03.03.2011
61. Berlinale 2011

Die Party als mora­li­sche Anstalt

Alice in den Städten
Alice in den Städten
(Foto: Wim Wenders)

Der lustige Festivaldirektor und die ernsten Terroristen, Sehnsuchtskino und das Lob des Hedonismus sowie ein Westberliner Sittengemälde – Notizen von der Berlinale, vorletzte Folge

Von Rüdiger Suchsland

Im Märchen­land. Es war einmal ein Film­fes­tival, das hatte einen lustigen Direktor: Es wurde immer größer und größer, und hatte Angst, zu platzen. Darum zeigte es irgend­wann immer kleinere Filme, weil es hoffte, dann würde es selbst wieder kleiner. Aber es sah immer noch ziemlich groß aus, nur sagten die Leute jetzt: »Das Festival ist dick und fett.« Da sagte der lustige Festi­val­di­rektor:»Na wartet, mit dem Fett könnt ihr mich gern haben. Wir machen 'Kuli­na­ri­sches Kino', da kann man während des Zuguckens auch gleich noch abnehmen.« Da sagten die Leute: »Oh je, noch eine weitere Sektion, wo man doch jetzt schon nicht alles gucken und die Sektionen gar nicht mehr unter­ein­ander unter­scheiden kann.« Da sagte der lustige Festi­val­di­rektor: »Na wartet, wir nennen es einfach 'Publi­kums­fes­tival', das heißt soviel wie 'für jeden etwas', und wer jetzt noch meckert, ist ein Spaß­ver­derber.« Trotzdem gab es immer noch welche, die meckerten, und sagten: »Das Festival ist zwar nicht mehr groß, aber klein ist es nun wirklich auch nicht, sondern es ist vor allem breit.« Da dachte sich der lustige Festi­val­di­rektor einen neuen Witz aus, und druckte ganz groß ein »B« aufs Plakat, als wollte er sagen: »Seht her, wir sind kein A-Festival, wir sind ein B-Festival. Das passt auch besser zu Hertha BSC. Nie mehr erste Liga!« Da freuten sich die Leute und sagten: »Genau: B wie breit, das haben wir doch immer gesagt.« Und dann lachten alle herzlich, und wenn sie nicht gestorben sind, dann lachen sie noch heute...

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Im Beun­ru­hi­gungs­land. Was ist ein Terrorist? Das ist, wie alles andere auch, vor allem eine Frage der Betrach­tungs­weise. Der thailän­di­sche Regisseur Thunska Pansit­tiv­or­akul stellt seinem Film The Terro­rists (Poo kor karn rai) im Berlinale-Forum den Satz des Terro­rismus-Forschers Walter Laqueur voran: »One man’s terrorist is another man’s freedom fighter.« Der liest sich anders, wenn man ihn umdreht, und dann ist man mitten im Thailand der vergan­genen fünf Jahre, als in Bangkok zunächst »Gelb­hemden« die Regierung stürzten, es zum – vermeint­lich prore­vo­lu­ti­onären – Mili­tär­putsch kam, dann aber »Rothemden« gegen die neue Regierung protes­tierten, im Namen der Bürger­rechte und vieler guter Dinge, aber auch des gestürzten Minis­ter­prä­si­denten Taksim. Das Bild ist für jeden, der nicht Experte ist, verwir­rend, und Pansit­tiv­or­akul gelingt in seinem Film die seltene Grat­wan­de­rung, einer klaren Part­ei­nahme ohne die damit meist einher­ge­hende Reduktion von Komple­xität. es sind knapp 20 einzelne, unver­bun­dene Episoden, die der der Film lose zu einer Bestands­auf­nahme lose anein­an­der­reiht, wie in einem Tagebuch verbindet, Erin­ne­rungs­frag­mente, Doku­men­ta­ri­sches, aber auch persön­liche Erleb­nisse und wie zur Erholung immer wieder Liebes­szenen. Zum Teil ist das alles deutlich insze­niert, in künst­le­risch ehrgei­zigem Stil; dann wieder ist alles unzwei­fel­haft doku­men­ta­risch und einfach abbildend. Das ist dann immer wieder auch scho­ckie­rend, wie in jenen Passagen, in denen die Kamera nachts durch den Dschungel stapft, und man sich in bei den fast völlig schwarzen Bildern auf den Spuren der traum­haften Passagen des letzt­jäh­rigen Cannes-Gewinners Weer­a­set­hakul wähnt, wenn der Regisseur plötzlich Bilder der Leichen von Demons­tranten in die Szenen hinein­schneidet. Oder alte Photo­gra­phien histo­ri­scher Massaker. Oder die zynischen Sprüche der Mächtigen, wie: »Einen Kommu­nisten zu töten, heißt nicht einen Menschen zu töten.« The Terro­rists ist ein Film der Beun­ru­hi­gung, der Angst und der Irri­ta­tion des Offen­sicht­li­chen. Der Zufall der Programm­pla­nung verbindet The Terro­rists zum einen mit der Wett­be­werbs-Premiere von Andres Veiels Film über die Vor- und Früh­ge­schichte des deutschen Links­ter­ro­rismus – inwiefern beide Filme sich ergänzen, wird man sehen.

