehen, um das menschliche Leben, und natürlich können politische Inhalte nicht ausgeklammert werden. Fragen der Wertschätzung werden zu Politik. Wie das menschliche Leben konkret abläuft, hat nicht immer, aber in vielen Fällen mit Politik zu tun und wird davon beeinflusst. Film darf daher auch nicht programmatisch unpolitisch sein, weil da ein viel zu großer Teil der Realität ausgeblendet würde. Deswegen haben Filme mich natürlich auch immer politisch bewegt.
Spontan fallen mir da zwei Werke ein: Das war Fahrraddiebe von Vittorio de Sica, den wir einmal zu Schuljahrsende gucken durften, mit einem eigentlich platten Handlungsstrang: Einem Arbeitslosen, der gerne als Plakatkleber die Familie durchbringen würde, wird das Fahrrad gestohlen. Und weil er damit seinen Job verlieren würde, stiehlt er ein anderes, wird dabei aber geschnappt. Unsere Schulklasse hat vor Zorn gebebt. Dieser Film hat ein soziales Gerechtigkeitsgefühl geschärft: Gib jedem eine Chance! Das hat politisiert. Sehr viel später habe ich Costa-Gavras' Z gesehen, wo man mitbekommt, wie rechter Terror abläuft. Ein liberaler Politiker fällt einem Anschlag zum Opfer, nachdem er ausdrücklich den anwesenden Polizeipräsidenten aufgefordert hatte, für Recht zu sorgen. Das war unglaublich aufwühlend. Das waren politische Erlebnisse!
artechock: Die Filmstadt München veranstaltet seit 1985 Filmreihen, die auch Filme zeigen, die politisch bewegen. Sehen Sie in kulturellen Veranstaltungen einen gesellschaftlichen Auftrag? Oder steht die Prestigefrage im Vordergrund, wie es anfänglich beim Filmfest war, damit sich die Stadt schmücken kann?
Ude: Ich finde, Filmpolitik darf nie die Absicht verfolgen, bestimmte Filme mit einer bestimmten Sichtweise zu stützen. Dann hätten wir ja wirklich den Film als verlängerten Arm jeweiliger Mehrheitsverhältnisse. Filmpolitik hat dem Film zu dienen. Und da haben Sie genau das richtige Thema angesprochen: Das war beim Filmfest anfänglich nicht der Fall. Das heißt: ganz am Anfang schon, in der Stunde der Zeugung. Ich habe damals noch einige der Beteiligten gekannt, wie Alexander Kluge und Eberhard Hauff, die eine Förderung des Filmgeschehens und der Filmakzeptanz durch ein Festival wollten. Aber es passierte das glatte Gegenteil unter Oberbürgermeister Erich Kiesl, das ist so unstrittig, dass man es auch nach seinem Tod sagen darf. Er hat mit der Wahl eines Modedirektors (Alfred Wurm, Anmerkung d.Red.) zum Festivalleiter deutlich gemacht: Ihm ging es um ein gesellschaftliches Event, das mit cineastischen Einstellungen und Absichten nicht das Geringste zu tun hatte. Er flog für irrwitzige Spesen nach Amerika, um sich anzuschauen, wie Glamour im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ausschaut. Das war der zweite Wahnsinn. Dann kam der Ausstieg der Filmemacher, die gesagt haben: Das ist nicht unser Ding. Es war der CSU-Bürgermeister Winfried Zehetmeier, der das Filmfest gerettet hat. Er ist als Kulturbürgermeister an die Sache herangegangen und hat die Filmemacher reingeholt, nicht den Modemacher und die Gesellschaftstanten und die Klatschkolumnisten. Das waren die richtigen Weichenstellungen, aber erst im zweiten Anlauf.
