61. Berlinale 2011
Die Party als moralische Anstalt |
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Alice in den Städten | ||
(Foto: Wim Wenders) |
Im Märchenland. Es war einmal ein Filmfestival, das hatte einen lustigen Direktor: Es wurde immer größer und größer, und hatte Angst, zu platzen. Darum zeigte es irgendwann immer kleinere Filme, weil es hoffte, dann würde es selbst wieder kleiner. Aber es sah immer noch ziemlich groß aus, nur sagten die Leute jetzt: »Das Festival ist dick und fett.« Da sagte der lustige Festivaldirektor:»Na wartet, mit dem Fett könnt ihr mich gern haben. Wir machen 'Kulinarisches Kino', da kann man während des Zuguckens auch gleich noch abnehmen.« Da sagten die Leute: »Oh je, noch eine weitere Sektion, wo man doch jetzt schon nicht alles gucken und die Sektionen gar nicht mehr untereinander unterscheiden kann.« Da sagte der lustige Festivaldirektor: »Na wartet, wir nennen es einfach 'Publikumsfestival', das heißt soviel wie 'für jeden etwas', und wer jetzt noch meckert, ist ein Spaßverderber.« Trotzdem gab es immer noch welche, die meckerten, und sagten: »Das Festival ist zwar nicht mehr groß, aber klein ist es nun wirklich auch nicht, sondern es ist vor allem breit.« Da dachte sich der lustige Festivaldirektor einen neuen Witz aus, und druckte ganz groß ein »B« aufs Plakat, als wollte er sagen: »Seht her, wir sind kein A-Festival, wir sind ein B-Festival. Das passt auch besser zu Hertha BSC. Nie mehr erste Liga!« Da freuten sich die Leute und sagten: »Genau: B wie breit, das haben wir doch immer gesagt.« Und dann lachten alle herzlich, und wenn sie nicht gestorben sind, dann lachen sie noch heute...
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Im Beunruhigungsland. Was ist ein Terrorist? Das ist, wie alles andere auch, vor allem eine Frage der Betrachtungsweise. Der thailändische Regisseur Thunska Pansittivorakul stellt seinem Film The Terrorists (Poo kor karn rai) im Berlinale-Forum den Satz des Terrorismus-Forschers Walter Laqueur voran: »One man’s terrorist is another man’s freedom fighter.« Der liest sich anders, wenn man ihn umdreht, und dann ist man mitten im Thailand der vergangenen fünf Jahre, als in Bangkok zunächst »Gelbhemden« die Regierung stürzten, es zum – vermeintlich prorevolutionären – Militärputsch kam, dann aber »Rothemden« gegen die neue Regierung protestierten, im Namen der Bürgerrechte und vieler guter Dinge, aber auch des gestürzten Ministerpräsidenten Taksim. Das Bild ist für jeden, der nicht Experte ist, verwirrend, und Pansittivorakul gelingt in seinem Film die seltene Gratwanderung, einer klaren Parteinahme ohne die damit meist einhergehende Reduktion von Komplexität. es sind knapp 20 einzelne, unverbundene Episoden, die der der Film lose zu einer Bestandsaufnahme lose aneinanderreiht, wie in einem Tagebuch verbindet, Erinnerungsfragmente, Dokumentarisches, aber auch persönliche Erlebnisse und wie zur Erholung immer wieder Liebesszenen. Zum Teil ist das alles deutlich inszeniert, in künstlerisch ehrgeizigem Stil; dann wieder ist alles unzweifelhaft dokumentarisch und einfach abbildend. Das ist dann immer wieder auch schockierend, wie in jenen Passagen, in denen die Kamera nachts durch den Dschungel stapft, und man sich in bei den fast völlig schwarzen Bildern auf den Spuren der traumhaften Passagen des letztjährigen Cannes-Gewinners Weerasethakul wähnt, wenn der Regisseur plötzlich Bilder der Leichen von Demonstranten in die Szenen hineinschneidet. Oder alte Photographien historischer Massaker. Oder die zynischen Sprüche der Mächtigen, wie: »Einen Kommunisten zu töten, heißt nicht einen Menschen zu töten.« The Terrorists ist ein Film der Beunruhigung, der Angst und der Irritation des Offensichtlichen. Der Zufall der Programmplanung verbindet The Terrorists zum einen mit der Wettbewerbs-Premiere von Andres Veiels Film über die Vor- und Frühgeschichte des deutschen Linksterrorismus – inwiefern beide Filme sich ergänzen, wird man sehen.