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Man kann das alles in diesen Tagen aber auch nicht anschauen, ohne daran zu denken, was derzeit in Arabien geschieht. So ist Pansit­tiv­or­akuls Film und seine undres­sierten, neugie­rigen Bilder ein uner­wartet aktueller und über seinen Gegen­stand hinaus­rei­chender Kommentar darüber, was passieren kann, wenn eine Revolte unter­drückt wird, oder wenn die Revolte nur vermeint­lich desta­bi­li­sie­rend wirkt. Denn so eindeutig die Rolle der »Rothemden« als Kämpfer für Bürger­frei­heit auch sein mag, so wird doch gerade in diesem Film immer wieder sichtbar, wie wenig wir von der Realität solcher Ereig­nisse in den forma­tierten Medien erfahren – wenn überhaupt. Klar wird aller­dings auch, dass es am Ende nicht um Bürger­be­tei­li­gung und Volks­sou­ver­ä­nität geht, sondern um eine Entschei­dungs­schlacht innerhalb der Elite. Das ist womöglich die bittere Lehre, die auch für andere Kämpfe dieser Welt gilt.

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Vorn vorn gedacht. »Man darf die Dinge nicht von hinten denken, sondern von vorn«, sagt Andres Veiel und in seinem Film Wer wenn nicht wir im Berlinale-Wett­be­werb tut er genau das: Er erzählt das Leben von Gudrun Ensslin, ihrem Mann Bernward Vesper und Andreas Baader, der Ensslins Geliebter wurde. Und damit erzählt der Regisseur des Doku­men­tar­films Black Box BRD über Alfred Herr­hausen und seinen möglichen Mörder Wolfgang Grams, in seinem ersten Spielfilm auch die Vorge­schichte des west­deut­schen Links­ter­ro­rismus. Ein Film, der den Puls­schlag der Revolte fühlt. Und der damit auch direkt aufs Heute zielt: »Was muss passieren, damit etwas passiert?«, diese Frage Elfriede Jellineks zitierte Veiel auf der Pres­se­kon­fe­renz und nannte Ägypten aber auch die Finanz­krise 2008. Veiels Film unter­scheidet sich wohltuend von manch anderem speku­la­tiven Werk über Terro­rismus und sollte darum bei der Verlei­hung der Bären nicht leer ausgehen.

Veiel wurde am 16.Oktober 1959 in Stuttgart geboren. Die bleierne Zeit des Terrors der 1970er Jahre hat ihn geprägt, das Gefängnis von Stammheim lag in der Nähe des Eltern­hauses. In Die Über­le­benden erzählt er 1996 davon. Bevor er Filme­ma­cher wurde hat er in West­berlin Psycho­logie studiert.

Immer wieder dreht sich sein Werk um Gewalt und ihre Darstel­lung – in Der Kick und in einem Kurzfilm über die Bild-Zeitung als Teil des Projekts »24 Stunden Berlin«. Dabei lernte er auch seinen jetzigen Produ­zenten Thomas Kufus kennen. »Das Leben« sagt Veiel, »hat so viele Möglich­keiten und ist im guten Sinne kompli­ziert.« Darum, dass dies nicht unnötig verein­facht wird, geht es ihm in seinen Filmen.

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»Das ist ein Film über das Tanz­theater, eine Kunstform, die Pina Bausch erfunden hat. Es gibt für mich auf unserem Planeten nicht viel Schöneres, was so sehr befreit und beschwingt. Unser Film versucht diese Kunst den Menschen nahe­zu­bringen, vor allem denen, die mit Ballet oder Theater eher Berüh­rungs­ängste haben.«- so leiden­schaft­lich erzählt Wim Wenders von Pina, seinem neuen Film, einem Doku­men­tar­film, der gestern auf der Berlinale Premiere hatte.