Dann war die Wahl für Eberhard Hauff, Filmproduzent und Bruder des Filmemachers Reinhard Hauff, zum Festivaldirektor die richtige Entscheidung, denn er war unglaublich vernetzt, mit Filmemachern unterschiedlicher Couleur. Die waren sich durchaus uneins! Bei dem Thema aber, was ein Festival für den Film bringen soll, waren sich alle einig. Sie haben Hauff als ihren Vertrauten und Macher des Festivals empfunden.
Ich habe in meiner Amtszeit versucht, den Etat aufzustocken, was immer gelungen ist, mit sehr filmkundigen Leuten beim Freistaat Bayern. Das muss man sagen: Die Filmförderung in Bayern ist neben der nordrhein-westfälischen die beste in Deutschland. Professor Schäfer, der bei jeder Aufsichtsratssitzung des Filmfests dabei war, ist ein hochkarätiger Experte. In den 21 Amtsjahren von mir – im Aufsichtsrat war ich 24 Jahre, auch schon als Kulturbürgermeister – gab es kaum einen bedeutenden deutschen Film, bei dem Schäfer nicht als Förderer beteiligt war, der Freistaat Bayern ist in der Filmpolitik wirklich gut aufgestellt. Minister Faltlhauser – obwohl Finanzminister!, das sind ja eigentlich die natürlichen Feinde kulturpolitischer Anliegen – war auch ein Glücksfall, weil er nicht nur eine Affinität zu Kulturgebäuden, sondern auch zur Filmförderung hatte. Der Fehlstart des CSU-Oberbürgermeisters ist durch die Rettungsaktion seines Stellvertreters und das Engagement von Repräsentanten des Freistaats Bayern wieder mehr als gut gemacht worden.
artechock: Und zugleich war der Fehlstart der Startschuss für die Münchner Film- und Festivalmacher. Die Filmstadt München hat sich als Verein herausgebildet, als Antwort auf den misslichen Start des Filmfests. Die Stadt hat hier zu einer Vorreiterrolle auf Bundesebene gefunden, indem das Graswurzelprojekt von der Kulturpolitik aufgegriffen und im großen Zuge gefördert wurde. Natürlich nicht ganz freiwillig. Sie haben sich zu organisieren gewusst und haben konkrete Forderungen vorgelegt. Die Förderung wurde zwar bewilligt, sie stagniert aber seitdem mehr oder weniger. Was ist der Grund?
Ude: Wenn es eine Stagnation gibt, dann gilt dies nicht nur für die Höhe der Zuschüsse, sondern auch für die Bedeutung. Ich glaube als leidenschaftlicher Cineast, dass das Kino das Netz genauso überleben wird, wie es das Fernsehen nach schweren Rückschlägen überstanden hat. Aber man kann nicht die Augen davor schließen, dass junge Leute, und damit meine ich jetzt alle unter vierzig, ein anderes Kommunikations- und Konsumverhalten haben als in meiner Jugend, wo man zwischen drei Falter-Kinos ausgewählt hat. Heute können sie unter zigtausenden im Netz erreichbaren Filmen, Unterhaltungs- und Informationsangeboten aussuchen. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Und da muss man sich fragen: Wie kann sich der Film und das Kino in einer Welt des Medienwandels behaupten? Ich glaube nicht, dass das eine Stadt aus der Welt schaffen kann, indem sie den Zuschuss verdoppelt.
artechock: Haben Sie konkrete Ideen für eine Belebung von Kino? Wie machen Sie das bei der Filmreihe des Kulturforums?
Ude: Wir sind ja nur selten auf Entdeckungsfahrt, um Filme zu zeigen, die man noch nie gesehen hat. Wir zeigen eher Werkreihen, wo die Regisseure immer sehr dankbar sind, wenn nicht nur die drei Bestseller kommen, sondern auch die drei Filme, die es kaum ins Kino und ins Publikumsgedächtnis geschafft haben. Insofern haben wir gelegentlich die Aufgabe, etwas bekannt zu machen, was nicht so marktgängig und deswegen erfolgreich ist. Aber den Anspruch, Unbekanntes zu erschließen, haben wir gar nicht. Wir haben einen anderen Anspruch: Kino kann, soll, darf ein Gemeinschaftserlebnis sein, wo man sich trifft, auch hinterher noch essen geht oder einen Wein trinkt. Und sich möglichst mit dem Regisseur und mit Schauspielern unterhalten kann.
