23.05.2017
70. Filmfestspiele Cannes 2017

Groß­bürger müssen wieder Filme machen!

Noah Baumbachs neuer Film
»Bourgoise Scheiße«: Noah Baumbachs The Meyerowitz Stories
(Foto: Netflix)

Die fehlende Liebe der Regisseure: Kleinbürger, Erschöpfung Telefonfilme, Kosslick als nächster Kulturstaatsminister und zwei Kandidatinnen für die Berlinale-Direktion, und Cannes ist feiger geworden; Cannes-Notizen, 8. Folge – von Rüdiger Suchsland

Von Rüdiger Suchsland

»In der Welt gibt es eine schreck­liche Sache, nämlich dass jeder seine Gründe hat.«
aus: »La regle du jeu« von Jean Renoir

»Der Skla­ven­auf­stand in der Moral beginnt damit, dass das Ressen­ti­ment selbst schöp­fe­risch wird ... Während alle vornehme Moral aus einem trium­phie­renden Ja-sagen zu sich selber heraus­wächst, sagt die Sklaven-Moral von vorn­herein Nein zu einem 'Ausser­halb,' zu einem 'Anders,' zu einem 'Nicht-selbst'.«
Friedrich Nietzsche

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Bei der Pres­se­vor­füh­rung zu The Killing of a Sacred Deer am Montag­morgen, machte sich trotz der Stärke dieses Films erstmals allge­meine Erschöp­fung breit. Allein in meiner Reihe schliefen 7 Kritiker größere Teile des Films erkennbar durch. Vergessen sollten wir aber nicht, dass man für einen Burnout auch vorher erstmal brennen muss. Verdient hat Yorgos Lanthimos' Film eine solche Reaktion aber auf gar keinen Fall – ebenso wenig wie die müden Urteile mancher Kolle­ginnen. Man möchte ja rchtig Mitleid mit ihnen bekommen, wenn man sieht, was für schlechte Punk­te­wer­tungen da von der einen oder anderen in den Branchen-Dailys vergeben werden.

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Ausge­schlafen hätten die Kollegen besser schon mal am Samstag- und Sonn­tag­morgen. Sowohl Robin Campillos, als auch Noah Baumbachs neue Filme laufen hier wegen der Stars, die in ihnen mitspielen, ihrer Qualität nach ist die Wett­be­werbs­teil­nahme unan­ge­messen.

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The Meye­ro­witz Stories ist ein Tele­fon­film. Nicht das, was man im italie­ni­schen Kino in den fünfziger Jahren so nannte, sondern fürs Telefon, ein Film, den man nicht genau sehen muss, Hören reicht, und deswegen der kleine Bild­schirm des Smart­phone. Auch wenn Baumbach noch nie ein Regisseur der spek­ta­kulären oder auch nur inter­es­santen Bilder war, über­rascht es doch, wie leer und schal das alles ist. Da der Kame­ra­mann der hoch gehan­delte Robbie Ryan ist, dessen Bilder von American Honey vor einem Jahr noch das beste an Andrea Arnolds nerv­tö­tend blödem Film waren, muss man Baumbach persön­lich für die bleierne Lange­weile seines Films verant­wort­lich machen, die völlige Abwe­sen­heit von Imagi­na­tion und Exzess. Es fehlen alle Extreme, nicht nur die visuellen, sondern auch die der Handlung und der Figuren; keine Abgründe, keine Über­schrei­tungen.

Baumbach erzählt von der ziemlich deran­gierten Familie Meye­ro­witz: Der Vater (Dustin Hoffman) ist ein einst erfolg­rei­cher, inzwi­schen aus der Mode gekom­mener Bildhauer, der mit seiner dritten Frau (Emma Thompson) in seinem Haus im East Village lebt, und ein Haus auf dem Land hat. Der geliebte Sohn aus seiner zweiten Ehe ist Immo­bi­li­en­makler in Los Angeles, die unge­liebten Geschwister aus der ersten Ehe tun mehr oder weniger nichts. Beide Söhne (Adam Sandler und Ben Stiller) leben in Scheidung. Nur die pfiffige Enkelin beginnt mit ihrem Kunst­stu­dium und soft­por­no­gra­fi­schen Kurz­filmen in Opas Fußstapfen zu treten. Diese wech­sel­sei­tigen Enttäu­schungen der diversen Fami­li­en­mit­glieder über­ein­ander sollen uns nun zwei Film­stunden lang beschäf­tigen. Tun sie aber nicht. Man hört schreck­lich belang­loses Dauer­ge­laber und was man dazu sieht, sind New York Klischees kombi­niert mit Klischees des jüdischen Lebens und des Kunst­be­triebs. Ein spießiger Blick auf die Welt, der Eitelkeit, Betrug und Präten­tionen entdeckt und damit alle klein­bür­ger­li­chen Vorur­teile bedient, nach denen auch Künstler nicht weiter blicken oder tiefere Einsichten zutage fördern können. Jenseits seiner stink­lang­wei­ligen Insze­nie­rung und zu oft gesehenem Schau­spieler-Narzissmus zeigt der Film Menschen mit zuviel Geld und Wohl­stands­pro­blemen.

