Cinema Moralia – Folge 145
»Wenn ich keinen Verleih finde, gründe ich meinen eigenen« |
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Eine Ausstellung in der Pasinger Fabrik widmet sich Zur Sache, Schätzchen, dem Kultfilm der 68er. Infos über die Rahmenveranstaltungen gibt es unter www.schamoni.de | ||
(Foto: Archiv Schamoni Film) |
»Wenn Sie heute schrieben: hier an dieser Stelle: den 'Werther'; die Epigramme und Elegien; Prometheus auf Italienischer Reise: Sie stünden längst vor Gericht! Als Defaitist; als Erotiker; wegen Gotteslästerung; Beleidigung politischer Persönlichkeiten!«– Arno Schmidt, »Goethe und Einer seiner Bewunderer« (1957)
»Ich lese immer die Morgenpost, um das Lokale mitzubekommen.« – »Ich lese die NZZ, um dem Lokalen zu entgehen.«– Dialog in einem Café
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Pop pur – wer Uschi Glas nur daher kennt, weil er sie in den Nuller-Jahren mal gesehen hat, wie sie in Lederhosen in irgendeinem Wiesn-Zelt auf der Bühne tanzt (wie ich dies mal an einem unvergesslichen Abend gemeinsam mit Richard Oehmann gesehen habe, wirklich gesehen habe, nicht nur im Rausch der fünften Mass), der kennt auch Uschi Glass nicht.
In die Münchner, die bayerische und die deutsche Filmgeschichte ist sie eingegangen und wird dort bleiben, weil sie in Zur Sache, Schätzchen gespielt hat. Dieser Film, 1967 in München gedreht, repräsentiert mehr als viele Werke den Kino-Aufbruch der späten 60er Jahre, und das Lebensgefühl der kulturellen Revolte und überhaupt der westdeutschen Lockerungen jener Jahre.
Es ist darum nur folgerichtig, dass die Pasinger Fabrik, in gestern eine Ausstellung zum Film eröffnet wurde, den Film in den Zusammenhang
eines weiter angelegten Projekts zum »Lebensgefühl der 68er« stellt, dem sich in nächster Zeit viele Institutionen und Museen widmen werden. Die Ausstellung, die bis zum 29.01.2017 läuft (mit Begleitveranstaltungen), soll danach 2017/18 auch auf Reisen gehen.
Produziert wurde Zur Sache, Schätzchen bekanntlich vom Münchner Filmemacher Peter Schamoni. In dessen hinterlassenem Archiv
befinden sich die Produktionsunterlagen, Drehbücher, ca. 1000 6x6 Negative von größtenteils unveröffentlichten Fotos der Dreharbeiten, die Original-ARRI-Aufnahmekamera, das NAGRA-Aufnahmegerät und die Tonbänder vom Dreh, und alles mögliche sonstige Material. Auch Regisseurin May Spils und Hauptdarsteller Werner Enke haben ihre persönliche Sammlung zur Verfügung gestellt – mit anderen Worten: die Ausstellung ist eine tolle Wundertüte. In der »Welt« schrieb Rüdiger
Dilloo zum Filmstart am 12. Januar 1968: »May Spils und Schamoni treffen sich in der Ansicht, der junge deutsche Film dürfe bei aller L’art-pour-l’art-Spielerei und höchstpersönlicher Gesellschaftsgrübelei ruhig auch die Kinokasse fixieren. 'Kommerziell' ist ihnen nicht a priori ein Schimpfwort. Ihr Film lebt von seinem Tempo; der köstliche Jargon-Dialog, die optischen Einfälle folgen einander geradezu unökonomisch schnell: Martin (Werner Enke), dabei, seinen Geburtstag
zu verschlafen, wird von Henry (Henry van Lyck) aus dem Bett geschmissen, albert im Schwimmbad, später mit einem dort aufgegabelten Mädchen (Uschi Glas) im Tierpark herum, schläft unverbindlich ein bisschen mit ihr, weil sie so kuschelig ist, und hat dazwischen ein paarmal Ärger mit der Polizei, weil er als Zeuge eines Einbruchs nicht aussagen will. Dazwischen: Kneipen, Zocken, Tischfußball; und jedenfalls Prinzipientreue: Bloß nicht Geld verdienen, bloß nicht Familie, bloß nicht
Bürgersinn, Verantwortung, Anpassung, Normalsein. Zur Sache, Schätzchen ist kein Film, der zu irgendwelchen Bewusstseinsufern hinführt. Er ist einfach unterhaltend, komisch, dabei intelligent.«
Man muss den Film jetzt deshalb zwar nicht zum »deutschen 'AUSSER ATEM« hochjazzen. Aber von da an ging es nicht nur mit Uschi Glas
bergab.
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»Berlin verkauft Pflegeheime für 420 Euro. Und was machen sie damit? Sanieren die Stadtautobahnen.« Auch das schnappte ich gerade erst im Café auf.