Das haben wir tatsächlich geschafft. Es ist unglaublich, mit der Auskunft, dass womöglich nur fünfzig Leute kommen, vielleicht aber auch 120, einen Volker Schlöndorff ins Kino zu bekommen. Der dann direkt gerührt ist, dass er viele Jahre später über einen Film mit kulturell interessierten Leuten diskutieren kann. Es gibt kaum eine Schauspielerin oder einen Schauspieler in München, die nicht in der Reihe Filme erläutert, Anekdoten aus der Produktionszeit erzählt hätten, aber auch Missverständnisse darüber, wie der Film vom Publikum oder von den Medien fälschlich gesehen wurde, aufgeklärt hätten. Deswegen ist die Reihe nach über 25 Jahren nicht totzukriegen. Theo Hinz, der der wahre Erfinder der Filmreihe ist und Ermöglicher des ersten Vierteljahrhunderts, hat schon die nächsten fünf Jahre durchgeplant. Ein besonderer Glücksfall, der zeigt, was die Reihe leisten kann, war die Familie Verhoeven-Berger, wo eine einzige Familie alles ist: Superstar und Weltstar, Regisseur und Produzent, und das auch schon in drei Generationen. Die Familie jeden Abend in verschiedenen Konstellationen dazuhaben, war eine gigantische Chance.
artechock: Sie haben gerade die angenehmen Seiten eines Kinobesuchs erwähnt: dass man hinterher noch gemeinsam woanders hingeht. Das bringt mich zum zweiten K: Zur Kneipe! Wie war denn die Verbindung von Kneipe und Kultur in Schwabing?
Ude: In Schwabing gab es, als ich zur Schule ging und eine Schülerzeitung gemacht habe, Maler, Schriftsteller, Kabarettisten wie Werner Fink oder Dieter Hildebrandt. Eva Pampuch, die vom benachbarten Sophie-Scholl-Gymnasium kam, meinte, das sei ja alles Schnee von gestern. Die Musik würde bei den jungen Filmemachern spielen, die würden alle sehr bedeutend werden. Und die trafen sich im Fallmerayer Hof. Da waren alle Namen vertreten, die man heute kennt, der junge deutsche Film saß da beieinander. Bei einem Bier wurde über Filmpolitik geredet, Alexander Kluge viel über Filmförderung, und er hat Thesen vertreten, die ich wahnsinnig gescheit fand, aber überhaupt nicht verstanden habe. Was ihn nicht daran hinderte, später Sozius meiner Kanzlei zu werden, was den Briefkopf auf das Vorteilhafteste schmückte! Ich habe ihn sehr dafür bewundert, wie er sich Reservate im Privatfernsehen gesichert hat. Manche haben auch gespöttelt, das sei die gerechte Strafe für das Privatfernsehen, dass sie halbstündige Sendungen bringen müssen, die der typische Zuschauer des Privatfernsehens nicht sehen möchte.
Wichtig war auch das Hong Kong in der Tengstraße, das der Chinese Jin Tao übernommen hat. Er kennt alle deutschen Schriftsteller, von Böll, Grass und Lenz angefangen, persönlich aus Peking. Er hat eine Doktorarbeit geschrieben über Thomas Mann und war im Außenministerium damit beauftragt, Kontakte zu Schriftstellergruppen zu halten, die nach Peking kommen. Bei einer Reise ins Ausland ist er abgesprungen und nach Deutschland gekommen. Er hatte aber diesen chinesischen Ehrbegriff: Man darf nicht von der Stütze leben, wenn man als bürgerlicher Intellektueller sich auch selber ernähren kann. Deswegen ist er Kellner geworden und hat nachts »Das Parfum« von Patrick Süßkind übersetzt – deshalb konnte der Film in China erfolgreich gezeigt werden. Inzwischen ist er auch der Inhaber des Ladens. Er hat dankenswerterweise meinen Brief an ihn eingerahmt und aufgehängt, dass sichere Quellen besagen, dass das Manifest von Oberhausen in seiner Kneipe ausgeknobelt worden ist.