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Man kann das alles in diesen Tagen aber auch nicht anschauen, ohne daran zu denken, was derzeit in Arabien geschieht. So ist Pansittivorakuls Film und seine undressierten, neugierigen Bilder ein unerwartet aktueller und über seinen Gegenstand hinausreichender Kommentar darüber, was passieren kann, wenn eine Revolte unterdrückt wird, oder wenn die Revolte nur vermeintlich destabilisierend wirkt. Denn so eindeutig die Rolle der »Rothemden« als Kämpfer für Bürgerfreiheit auch sein mag, so wird doch gerade in diesem Film immer wieder sichtbar, wie wenig wir von der Realität solcher Ereignisse in den formatierten Medien erfahren – wenn überhaupt. Klar wird allerdings auch, dass es am Ende nicht um Bürgerbeteiligung und Volkssouveränität geht, sondern um eine Entscheidungsschlacht innerhalb der Elite. Das ist womöglich die bittere Lehre, die auch für andere Kämpfe dieser Welt gilt.
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Vorn vorn gedacht. »Man darf die Dinge nicht von hinten denken, sondern von vorn«, sagt Andres Veiel und in seinem Film Wer wenn nicht wir im Berlinale-Wettbewerb tut er genau das: Er erzählt das Leben von Gudrun Ensslin, ihrem Mann Bernward Vesper und Andreas Baader, der Ensslins Geliebter wurde. Und damit erzählt der Regisseur des Dokumentarfilms Black Box BRD über Alfred Herrhausen und seinen möglichen Mörder Wolfgang Grams, in seinem ersten Spielfilm auch die Vorgeschichte des westdeutschen Linksterrorismus. Ein Film, der den Pulsschlag der Revolte fühlt. Und der damit auch direkt aufs Heute zielt: »Was muss passieren, damit etwas passiert?«, diese Frage Elfriede Jellineks zitierte Veiel auf der Pressekonferenz und nannte Ägypten aber auch die Finanzkrise 2008. Veiels Film unterscheidet sich wohltuend von manch anderem spekulativen Werk über Terrorismus und sollte darum bei der Verleihung der Bären nicht leer ausgehen.
Veiel wurde am 16.Oktober 1959 in Stuttgart geboren. Die bleierne Zeit des Terrors der 1970er Jahre hat ihn geprägt, das Gefängnis von Stammheim lag in der Nähe des Elternhauses. In Die Überlebenden erzählt er 1996 davon. Bevor er Filmemacher wurde hat er in Westberlin Psychologie studiert.
Immer wieder dreht sich sein Werk um Gewalt und ihre Darstellung – in Der Kick und in einem Kurzfilm über die Bild-Zeitung als Teil des Projekts »24 Stunden Berlin«. Dabei lernte er auch seinen jetzigen Produzenten Thomas Kufus kennen. »Das Leben« sagt Veiel, »hat so viele Möglichkeiten und ist im guten Sinne kompliziert.« Darum, dass dies nicht unnötig vereinfacht wird, geht es ihm in seinen Filmen.
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»Das ist ein Film über das Tanztheater, eine Kunstform, die Pina Bausch erfunden hat. Es gibt für mich auf unserem Planeten nicht viel Schöneres, was so sehr befreit und beschwingt. Unser Film versucht diese Kunst den Menschen nahezubringen, vor allem denen, die mit Ballet oder Theater eher Berührungsängste haben.«- so leidenschaftlich erzählt Wim Wenders von Pina, seinem neuen Film, einem Dokumentarfilm, der gestern auf der Berlinale Premiere hatte.
