66. Berlinale 2016
Goldener Bär für Lampedusa-Film |
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Die absurden Preisregeln der Berlinale, neuestes Beispiel: Fuocoammare | ||
(Foto: Weltkino Filmverleih GmbH) |
Ceterum Censeo: Bei der Berlinale gewinnt immer ein Film, der an den ersten fünf Tagen in der 9-Uhr-Pressevorführung läuft. Fast immer. In nun zwölf der 15 Berlinalen seit 2002, die von Dieter Kosslick geleitet werden. Diesmal war es der erste Samstag. Und auch die zweite, neuere A-Festival-Regel funktioniert: Es gewinnt zuletzt immer ein Film, den Michael Kölmels »Weltkino« gekauft hat – diesmal hatte der offenbar instinktsichere Verleiher vor Festivalbeginn, wie berichtet, nur einen Film erworben, Mia Hansen-Loves L’Avenier. Aber während des Festivals wurde gemeldet: »Weltkino« kauft Fuocoammare, und als ich das gelesen hatte, war ich nahezu sicher. Der Kölmel schafft es wieder!
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Warum solche absurden Regeln funktionieren? Weiß ich auch nicht. Vielleicht liegt es an Dieter Kosslicks Art zu programmieren? Aber auch vor seiner Zeit funktioniert bereits eine Regel: Ein Film aus den ersten fünf Tagen. Da wird die Tendenz noch eindeutiger: 18 von 20 Berlinalen seit meiner allerersten im Jahr 1997. Seit Fuocoammare zu sehen war, galt er als Favorit.
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Weitere Preise gehen an Smrt u Sarajevu (Death in Sarajevo) von Danis Tanovic, der den Greand Prix de Jury bekam. Mia Hansen-Løve gewann für L’avenir den Silbernen Bär für die Beste
Regie.
Der Alfred-Bauer-Preis für einen Spielfilm, der neue Perspektiven eröffnet, ging an Hele sa hiwagang hapis (A Lullaby to the Sorrowful Mystery) von Lav Diaz. Der Silberne Bär für die Beste Darstellerin ging an Trine Dyrholm für Kollektivet (The Commune) von Thomas Vinterberg, der Preis für den Besten Darsteller an Majd Mastour in Hedi von Mohamed Ben Attia, der Silberne Bär für das Beste Drehbuch an Tomasz
Wasilewski (United States of Love), der silberne Bär für eine Herausragende Künstlerische Leistung ging an Mark Lee Ping-Bing für die Kamera in Chang Jiang Tu (Crosscurrent) von Yang Chao.
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Die Mitglieder der Internationalen Jury 2016 waren Meryl Streep (Präsidentin), Lars Eidinger, Nick James, Brigitte Lacombe, Clive Owen, Alba Rohrwacher und Malgorzata Szumowska. Einmal mehr ein Übergewicht der Schauspieler. Aber bei allem Respekt, insbesondere vor Alba Rohrwacher: Schauspieler sind Medien, sie verkörpern etwas, aber wenn sie sich selbst verkörpern ist es selten die interessanteste Rolle.
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Wenig aufregend finde ich die Preise der »Fédération Internationale de la Presse Cinématographique« (FIPRESCI), des internationalen Verbands der Filmkritik. Im Wettbewerb vergaben José Romero, Mohammed Rouda und Clarence Tsui den Preis an den überaus öden Smrt u Sarajevu von Danis Tanovic.
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Sehr anständig ist dagegen der diesjährige »Friedensfilmpreis«. Der ging an Makhdoumin (A Maid for Each) von Maher Abi Samra.
Die Jury besteht aus sieben Mitgliedern, die Filme aus allen Sektionen sichten. Der Friedensfilmpreis ist mit 5.000 Euro dotiert. Getragen wird der Preis von der Friedensinitiative Zehlendorf, der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Weltfriedensdienst e.V. In der Jury saßen Matthias Coers, Teboho Edkins,
Helgard Gammert, Ulrike Gruska, Michael Kotschi, Lena Müller, Yael Reuveny, Christian Römer.