artechock: Und dann war da noch der Jennerwein…
Ude: Den Jennerwein habe ich gar nicht als kulturellen Treffpunkt wahrgenommen. Das war einfach eine Kneipe zum Biersaufen. Das kann aber auch an der Uhrzeit gelegen haben. Wir sind als Jungsozialisten immer erst nach unseren Veranstaltungen um Mitternacht noch zum Jennerwein gegangen. Vielleicht waren die kulturellen Gespräche dann schon vorbei, ich habe auf jeden Fall kein cineastisches oder filmpolitisches Gespräch in Erinnerung. Für uns galt einfach das Motto: Mit dem Kapitalismus wird es böse enden, und zwar sehr bald schon. Aber vorher gehen wir noch ein Bier trinken beim Jennerwein!
Heppel und Ettlich haben den Jennerwein in den 60er Jahren übernommen, bevor sie dann zu den Olympischen Spielen das Heppel & Ettlich in der Kaiserstraße gegründet haben. Erst gestern war ich dort, und wir haben die Vergangenheit wieder aufleben lassen: Wer alles da war, was aus den Leuten später geworden ist. Einige kommen jetzt schon mit Krückstock und Rollator in ihre Stammkneipe. Diese Bindungskraft von Henry Heppel, Wolle Ettlich und Lutz Neumann, der am Anfang auch dabei war, ist unglaublich, das geht durch die Jahrzehnte, wie sie ihre »Gemeinde« beieinanderhalten.
Bei Heppel & Ettlich gab es von Anfang an Filmvorführungen. Im Nebenraum, der auch unbekannten Kabarettisten wie mir als erste Bühne diente. Da war von Anfang an ein cineastisches Publikum. Wichtig war das Filmprogramm für Kinder, das ein richtiger Integrationsschmelztiegel für das Kennenlernen von Familien war. Gestern hat Wolle behauptet, es sei auch so mancher Seitensprung in die Wege geleitet worden, das kann ich nicht überprüfen. Aber vorstellen kann ich’s mir! Da entstand mit der Kneipe ein Kristallisationspunkt für Cineasten und es war der Kleinkunstort schlechthin. Die Kreise haben sich teilweise überlappt, aber waren nicht identisch.
artechock: Das ist ja das Interessante bei Heppel und Ettlich, dass hier die Kleinkunst auf den Filmemacher trifft.
Ude: Und die dann noch dazu richtig gute Filme machen! Klassiker wie die Langzeitstudie über die DDR, oder seine Liebeserklärungen an Schwabing oder Neukölln, das sind richtig tolle Filme**.
artechock: Es gibt zwei Filme von Wolfgang Ettlich über Sie, wobei der eine wohl ein Imagefilm ist. Ude – Der Film, was für ein großartiger Titel!
Ude: Moment, Ude – Der Film ist der einzige Film, den der Sender „München TV“ produziert hat, da spielte Ettlich keine Rolle. Aber Sie haben trotzdem Recht: Zur Landtagswahl hat Ettlich einen Imagefilm gedreht, der auch ganz offen als solcher deklariert wurde. Und er hat fürs Bayerische Fernsehen eine einstündige Dokumentation gemacht, das war die Langzeitbeobachtung Servus Christian – Das letzte Jahr des Oberbürgermeisters. Im Volkstheater hat er mein Gespräch mit Helmut Schmidt aufgezeichnet. Ich hätte nie erwartet, dass das mal ein solches Zeitdokument wird. Denn es gibt zwar viele Sendungen mit Helmut Schmidt, aber selten eine aus der Sicht der SPD. Normalerweise wird er befragt, wie es war mit der Flut in Hamburg bis zum Nato-Doppelbeschluss. Das kommt bei mir auch vor, aber auch die Zeit der Friedensdemos gegen den Doppelbeschluss und die Zeit, in der sich die Sozialdemokraten meiner Generation mit ihm verteufelt schwer getan haben. Da hat Wolle wirklich ein Filmdokument geschaffen.