Die von mir in anderen Filmen vermisste Utopie gibt es hier natürlich, aber es ist eine reak­ti­onäre Utopie: Die Familie. Das Publikum, das die Welt und die Politik, aber auch Gott und die Revo­lu­tion vergessen hat, soll sich mit den Wunden iden­ti­fi­zieren, die ihm die Väter, Stief­mütter und Brüder geschlagen haben.
Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Alles verstehen, heißt alles verzeihen – rück­wärts­ge­wandte Anti-Idyllen. Es ist das, was nicht nur Jean Luc Godard »bourgoise Scheiße« nennt.

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Filmisch eindeutig besser, im Ergebnis aber kaum minder belanglos ist Robin Campillos 120 batte­ments par minute. Erzählt wird die Geschichte des fran­zö­si­schen Zweigs der »Act Up«-Akti­visten, die in den 80er-Jahren mit provo­ka­tiven Aktionen enorm viel für ein anderes Bewusst­sein gegenüber AIDS getan haben. Der Film ist flott insze­niert, konzen­triert sich vor allem auf die Dynamik innerhalb der Gruppe. Der opti­mis­ti­sche poli­ti­sche Akti­vismus wirkt heute fast schon aus der Zeit gefallen, um so zeit­ge­mäßer dafür die poli­ti­sche Corret­ness, das Übermaß an Vorschrift, Regeln und Beschrän­kungen, die in krassem Wider­spruch zum Freiheits- und Selbst­be­stim­mungs­an­spruch von »Act Up« stehen. Es wird geregelt, wer wann reden darf, deut­li­cher Applaus ist ebenso verboten, wie Miss­fal­len­säuße­rungen. Geraucht wird nur draußen auf dem Gang, dort dürfe aber was drinnen debat­tiert wird nicht kommen­tiert werden – »alle Kommen­tare müssen hier gemacht werden.«

So schwirren die Gedanken, fliegen Fake-Blut-Beutel und wuselt die Kamera über junge, oft totge­weihte Gesichter. Alle AIDS-Kranken hier sind gute Menschen, enorm engagiert und selten verzwei­felt. Neid gibt es gar nicht, Eitelkeit kaum, und als einer von ihnen stirbt – kein AIDS-Film ohne solche Ster­be­szenen – braucht der Film eine Drei­viert­stunde, um zu erzählen wie seine Asche schließ­lich irgendwo in der Gegend verstreut wird. Aber: Kann man etwas gegen Filme sagen, die so ein »wichtiges« Thema haben, so gute Menschen zeigen?

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»Erstmals gerät in diesem Jahr Thierry Fremaux auch ein bisschen unter Beschuss« meint ein erfah­rener Film­funk­ti­onär aus Deutsch­land im Gespräch über den Mann, der seit 15 Jahren künst­le­ri­scher Leiter von Cannes ist – und er sagte das nicht, um damit die Schwäche Berlins zu rela­ti­vieren. Die Beob­ach­tung stimmt. Das Grummeln über das Programm, und dessen Program­mie­rung, darüber wann und in welcher Sektion, welche Filme laufen, wird stärker.

Dazu trägt auch bei, dass sich die Filme so ähneln, man zum Beispiel immer wieder diese Orgien bürger­li­cher Selbst­kritik erlebt, wie sie in diesem Jahr Ruben Östlund, Michael Haneke und Yorgos Lanthimos auf die Leinwand bringen – während man zum Beispiel nicht versteht, warum die neuen, offenbar ziemlich guten Filme von Bruno Dumont (der im Vorjahr noch im Wett­be­werb vertreten war), von Claire Denis, von Phillippe Garrel, von Abel Ferrara sämtlich in die Quinzaine abge­schoben wurden.