Zugleich ist dies eine besondere technische Herausforderung: Erstmals drehte Wenders in 3-D und was herauskommt, ist von Avatar meilenweit entfernt: Voller Dynamik und Energie sehen wir Zuschauer, obschon mit Brillen im Kino sitzend diverse Tanzperformances, sehr körperlich nahe kommt einem das, als würde man selbst auf der Bühne neben den Tänzern stehen. »Ich habe dazu die 3D-Technik gebraucht«, so Wenders, der zuvor jahrelang seine Idee verwerfen musste, weil ihm die Möglichkeiten »nicht besser als Fernsehen« erschienen – zu wenig für Pina Bausch: »Zuvor musste ich unser gemeinsames Projekt jahrelang aufschieben, weil mir die technischen Möglichkeiten meines Handwerks unzulänglich erschienen – nicht gut genug für die Kunst von Pina Bausch.«
Für eine Neuerfindung des Kinos scheint Wenders 3-D zwar nicht zu halten: »Natürlich bin ich 'kritisch' gegenüber Filmen, die 3D als pure Attraktion benutzen«. Allerdings war er immer überzeugt von den grundsätzlichen Möglichkeiten der 3D-Technologie: »Ich war überzeugt, dass es anders sein kann. Leute, die sich bisher die 3D-Brillen aufgesetzt haben, wissen nicht, was sie in Pina erwartet. Oft genug war das ja wie Kasperletheater, sah aus wie Scherenschnitte und machte Kopfschmerzen. Wir wollten ein völlig anderes 3D: Entspannt, natürlich, fließend.«
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Schon seit einigen Jahren scheint er endgültig ins Reich der Klassizität getreten: In Locarno gab es den Goldenen Leopard fürs Lebenswerk, Mannheim ehrte ihn schon 2004, das Frankfurter Filmmuseum zeigte eine Retrospektive und von der Bundesregierung gab es einen Orden »pour la Merite« um den Hals. Meriten hat sich Wim Wenders viele erworben. Und trotzdem er seit über 40 Jahren Filme macht, kann man es kaum glauben, dass er bereits im letzten Jahr 65 Jahre alt wurde – so jugendlich, so schüchtern, manchmal gar ein bisschen verlegen, jedenfalls irgendwie schlaksig wirkt Wenders immer noch, wenn er auf irgendeiner Bühne steht. Das ist keine Attitüde, genauso wenig, wie die berüchtigten minutenlangen Schweigepausen, die er in Interviews einlegt. Keine Missachtung liegt in ihnen, im Gegenteil: Wenders denkt immer genau nach, will dem Sinn einer Frage und der richtigen Antwort nachspüren. Noch immer, und vielleicht ist es das, was ihn so jung erscheinen lässt, wirkt er auch in seinen Filmen wie ein Suchender, also mal neugierig, mal etwas unsicher umherirrend.
Über 47 Filme hat er seit 1967 gedreht, viele Preise hat er gewonnen. Die wichtigsten waren die Goldene Palme 1984 in Cannes für Paris, Texas, und der Goldene Löwe von Venedig 1982 für Der Stand der Dinge. Die frühen 80er waren Wenders' größte Zeit. Nach Der Himmel über Berlin (1987), der auch schon seine Fans spaltete, wollte sich der magische Wenders-Effekt dann nur noch in wenigen Fällen einstellen.
Ein Grund mehr, daran zu erinnern, wie großartig Wenders' Kino zuvor gewesen ist, und was der deutsche Film Wenders alles verdankt. In den 70ern waren seine Filme Initiationserlebnisse einer ganzen Generation, zumindest desjenigen Teils, dem Fassbinder zu urban und Kluge zu intellektuell war. Wenders' Geheimnis lag in der Einfachheit. Ihm ging es um ganz klare, knappe Geschichten, um Bilder, die etwas entdecken und festhalten, bevor es verschwindet, um die Poesie des Alltags. Wenders ist präzis, skeptisch gegenüber großen Worten, und doch sehnsüchtig nach ihnen. Genau das, Distanz im Liebesverhältnis, kennzeichnet auch sein ambivalentes Verhältnis zu Amerika: »Ein wichtiger Teil meines Lebens. Aber die Erfahrung mit Hollywood muss jeder Regisseur für sich selber machen. Meine Hauptlektion war: Ich werde nie ein amerikanischer Regisseur. Mein Handwerk ist das eines europäischen Regisseurs, und mit meiner romantischen deutschen Seele kann ich keine anderen Filme machen als eben deutsche.« Der Der Himmel über Berlin sei ein »Heimkehrerfilm« gewesen.