artechock: Sie hatten auch noch kleinere Rollen in Fernsehserien übernommen, in „München 7“, und vor ihrer Amtszeit als Oberbürgermeister bei Hanns Christian Müller in Langer Samstag gespielt.
Ude: Mein heutiges Kabarett und meine Auftritte zusammen mit Künstlern sind mit einem gewissen Anspruch verbunden. Damals war das nicht der Fall, sondern nur eine Chance, die Arbeitsweise und die Produktionsbedingungen kennenzulernen. Bei Hanns Christian Müller konnte ich sehen, welcher Aufwand erforderlich ist und welche Anforderungen an Schauspieler gestellt werden. Das war für mich der eigentliche Nutzen. Ich habe da einen ziemlich dämlichen, korrupten Polizeibeamten gespielt. Aber ich kann sagen: Ich habe mit Campino und Gisela Schneeberger gedreht! Seitdem bin ich der Meinung, dass die Statisten in der Filmkritik maßlos unterschätzt werden. Immer dieser Starkult!
Bei der »Lindenstraße« war ich sogar zwei Mal. Einmal mit Vater Beimer, der von mir eine Auszeichnung gekriegt hat, weil er ein Brandereignis rechtzeitig der Feuerwehr mitgeteilt hat, und mit Mutter Beimer hatte ich zu tun, weil sie ins Rathaus kam. Um den Bürgermeister zu fragen, was man denn alles tun müsse, um eine Umweltdemonstration korrekt abzuwickeln. Meistens habe ich mich selber gespielt. Auch Michaela May habe ich in einem Film einen Preis übergeben, groteskerweise im Pavillon des Hofgartens, wo in der Realität noch nie ein Preis übergeben wurde. Aber es war eine schöne Location mit guter Kulisse. Und dann habe ich noch mit Helmut Fischer gespielt, der hat von mir auch einen Preis verliehen bekommen. In allen Fällen, bei May, Schneeberger und besonders bei Fischer, mit dem wir ja persönlich eng befreundet waren, war es ein Vorschlag der Schauspieler gewesen. Bei »München 7« war es der Wunsch von Franz Bogner. Er kam zu mir und hatte ein schier unvorstellbares Anliegen. Er wollte, dass die Stadt genehmigt, dass im Glockenspiel eine Szene gedreht wird, in der sich ein Selbstmörder hinunterwirft. Die Stadtverwaltung hatte das kategorisch abgelehnt. Es könnte ja Nachfolgetäter, Trittbrettfahrer nach sich ziehen. Ich habe gegen die Bedenken der Verwaltung durchgesetzt, dass wir das genehmigen. Bei diesem Gespräch waren wir uns nahe gekommen, weil er merkte, dass ich mich in allen BR-Produktionen, die ich wirklich für großartig halte, nicht nur den Monaco Franze und Kir Royal, sondern auch die frühen Serien von Bogner und Dietl, auskannte. Er meinte dann, ich solle auch mal eine Rolle übernehmen. Ich habe mich dann wieder selber gespielt, wo ich nun wirklich auch behaupte, das könne ich. Es war eine Szene, wo Obdachlose ins Rathaus kommen, weil sie sich durch fremdländische Bettler an den Rand gedrückt fühlen.
artechock: Als Oberbürgermeister haben Sie ja auch die realen Geschicke der Stadt bestimmt. Ein Dauerthema ist die Kinosituation in München. Seit 2002, also deutlich in ihrer Amtszeit aus der Taufe gehoben, gibt es den Kinoprogrammpreis. Dem gingen Schließungen von namhaften Kinos voraus. Teilweise aus privatwirtschaftlichen Gründen, teilweise aber auch nicht freiwillig, wie beim Filmcasino, das von der Partyszene verdrängt wurde. Gibt es für die Stadt Möglichkeiten, in Einzelfällen einzugreifen?