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Ein bisschen vorhersehbar sind die Preise der »Ökumenischen Jury« ausgefallen: Im Wettbewerb gewann Fuocoammare von Gianfranco Rosi. Begründung: »Fuocoammare verschränkt das Schicksal der afrikanischen Flüchtlinge mit dem Leben einer italienischen Fischerfamilie auf der Insel Lampedusa. In poetisch aufgeladenen Bildern zeigt Rosi diese getrennten Welten und verbindet sie über
die Person eines Arztes sowie über das Motiv des Meeres, das die einen nährt, die anderen tötet. Ein Film, der einen neuen Blick auf die Katastrophe wirft, ein Film, der sich weigert, den Status quo zu akzeptieren.«
Im »Panorama« gewann Les premiers les derniers (The First, the Last) von Bouli Lanners,
der immer wieder irgendwo Preise bekommt, obwohl er immer wieder irgendwie dasselbe erzählt.
Im »Forum« gewannen zwei Filme – eine überraschende Kombination: Barakah yoqabil Barakah (Barakah Meets Barakah) von Mahmoud Sabbagh, der erste Film aus Saudi-Arabien, und Les sauteurs von Estephan Wagner und Moritz Siebert und Abou Bakar Sidibé, einem der Flüchtlinge, der sich im Film selber filmt.
Les sauteurs schildert das Flüchtlingsdrama aus einem völlig neuen Blickwinkel: Moritz Siebert und
Estephan Wagner vertrauen die Kamera ihrem Co-Regissseur Abou Bakar Sidibé an, einem jungen Malinesen, der darauf hofft, über die berüchtigten Zäune von Melilla nach Europa zu kommen. So zeichnen sie das intime Porträt einer Gemeinschaft unter extremen Lebensbedingungen. Der Film ermutigt dazu, hinter den zahllosen Punkten auf den Computermonitoren Menschen auszumachen, die leiden, hoffen und durchhalten.
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Barakah Meets Barakah ist eine klassische „boy meets girl“-Geschichte in einem erfrischenden und überraschenden Kontext. Der Film reflektiert über den Wert der Freiheit, über die Rolle der Frauen in der Saudi-Arabischen Gesellschaft und über die Frage nach Selbstverwirklichung trotz kultureller Beschränkungen. Mit Humor und Charme eröffnet er seine politische
Botschaft über eine Jugend, die nach Freiheit strebt.
Die Mitglieder der Ökomenischen Jury im Jahr 2016 waren Rev. Micah Bucey, Prof. Dr. phil. Hans-Joachim Neubauer, Prof. Aurore Renaut, Callum Ryan, Jacques Vercueil, Marisa Winter
Seit 1992 sind die internationalen Filmorganisationen der evangelischen und der katholischen Kirchen – Interfilm und Signis – durch eine aus sechs Mitgliedern bestehende gemeinsame ökumenische Jury vertreten. Die Jury vergibt
ihren Hauptpreis für einen Film aus dem Wettbewerb, sowie je einen mit 2.500 Euro dotierten Preis für einen Film aus der Sektion Panorama und aus dem Programm des Forums.
Die Jury ehrt mit den Preisen Filmschaffende, die in ihren Filmen ein menschliches Verhalten oder Zeugnis zum Ausdruck bringen, das mit dem Evangelium in Einklang steht, oder die es in ihren Filmen schaffen, die Zuschauer für spirituelle, menschliche und soziale Werte zu sensibilisieren.
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Die Jury der „Gilde deutscher Filmkunsttheater“ setzt sich aus drei Juroren zusammen, die Kinobetreiber und Mitglieder der Gilde sind. Sie vergibt ihren Preis an einen Film des Wettbewerbs: 24 Wochen von Anne Zohra Berrached.