Sehr gern würde ich hier Veranstaltungen auch vom Rest der Republik ankündigen, aber entweder schlafen die Pressestellen, oder Berlin und München sind wirklich die einzigen Orte, an dem filmmäßig etwas passiert. Wie immer Anfang Dezember geben sich in der Hauptstadt gleich zwei Festivals die Klinke in die Hand: Die Französische
Filmwoche mit einem insgesamt etwas dünnen und braven Programm, in dem aber immerhin mit Paul Verhoevens Elle einer der besten Filme des Filmjahres läuft. Und »In 14 Films around the world«, eine Art Independent-Gegenberlinale von Bernhard Karl, den man in München als Programmer des Filmfests kennt. Dort hat am Samstag der andere der zwei besten Filme im diesjährigen Cannes-Wettbewerb seine Berlin-Premiere: Personal Shopper von Olivier Assayas.
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Am heutigen Donnerstag gibt es bei »14 films« wieder den »deutschen Abend« und die jährliche Diskussion »Quo vadis deutsches Kino?«
Ab 18 Uhr im Kino in der KulturBrauerei geht es – treffenderweise bei freiem Eintritt! – um den Zustand der deutschen Verleihlandschaft. Mit der ersten Trägerin des neuen »Heinz-Badewitz-Preises« in Hof, Regisseurin Tini Tüllmann, mit dem frisch zum Ritter geschlagenen Verleiher und Kritikerkritiker Torsten Frehse (Neue Visionen
Filmverleih), und mit dem geschätzten Kollegen Martin Schwarz (Zitty und TIP) darf ich über das vergangene Filmjahr debattieren.
Die Moderation übernimmt Felix Neunzerling, ZOOM Medienfabrik.
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Das Thema Verleih brennt auf den Nägeln: Gefühlt kommt jeden Monat ein neuer Filmverleih in Deutschland auf den Markt – und verschwindet genauso regelmäßig wieder. Die etablierten Verleiher gehen immer weniger Risiken ein, immer öfter bringen die Produzenten ihre Filme selbst heraus. Der letzte Akt der Selbstausbeutung folgt für viele unabhängige Produktionen.
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Die Bilanz des Filmjahres ist nicht besser: Ohne Berücksichtigung der Kinderfilme liegt das Durchschnittsalter der Arthouse-Kinobesucher (lassen wir die Problematik des blöden »Arthouse«-Begriffs einmal beiseite. Unter den fällt viel amerikanisches und nichtamerikanisches Mainstreamkino wie Still Alice, »Der Staat gegen Fritz Bauer und Die Frau in Gold«) bei über 50 Jahren. Mehr Selbstständige, weniger Studenten als im Besucherdurchschnitt, mehr Frauen. Filmkunst ist eine Domäne der Großstädte und der ganz kleinen Städte.
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Außer den ca. drei Pressemitteilungen, die die Kulturstaatsministerin täglich direkt verschickt, bekommt man auch noch regelmäßig Presseinfos von der Kulturstiftung des Bundes. Aus der neuesten erfährt man, dass die Kulturstiftung »unter Vorsitz der Kulturstaatsministerin Monika Grütters« insgesamt 41,5 Mio. Euro »für neue Vorhaben« verabschiedet hat. Kaum überraschend kommt der Film hier wieder einmal im Vergleich mit allen anderen Kunstformen auffallend schlecht
weg.
Aufgabe der Kulturstiftung des Bundes ist übrigens die Förderung »kultureller Leuchttürme« – merkwürdiges Deutsch. Gefördert werden »kulturelle Spitzeneinrichtungen und Veranstaltungsreihen verschiedener Sparten, die zum internationalen Renommee von Kulturveranstaltungen in Deutschland beitragen.« Unter diesem Bla-bla-Begriff finden sich die Berlin (!) Biennale (3 Mio. Euro jährlich), das (Berliner !) Theatertreffen (1,9 Mio. Euro), die Donaueschinger
Musiktage (252.000 Euro), die (Berliner !) transmediale (550.000 Euro), das Ensemble Modern (250.000 Euro). Der alle drei Jahre stattfindende Tanzkongress bekommt 960.000 Euro. Die Kasseler documenta erhält bis 2022 eine Förderung von insgesamt 4,5 Mio. Euro. Weitere 5,5 Millionen Euro gehen im Zeitraum 2017 bis 2021 an den Fonds Doppelpass für Kooperationen von freien Gruppen und festen Tanz- und Theaterhäusern. Am Beethovenjahr 2020 beteiligt man sich mit 1,5 Mio. Euro für die
Einrichtung von zwölf anderthalbjährigen Residenzen für internationale Künstler/innen.
Einzige Filmveranstaltung auf der Liste ist der »World Cinema Fund«, der Filmförderfonds der Berlinale, der gerade mal 360.000 Euro erhält.