Zugleich ist dies eine besondere tech­ni­sche Heraus­for­de­rung: Erstmals drehte Wenders in 3-D und was heraus­kommt, ist von Avatar meilen­weit entfernt: Voller Dynamik und Energie sehen wir Zuschauer, obschon mit Brillen im Kino sitzend diverse Tanz­per­for­mances, sehr körper­lich nahe kommt einem das, als würde man selbst auf der Bühne neben den Tänzern stehen. »Ich habe dazu die 3D-Technik gebraucht«, so Wenders, der zuvor jahrelang seine Idee verwerfen musste, weil ihm die Möglich­keiten »nicht besser als Fernsehen« erschienen – zu wenig für Pina Bausch: »Zuvor musste ich unser gemein­sames Projekt jahrelang aufschieben, weil mir die tech­ni­schen Möglich­keiten meines Handwerks unzu­läng­lich erschienen – nicht gut genug für die Kunst von Pina Bausch.«

Für eine Neuer­fin­dung des Kinos scheint Wenders 3-D zwar nicht zu halten: »Natürlich bin ich 'kritisch' gegenüber Filmen, die 3D als pure Attrak­tion benutzen«. Aller­dings war er immer überzeugt von den grund­sätz­li­chen Möglich­keiten der 3D-Tech­no­logie: »Ich war überzeugt, dass es anders sein kann. Leute, die sich bisher die 3D-Brillen aufge­setzt haben, wissen nicht, was sie in Pina erwartet. Oft genug war das ja wie Kasper­le­theater, sah aus wie Sche­ren­schnitte und machte Kopf­schmerzen. Wir wollten ein völlig anderes 3D: Entspannt, natürlich, fließend.«

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Schon seit einigen Jahren scheint er endgültig ins Reich der Klas­si­zität getreten: In Locarno gab es den Goldenen Leopard fürs Lebens­werk, Mannheim ehrte ihn schon 2004, das Frank­furter Film­mu­seum zeigte eine Retro­spek­tive und von der Bundes­re­gie­rung gab es einen Orden »pour la Merite« um den Hals. Meriten hat sich Wim Wenders viele erworben. Und trotzdem er seit über 40 Jahren Filme macht, kann man es kaum glauben, dass er bereits im letzten Jahr 65 Jahre alt wurde – so jugend­lich, so schüch­tern, manchmal gar ein bisschen verlegen, jeden­falls irgendwie schlaksig wirkt Wenders immer noch, wenn er auf irgend­einer Bühne steht. Das ist keine Attitüde, genauso wenig, wie die berüch­tigten minu­ten­langen Schwei­ge­pausen, die er in Inter­views einlegt. Keine Miss­ach­tung liegt in ihnen, im Gegenteil: Wenders denkt immer genau nach, will dem Sinn einer Frage und der richtigen Antwort nach­spüren. Noch immer, und viel­leicht ist es das, was ihn so jung erscheinen lässt, wirkt er auch in seinen Filmen wie ein Suchender, also mal neugierig, mal etwas unsicher umher­ir­rend.

Über 47 Filme hat er seit 1967 gedreht, viele Preise hat er gewonnen. Die wich­tigsten waren die Goldene Palme 1984 in Cannes für Paris, Texas, und der Goldene Löwe von Venedig 1982 für Der Stand der Dinge. Die frühen 80er waren Wenders' größte Zeit. Nach Der Himmel über Berlin (1987), der auch schon seine Fans spaltete, wollte sich der magische Wenders-Effekt dann nur noch in wenigen Fällen einstellen.