Wie kein zweiter deutscher Regisseur hat Wenders sich zugleich die Bildsprache des klassischen Hollywood einverleibt. Es ist ein romantischer – insofern »typisch deutscher« – Gestus, mit dem er den verlorenen Bildern von Ford, Hawks und anderen wie dem »Film Noir« nachspürt, Sehnsuchtsbilder auf die Leinwand bannt. »Ich mache meine Filme mehr als andere aus einem Ort heraus. Ein Film kann nicht überall spielen.« Als er seine ersten Filme gemacht habe, sei das Reisen noch ein Privileg gewesen. Das gelte nicht mehr. Unvergesslich wurde so schon 1973 Alice in den Städten, auch Im Lauf der Zeit und Der amerikanische Freund, schließlich die Noir-Hommage Hammett. Und von all dem kann man nicht reden, ohne die Musik zu erwähnen. Wenders hat auch noch ein Auge für Töne.
Er hat noch mehr Talente. Er wäre zweifellos ein guter Fotograf geworden und bestimmt ein wunderbarer Filmautor. Wenders' Film-Texte, in bisher insgesamt vier Büchern erschienen, zählen zum Besten, was nach 1945 in Deutschland zum Kino geschrieben wurde. Zuletzt nahm er dezidiert gegen die Untergang-Schwärmerei Stellung, und damit Partei für sein Kino: Ein Kino der Zartheit, des Anti-Bombasts, ein Kino, das nicht abbildet, sondern sichtbar macht. Ein Kino, das frei ist. »Nach 40 Jahren Filmemachen bin ich ja heute ein Großvater des deutschen Kinos.« Das Kino verändere sich durch die Globalisierung: Es polarisiere sich immer mehr: »Auf der einen Seite Fantasiefilme, die ortlos sind, oder sich künstliche Orte schaffen. Auf der anderen Seite das Kino wie in Europa, das sich aufsaugen will, mit einer spezifischen Kultur, Region und Sprache.« Beide Seiten drifteten immer mehr auseinander: »Ich mache meine Filme mehr als andere Leute aus einem Ortssinn heraus. Ein Film darf nicht überall spielen können, finde ich, sondern muss an eben den einen Ort gehören!« Das Netz von Bildern erlaube, sagt Wenders, uns aber eine andere Erfahrung, als den Amerikanern. »Ich hab’ ja das Glück gehabt, noch mit Leuten arbeiten zu dürfen, die schon in der Stummfilmzeit angefangen haben. Wie Henri Alekan, der Kameramann von Der Himmel über Berlin. Manchmal merkt man diese Tradition nicht – aber heute weiß ich, dass mich das Kino von Bergman, Antonioni und Truffaut getragen hat.« Man freut sich über Pina. Und auf die nächsten Filme von Wim Wenders.
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Revolutionär mit Plantschbecken. Was ist nur aus den Berlinale-Partys geworden? Die Zeiten sind vorbei, an denen man sich zwischen Leonardo di Caprio und Cameron Diaz entscheiden musste, und man kann sagen, dass die Aufgeräumtheit, die neue Ordnung die Berlin in den letzten Jahren auszeichnet, den Partys nicht unbedingt nutzt. Es gibt kaum noch alte Stasi-Büros, die sich zur VIP-Lounge, oder ehemalige VEB’s die sich für einen Abend zum Partykeller umfunktionieren lassen, die Kunstgalerien von Berlin-Mitte sind auch den US-Studios entweder zu teuer oder einfach zu klein und die letzten besetzten Häuser wurden passend zum Wahlkampfauftakt gerade vom rot-roten Senat geräumt. So wie Berlin in manchen Stadtteilen an München oder Düsseldorf erinnert, wirken auch die verbliebenen Berlinale-Partys eher wie die Pflichtübung einer alternden Diva.