Ude: Natürlich möchte man als Cineast möglichst viele Kinos am Leben sehen und am Leben erhalten. Vor allem, wenn sie ein anspruchsvolles Programm haben und nicht einfach Schrottabspielplätze sind. Das ist überhaupt keine Frage. Nur muss man sagen, dass es in München eine herausragend gute Situation gibt. Jetzt spreche ich vielleicht ein bisschen zu sehr als Schwabinger, aber es ist doch schier unglaublich, dass man in unmittelbarer Nähe eine Vielzahl von Kinos hat. Das ABC, das ich schon als Schüler aufgesucht habe und dann gleich mehrere Kinos auf der gegenüberliegenden Seite. Die Kinos Münchner Freiheit, wo die Filmreihe des Kulturforums läuft, die meine Frau gemeinsam mit dem Filmproduzenten Theo Hinz ins Leben gerufen hat, und wo wir es auch nach dem schrecklichen Tod von Steffen Kuchenreuther mit seinem sehr engagierten Bruder Thomas Kuchenreuther zu tun haben. Ein Glücksfall für die Kinoszene der Stadt!
Als unter lautem Weinen der Kulturszene das Monopol-Kino schließen musste, stellte sich heraus: Es kann sogar mit wesentlich besserem Raumangebot in West-Schwabing in der Schleißheimer Straße Fuß fassen. Aber komischerweise haben alle Feuilletons über den unersetzlichen Verlust in Ost-Schwabing geschrieben und nicht über die Neugründung in West-Schwabing. Was ich als geborener West-Schwabinger unangemessen finde. Ich denke, dass das Angebot rings um die Münchner Freiheit ein bundesweit extrem hohes Angebot ist und die Menschen in West-Schwabing auch einmal ein Kino verdient haben. Wieso das ein Weltuntergang sein soll, wenn das Angebot ungeschmälert, sogar ausgeweitet, nur nicht am Kinobrennpunkt Münchner Freiheit situiert ist, sondern an der Schleißheimer Straße, habe ich nie verstanden. Und selbst die Schwabinger 7 gibt es ja noch, in derselben Straße! Und wo ist das Feuilleton, das täglich über die Schwabinger 7 als kultureller Brennpunkt der Münchner Kulturszene schreibt? – Nichts! Sobald man nicht mehr schimpfen kann, ist das Thema nicht mehr von Interesse.
In meiner Amtszeit war ich mit enorm vielen Fällen von drohendem Kinosterben befasst. Die moralische Pflicht des Hausbesitzers, für die kulturelle Vielfalt zu sorgen, die ja die Grundlage seiner Immobilienpreise ist, und zwar nicht nur für das Kino im Erdgeschoss, sondern für die Attraktivität der gesamten Immobilie, das habe ich immer betont und in vielen Fällen auch Glück gehabt. Es hat zum Beispiel beim Studio in der Isabellastraße hingehauen, und es ist mit dem Filmcasino am Odeonsplatz versucht worden. Beim Monopol-Kino hat es dazugeführt, dass es einen besseren Standort gefunden hat, als es vorher hatte. Übrigens bin ich vorher sehr ungern durch die Feilitzschstraße gegangen, weil mich permanent Leute angeredet haben, wie die Stadt so was Scheußliches, so ein Ruinengrundstück mit Baracke und das frühere »Barbarella«-Kino zulässt, und jetzt gehe ich ungern durch die Straße, weil sie sagen, wie konnte die Stadt erlauben, dass da ein Privateigentümer sein Baurecht ausschöpft. Das er aber schon vor dem Weltkrieg hatte! Das Baurecht dort ist älter als die Bundesrepublik. Und trotzdem soll dann der Bürgermeister, um die Schwabinger 7 und eine Dönerbude zu retten, das Baurecht für dreißig Wohnungen beseitigen. Absurd! Das sind reine emotionale Wallungen, wo man keine vernünftige Güterabwägung mehr vornehmen kann.