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Ein weiteres Projekt klingt erstmal noch am interessantesten: »2 Mio. Euro stellt die Kulturstiftung des Bundes bis 2020 für das Projekt Neue Auftraggeber nach dem Vorbild der in Frankreich erfolgreichen Initiative Nouveaux Commanditaires zur Verfügung. Lokal organisierte Bürgerinnen und Bürger werden dabei unterstützt, mit international renommierten Künstlerinnen und Künstlern in Kontakt zu treten, um ein eigenständiges Werk gleich welcher Sparte speziell für ihren
Herkunftsort in Auftrag zu geben. Jedermann kann zum Auftraggeber bedeutender Kunstwerke werden – so lautet das Credo der Neuen Auftraggeber. Die Kulturstiftung des Bundes unterstützt die in Deutschland in Gründung befindliche Gesellschaft der Neuen Auftraggeber darin, die Entwicklung von erst einmal max. 20 Projekten zu erproben. Sie fördert diese Vorhaben bis zur Erarbeitung eines konkreten künstlerischen Entwurfs. Die Akquise zur Finanzierung der Produktion der
Werke soll dann durch die lokalen Neuen Auftraggeber organisiert werden.«
Für Filmemacher scheint das aber schwer umzusetzen.
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In der antragsgebundenen »Allgemeinen Projektförderung« werden 5,7 Mio. Euro an 37 Projekte ausgeschüttet, also durchschnittlich 154.000 Euro, und zwar an: Installationen internationaler, zeitgenössischer Künstler/innen unter dem Motto »Targeted Interventions« am Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden; die Ausstellung FMP: The Living Music Haus der Kunst in München; das Literaturhaus Rostock für das Projekt »Reading the Baltic«, Theatermacher/innen im Rahmen des Festivals für internationale Neue Dramatik der Berliner Schaubühne; das Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg mit einer Ausstellung zum Klimawandel und dem Schwinden der Artenvielfalt; das Kunstfest Weimar mit dem Projekt Große Erzählungen: 100 Jahre Kommunismus; ein internationaler Kongresses im Literaturhaus Stuttgart; Spielmotor München; das internationale Festival für zeitgenössische Musik Acht Brücken | Musik für Köln. Eine echte Filmveranstaltung ist dagegen nicht dabei. Anlässlich des 85. Geburtstages von Alexander Kluge richtet das Essener Museum Folkwang immerhin eine umfassende Werkschau aus, deren Schwerpunkt auf dessen virtuosen filmischen Bildcollagen liegt. Und mit viel Wohlwollen kann man zum Film auch rechnen, dass die im Iran aufgewachsene, in den USA lebende Künstlerin Shirin Neshat im Fokus einer Werkschau der Kunsthalle Tübingen steht.
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Nur dass man mal weiß, wo das Geld sonst noch so hingeht: Medialeistungen im Wert von 80.000 Euro erhält die Münchner Gamesfirma United Soft Media Verlag GmbH für das »Location-based-Artillery Game« »Steampumpkins«.
Aus der Pressemitteilung des FFF Bayern: »Als Spielfläche fungiert die Erde, die Spieler visieren jeweils mit einem Device per Sensor-Steuerung reale Ziele an und bewerfen sie mit Kürbissen oder anderen Früchten. Gespielt werden kann mit Freunden oder Unbekannten
auf der ganzen Welt, einzeln oder im Team.«
Und dann wundert man sich über Trump und die AfD?
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»Kino verbindet.« Mit dem Projekt »Kino verbindet« will die AG Kino-Gilde einen Beitrag zur kulturellen Integration von jungen geflüchteten Erwachsenen leisten. Gefördert vom Bundesbildungsministerium können Kinos gemeinsam mit Organisationen, die unmittelbar mit der Zielgruppe der jungen geflüchteten Erwachsenen zu tun haben, Projekte einreichen und Fördermittel bekommen. Möglich sind zum einen moderierte Filmvorführungen speziell für junge Geflüchtete, die
medienpädagogisch vorbereitet und begleitet werden. Zum anderen besteht die Möglichkeit, Geflüchtete in normale Filmvorführungen einzuladen und gemeinsam mit Moderatoren und Pädagogen Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung zu schaffen. Gefördert werden können unter anderem die Honorare für Pädagogen, Moderatoren und Übersetzer, aber auch Fahrtkosten, Filmmieten und Werbematerial. Pro Maßnahme stehen 1.235,00€ zur Verfügung. Ziel ist es, möglichst einmal im Monat
eine solche Maßnahme anzubieten.
»Durch ›Kino verbindet‹ werden Kinos unterstützt, die einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Integration von Geflüchteten leisten«, so AG Kino-Gilde Geschäftsführer Felix Bruder. Weitere Informationen in der Geschäftsstelle der AG Kino-Gilde e.V. bei Claudia Nowak
(to be continued)