Wenn es da doch wenigstens noch einen wie den jungen Rolf Eden gäbe. Der revolutionierte seinerzeit das West-Berliner Nachtleben, machte zwischen Plantschbeckentänzen und Nackt-DJ’s schon in den 50er Jahren alles, womit andere erst zwanzig Jahre später anfingen, und erfand quasi im Alleingang die Disco. Zwischen 1964 und 1984 war er mit seinen vier, fünf »Eden’s« gleichzeitig der König Berlins, von den Rolling Stones bis zu Richard von Weizsäcker ließ sich auch die Prominenz nicht lange bitten, dann ging es zunehmend bergab mit Edens Imperium – was dem Herrn persönlich nicht geschadet hat, denn er konnte gut verkaufen, und besitzt bis heute mehr als ein Dutzend Immobilien in besten Lagen.
Peter Dörflers Dokumentarfilm The Big Eden im Panorama der Berlinale, portraitiert Eden jetzt auf außerordentlich kurzweilige Weise, konzentriert sich dabei allerdings etwas zu sehr auf die Seelenerforschung seiner Hauptfigur, wo man noch gerne mehr darüber erfahren hätte, was ein Ort wie das »Big Eden« zu seiner Zeit eigentlich alles genau repräsentierte. Ein bisschen mehr Sittengeschichte West-Berlins hätte man sich gewünscht.
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Lob des Hedonismus. »Ich gefalle mir.« – immerhin ist der Mann mit sich selbst im Reinen. Am Morgen guckt er erstmal nach, ob über ihn denn auch etwas in der Zeitung steht. Ein Tag, an dem das nicht der Fall ist, ist kein schöner Tag. In seinem nun schon über 81 Jahre langen Leben, hat Rolf Eden aber viele schöne Tage erlebt. »Nach dem Tod gibt’s nichts mehr, deswegen will ich bis dahin jede Sekunde schön leben.« – so verbindet Eden gute Laune, anstreckenden Optimismus und eine entwaffnete Ehrlichkeit, mit der er vieles ausspricht, was sich andere nicht mal zu denken trauen. So wirft Dörflers Film die Frage noch einmal auf, ob eigentlich wirklich so viel gegen überzeugten Hedonismus spricht – denn auch die verlassen Frauen Edens und die sieben Kinder aus sieben Beziehungen sprechen größtenteils gut über den Vater, und manche erstaunlich hellsichtig: »Er hat keine Chance, seiner Rolle zu entkommen« sagt zum Beispiel der 13-jährige jüngste Sohn, und mehrere Verflossene sind sich einig, dass Eden ein in der Pubertät steckengebliebener großer Junge ist. Dass es unter allen Umständen besser ist, erwachsen zu werden, belegt der Film allerdings nicht.
Zugleich gelingen Dörfler Passagen, in denen klar wird, dass selbst Rolf Edens Leben nicht nur eine einzige Party war: 1930 in Berlin geboren, musste die Familie 1933 nach Palästina emigrieren. Schon mit 16 schloß er sich der »Palmach« an, einem Teil der jüdischen Untergrundorganisation der »Haganah«, die, nachdem sie im Weltkrieg an der Seite der Briten gekämpft hatte, nun für Israels Unabhängigkeit kämpfte – unter Yzhak Rabin. »Ich bezweifle, dass Du das Leben wirklich so leicht nimmst.« sagt im Film ein Kamerad aus dieser Zeit. Als er Anfang der 50er nach Berlin zurückkehrte, sei er, so Eden, der einzige Jude gewesen, »der sich nicht als Opfer fühlte.« Er habe sie glücklich gemacht, auch die Täter und Mitläufer, mit Spiel Sex und Spaß, und so zeigt das Beispiel des Mannes, der wie das Paradies heißt, dass auch eine Party manchmal eine moralische Anstalt werden kann.