Ein Grund mehr, daran zu erinnern, wie großartig Wenders' Kino zuvor gewesen ist, und was der deutsche Film Wenders alles verdankt. In den 70ern waren seine Filme Initia­ti­ons­er­leb­nisse einer ganzen Gene­ra­tion, zumindest desje­nigen Teils, dem Fass­binder zu urban und Kluge zu intel­lek­tuell war. Wenders' Geheimnis lag in der Einfach­heit. Ihm ging es um ganz klare, knappe Geschichten, um Bilder, die etwas entdecken und fest­halten, bevor es verschwindet, um die Poesie des Alltags. Wenders ist präzis, skeptisch gegenüber großen Worten, und doch sehn­süchtig nach ihnen. Genau das, Distanz im Liebes­ver­hältnis, kenn­zeichnet auch sein ambi­va­lentes Verhältnis zu Amerika: »Ein wichtiger Teil meines Lebens. Aber die Erfahrung mit Hollywood muss jeder Regisseur für sich selber machen. Meine Haupt­lek­tion war: Ich werde nie ein ameri­ka­ni­scher Regisseur. Mein Handwerk ist das eines europäi­schen Regis­seurs, und mit meiner roman­ti­schen deutschen Seele kann ich keine anderen Filme machen als eben deutsche.« Der Der Himmel über Berlin sei ein »Heim­keh­rer­film« gewesen.

Wie kein zweiter deutscher Regisseur hat Wenders sich zugleich die Bild­sprache des klas­si­schen Hollywood einver­leibt. Es ist ein roman­ti­scher – insofern »typisch deutscher« – Gestus, mit dem er den verlo­renen Bildern von Ford, Hawks und anderen wie dem »Film Noir« nachspürt, Sehn­suchts­bilder auf die Leinwand bannt. »Ich mache meine Filme mehr als andere aus einem Ort heraus. Ein Film kann nicht überall spielen.« Als er seine ersten Filme gemacht habe, sei das Reisen noch ein Privileg gewesen. Das gelte nicht mehr. Unver­gess­lich wurde so schon 1973 Alice in den Städten, auch Im Lauf der Zeit und Der ameri­ka­ni­sche Freund, schließ­lich die Noir-Hommage Hammett. Und von all dem kann man nicht reden, ohne die Musik zu erwähnen. Wenders hat auch noch ein Auge für Töne.

Er hat noch mehr Talente. Er wäre zwei­fellos ein guter Fotograf geworden und bestimmt ein wunder­barer Filmautor. Wenders' Film-Texte, in bisher insgesamt vier Büchern erschienen, zählen zum Besten, was nach 1945 in Deutsch­land zum Kino geschrieben wurde. Zuletzt nahm er dezidiert gegen die Untergang-Schwär­merei Stellung, und damit Partei für sein Kino: Ein Kino der Zartheit, des Anti-Bombasts, ein Kino, das nicht abbildet, sondern sichtbar macht. Ein Kino, das frei ist. »Nach 40 Jahren Filme­ma­chen bin ich ja heute ein Großvater des deutschen Kinos.« Das Kino verändere sich durch die Globa­li­sie­rung: Es pola­ri­siere sich immer mehr: »Auf der einen Seite Fanta­sie­filme, die ortlos sind, oder sich künst­liche Orte schaffen. Auf der anderen Seite das Kino wie in Europa, das sich aufsaugen will, mit einer spezi­fi­schen Kultur, Region und Sprache.« Beide Seiten drifteten immer mehr ausein­ander: »Ich mache meine Filme mehr als andere Leute aus einem Ortssinn heraus. Ein Film darf nicht überall spielen können, finde ich, sondern muss an eben den einen Ort gehören!« Das Netz von Bildern erlaube, sagt Wenders, uns aber eine andere Erfahrung, als den Ameri­ka­nern. »Ich hab’ ja das Glück gehabt, noch mit Leuten arbeiten zu dürfen, die schon in der Stumm­film­zeit ange­fangen haben. Wie Henri Alekan, der Kame­ra­mann von Der Himmel über Berlin. Manchmal merkt man diese Tradition nicht – aber heute weiß ich, dass mich das Kino von Bergman, Antonioni und Truffaut getragen hat.« Man freut sich über Pina. Und auf die nächsten Filme von Wim Wenders.

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Revo­lu­ti­onär mit Plantsch­be­cken. Was ist nur aus den Berlinale-Partys geworden? Die Zeiten sind vorbei, an denen man sich zwischen Leonardo di Caprio und Cameron Diaz entscheiden musste, und man kann sagen, dass die Aufgeräumt­heit, die neue Ordnung die Berlin in den letzten Jahren auszeichnet, den Partys nicht unbedingt nutzt. Es gibt kaum noch alte Stasi-Büros, die sich zur VIP-Lounge, oder ehemalige VEB’s die sich für einen Abend zum Party­keller umfunk­tio­nieren lassen, die Kunst­ga­le­rien von Berlin-Mitte sind auch den US-Studios entweder zu teuer oder einfach zu klein und die letzten besetzten Häuser wurden passend zum Wahl­kampf­auf­takt gerade vom rot-roten Senat geräumt. So wie Berlin in manchen Stadt­teilen an München oder Düssel­dorf erinnert, wirken auch die verblie­benen Berlinale-Partys eher wie die Pflich­tü­bung einer alternden Diva.