artechock: Bei bestimmten Objekten hat der Artenschutz funktioniert. Das Filmtheater Sendlinger Tor steht unter Denkmalschutz, genauso das Theatiner, und das ABC Kino genießt Bestandsschutz. Könnte man hohe Mieten, die in München ein großes Problem darstellen, durch eine Förderung ausgleichen?
Ude: Verteufelt schwierig ist, dass man mit finanziellen Zuwendungen oft das Gegenteil erreicht. Wenn Sie zum Beispiel sagen, dass die Stadt die Mietzahlungen übernimmt, verfünffachen Sie damit die Miethöhe. Weil jeder Hausbesitzer, der jetzt noch sagt, wie soll der arme Teufel von Kinobetreiber das wieder reinholen, dann natürlich sagt: Eigentlich ist bei hochkommerzieller Nutzung auch die fünffache Miete in München üblich, das fordere ich jetzt auch, es zahlt ja eh die Stadt. Dann haben Sie für die Kinobetreiber nichts getan, aber den Steuerzahler geplündert und dem Hausbesitzer die Kassen gefüllt. Also, so einfach ist das nicht! Deshalb hat die Stadt nie gesagt, wir übernehmen die Mietkosten, sondern sie sagt: Es ist nunmal eine privatwirtschaftliche Betätigungsform, und wenn einer inhaltlich wirklich gut ist, dann gibt’s als Einzelförderung den Kinoprogrammpreis.
Es ist aber auch eine Frage an das Publikum. Das war das Thema bei den Emma-Läden, es ist das Thema bei Kneipen, es ist das Thema bei privatwirtschaftlichen Kinos: Die Leute gehen nicht hin. Aber wenn dann ein Fachgeschäft oder eine Kneipe oder ein Kino verschwindet, heißt es: Das ist ja unerhört! Das ist ein Teil unserer Lebensqualität und unserer Kultur, das muss die Politik retten. Mich würde es freuen, wenn alle, die bereit sind, am Ende ein Klagelied anzustimmen, vorher schon mal hingehen und Eintritt zahlen. Und ich liebe Idyllen, die sich halten! Hier in der Nähe gibt es die Ostfriesische Teestube, die hat ungelogen dasselbe Mobiliar wie vor meinem juristischen Staatsexamen. Ich habe dort oft, wenn es in der Wohngemeinschaft zu laut war, gefrühstückt und Jura gelernt. Das ist eine Insel im Häusermeer und ein Einladung, eine Zeitmaschine zu betreten. Es sind auch noch dieselben Betreiber. Das geht, weil der Hausbesitzer die Teestube zu schätzen weiß und eine Miete verlangt, die man gar nicht verraten darf. Er verschafft sich dadurch aber selber Lebensqualität. Die anderen Hausbesitzer, die es leider auch gibt, vor allem Erbengemeinschaften, die ganz schnell Bares sehen wollen, oder Immobilienverwerter, die überhaupt nur von Profitmaximierung in kurzer Zeit ausgehen, die machen kaputt, was den Wert ihrer eigenen Immobilie ausmacht. Kurzfristig stimmt die Kalkulation. Wenn es dann aber so viele machen, dass es ein Viertel verändert, dann geht das Gejammer los und am Schluss kommen auch noch die Hausbesitzer und sagen, die Stadt muss sich was einfallen lassen, um den kulturellen Charakter des Viertels zu retten, den sie selbst planmäßig kaputt gemacht haben.
artechock: Unser Kulturreferent hat sich einmal mir gegenüber verwundert darüber geäußert, dass die Münchner keine Veränderung wollen. Er selbst kommt aus Oberhausen im Ruhrgebiet, wo man Veränderungen oft als Fortschritt erlebt. Wie kamen Sie auf Hans-Georg Küppers? Aus Film- und Kinoperspektive gesprochen: Wir empfinden ihn als großen Glücksgriff.
Ude: Das gilt genauso für andere Perspektiven. In aller Demut aber muss ich wirklich zugeben: Richtig schmücken kann ich mich nicht. Denn der Präsident des kommunalen Arbeitgeberverbands hat ihn mir empfohlen, als wir auf der Suche nach einem Nachfolger waren (von Lydia Hartl, Anm. der Red.). Und obwohl ich meinen OB-Kollegen sehr schätzte, habe ich mir gedacht: So blöd bin ich nicht, dass ich einem Kollegen den Kulturreferenten abnehme, den er mir mit glühenden Worten empfiehlt (Küppers war damals in Bochum Kulturdezernent). Da war ich misstrauisch. Aber zum Glück hatte sich die SPD-Kultursprecherin, die Stadträtin Ingrid Anker, bei Gott und der Welt sachkundig gemacht. Sie kam dann zu mir und sagte: Ich weiß gar nicht, warum du so misstrauisch bist, der wird ja von allen empfohlen. Und dann habe ich mich Gott sei Dank mit ihm getroffen und war spontan von ihm angetan. Ich habe ihn dann mit heller Begeisterung vorgeschlagen. Küppers geht von sozialdemokratischen Werten aus. »Kultur für alle«, was ja schon das Motto für Hermann Glaser in Nürnberg und Hilmar Hoffmann in Frankfurt war, das lebt er. Er ist ein mit allen Wassern gewaschener Verwaltungsmann, aber auch ein künstlerisch interessierter Mensch, dem man das sofort anmerkt. Und er hat ein Händchen für Projekte, zum Beispiel das Kreativquartier, das einzig und allein von ihm ausging. Man ist gut beraten, bei seinen Projekten zu helfen, da sie sich alle, zumindest im Nachhinein, bewahrheitet haben.
artechock: Was machen Sie jetzt nach Ihrer OB-Zeit? Sind Sie ins Kabarett zurückgekehrt?
Ude: [lacht] Ich halte wesentlich mehr Vorträge in Universitäten, in Akademien, beim Städtetag, beim Mieterbund, bei wohnungspolitischen Kongressen, nur interessiert es die Öffentlichkeit nicht. Während zu meinem Kabarett-Abend jeder kommen kann. Und tatsächlich mache ich im Frühjahr wieder zwei Mal „Ude & Friends“ im Prinzregententheater. Es machen so viele Künstler mit, dass es immer sehr schnell ein ausverkauftes Haus gibt, und das macht natürlich Spaß, wenn man nicht auf der Parkbank sitzt und Däumchen dreht, sondern wenn man all die Themen und Beziehungen, die sich ergeben haben, nutzen und ausschöpfen kann.
+ + +
*Fritz Falter, Münchner Kinopionier, der maßgeblich für die Filmkunst wurde.
**erwähnte Filme von Wolfgang Ettlich:
DDR – 25 Jahre später (1989 / 2015)
Schwabing – Meine nie verblasste Liebe (2006)
Mein Neukölln (2015)
Servus Christian (2014)
Udes Schwabing entlang der drei großen Ks:
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Veranstaltungen:
Kulturforum der Sozialdemokratie
Filmprogramm in den Kinos Münchner Freiheit
Mittwoch, 17. Februar, 17:30 Uhr, Auch Henker sterben (R: Fritz Lang, USA 1943)
Mittwoch, 2. März, 17:30 Uhr, Der unbekannte Soldat (R: Michael Verhoeven, D 2006)
Mittwoch, 16. März, 17:30 Uhr, Wir Wunderkinder (R: Kurt Hoffmann, D 1958)
Ude & Friends im Prinzregententheater
Sonntag, 14. Februar, 20:00 Uhr
Sonntag, 20. März, 15:00 Uhr