Wenn es da doch wenigs­tens noch einen wie den jungen Rolf Eden gäbe. Der revo­lu­tio­nierte seiner­zeit das West-Berliner Nacht­leben, machte zwischen Plantsch­be­cken­tänzen und Nackt-DJ’s schon in den 50er Jahren alles, womit andere erst zwanzig Jahre später anfingen, und erfand quasi im Allein­gang die Disco. Zwischen 1964 und 1984 war er mit seinen vier, fünf »Eden’s« gleich­zeitig der König Berlins, von den Rolling Stones bis zu Richard von Weiz­sä­cker ließ sich auch die Prominenz nicht lange bitten, dann ging es zunehmend bergab mit Edens Imperium – was dem Herrn persön­lich nicht geschadet hat, denn er konnte gut verkaufen, und besitzt bis heute mehr als ein Dutzend Immo­bi­lien in besten Lagen.

Peter Dörflers Doku­men­tar­film The Big Eden im Panorama der Berlinale, portrai­tiert Eden jetzt auf außer­or­dent­lich kurz­wei­lige Weise, konzen­triert sich dabei aller­dings etwas zu sehr auf die Seelen­er­for­schung seiner Haupt­figur, wo man noch gerne mehr darüber erfahren hätte, was ein Ort wie das »Big Eden« zu seiner Zeit eigent­lich alles genau reprä­sen­tierte. Ein bisschen mehr Sitten­ge­schichte West-Berlins hätte man sich gewünscht.

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Lob des Hedo­nismus. »Ich gefalle mir.« – immerhin ist der Mann mit sich selbst im Reinen. Am Morgen guckt er erstmal nach, ob über ihn denn auch etwas in der Zeitung steht. Ein Tag, an dem das nicht der Fall ist, ist kein schöner Tag. In seinem nun schon über 81 Jahre langen Leben, hat Rolf Eden aber viele schöne Tage erlebt. »Nach dem Tod gibt’s nichts mehr, deswegen will ich bis dahin jede Sekunde schön leben.« – so verbindet Eden gute Laune, anstre­ckenden Opti­mismus und eine entwaff­nete Ehrlich­keit, mit der er vieles ausspricht, was sich andere nicht mal zu denken trauen. So wirft Dörflers Film die Frage noch einmal auf, ob eigent­lich wirklich so viel gegen über­zeugten Hedo­nismus spricht – denn auch die verlassen Frauen Edens und die sieben Kinder aus sieben Bezie­hungen sprechen größ­ten­teils gut über den Vater, und manche erstaun­lich hell­sichtig: »Er hat keine Chance, seiner Rolle zu entkommen« sagt zum Beispiel der 13-jährige jüngste Sohn, und mehrere Verflos­sene sind sich einig, dass Eden ein in der Pubertät stecken­ge­blie­bener großer Junge ist. Dass es unter allen Umständen besser ist, erwachsen zu werden, belegt der Film aller­dings nicht.

Zugleich gelingen Dörfler Passagen, in denen klar wird, dass selbst Rolf Edens Leben nicht nur eine einzige Party war: 1930 in Berlin geboren, musste die Familie 1933 nach Palästina emigrieren. Schon mit 16 schloß er sich der »Palmach« an, einem Teil der jüdischen Unter­grund­or­ga­ni­sa­tion der »Haganah«, die, nachdem sie im Weltkrieg an der Seite der Briten gekämpft hatte, nun für Israels Unab­hän­gig­keit kämpfte – unter Yzhak Rabin. »Ich bezweifle, dass Du das Leben wirklich so leicht nimmst.« sagt im Film ein Kamerad aus dieser Zeit. Als er Anfang der 50er nach Berlin zurück­kehrte, sei er, so Eden, der einzige Jude gewesen, »der sich nicht als Opfer fühlte.« Er habe sie glücklich gemacht, auch die Täter und Mitläufer, mit Spiel Sex und Spaß, und so zeigt das Beispiel des Mannes, der wie das Paradies heißt, dass auch eine Party manchmal eine mora­li­sche Anstalt werden kann.