Und warum eigent­lich läuft Terrence Malicks wunder­barer Film Song to Song, der über­morgen in Deutsch­land startet, nicht hier?
Die Fehl­griffe häufen sich: Frédéric Jaeger hatte kürzlich auf Spiegel-Online daran erinnert, was Frémaux in den letzten Jahren unter anderem abgelehnt hat: Bei dem Berlinale-Wett­be­werbs­film des über­trieben gehypten Phil­lip­pino Lav Diaz mag man das noch verstehen, bei der 1001 Nacht-Trilogie von Miguel Gomes schon weniger, und die Ablehnung von Bertrand Bonellos Nocturama ist einfach nur skandalös und dumm. Denn Bonellos Film hätte genau jene Debatten provo­ziert, die Cannes fehlen, und die das Kino braucht.

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Ebenso ist jetzt, zur Halbzeit des Festivals, schwer vers­tänd­lich, warum zum Beispiel der groß­ar­tige deutsche Beitrag »Western« von Valeska Grisebach nicht in den Wett­be­werb geladen wurde – der Film ist zwar auf seine Art sperrig und »klein«, aber zugleich hervor­ra­gend insze­niert und intensiv. Es braucht genau solche sperrigen, kleinen, inten­siven Filme, um den Wett­be­werb mit jenen Über­ra­schungen zu spicken, die dann die Baumbachs dieser Welt erträg­lich machen.

Aber Cannes ist feiger geworden in den letzten Jahren. »Außer Konkur­renz« und in »Un Certain Regard« und den Paral­lel­sek­tionen laufen jene Filme, die der Wett­be­werb braucht. Auch schafft es Cannes zur Zeit nicht, die wirklich inter­es­santen US-Block­buster an die Cote d’Azur zu bringen. Vor zehn Jahren war das noch anders. Aber warum sind heute die Pirates of the Caribbean, Ridley Scotts neuer Alien, und vor Jahres­frist die X-Men nicht an der Croisette?

Zudem kommt auch in der Auswahl ein zuneh­mender Unterton schaler political correct­ness: Würde heute ein Oldboy oder Kinatay von Brillante Mendoza noch im Wett­be­werb laufen können? Ich bin mir nicht ganz sicher.

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Beim deutschen Empfang gab es wieder ein paar lustige Gerüchte aus der Heimat. Eines geht so: Berlinale-Chef Dieter Kosslick wird der nächste Kultur­staats­mi­nister. Und zwar, wenn – erstens und unwahr­schein­lich – Martin Schulz nächster Bundes­kanzler wird. Ein Grund mehr, nicht SPD zu wählen. Und zweitens, wenn – viel wahr­schein­li­cher – es auch nach der Wahl eine große Koalition gibt, in der die SPD etwas geschwächt vertreten ist, und daher das Kultur­staats­mi­nis­te­rium zur Kompen­sa­tion für anderes bekommt. Auch das ist unwahr­schein­lich, denn das Minis­te­rium ist ja kein voll­wer­tiges, sondern ans Kanz­leramt ange­schlossen. Bisher wurde die Position immer von der Partei des Kanzlers bestimmt.

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Dieter Kosslick nimmt man einfach viel zu wichtig. Auch das zweite Gerücht dreht sich mittelbar um ihn, nämlich um seine Nachfolge. Dass dies eine Frau werden soll, daran glauben viele – allein schon weil sich die in film­po­li­ti­schen Fragen so enttäu­schende Kultur­staats­mi­nis­terin Monika Grütters so doch noch, wenn schon durch nichts anderes, in die deutsche Film­ge­schichte einschreiben könnte: Als die, die die erste Frau in den Chef­sessel eines A-Film­fes­ti­vals hievt. Schon länger genannt wurde Medi­en­board-Chefin Kirsten Niehuus. Die ist aber klug genug, glaub­würdig zu demen­tieren. Jetzt tauchen neue (Frauen-)Namen am Horizont auf. Vor allem zwei: Einer ist der von Diana Iljine, zur Zeit die soge­nannte Leiterin des Filmfests München. Aus Kreisen des Kultur­staats­mi­nis­te­riums ist zu hören, dass sie offenbar gefragt wurde, ob sie sich das vorstellen könne. Und offenbar kann sie das.
Eine bei allem Respekt absurde Vorstel­lung, denn selbst­ver­s­tänd­lich sind Filmfest München und Berlinale durch nichts mitein­ander vergleichbar. Diana Iljine würde sich überhaupt keinen Gefallen tun, wenn sie diese Perso­nalie auch nur erwägen sollte.

Anders liegt es im Fall der zweiten Kandi­datin, von der in Cannes getratscht wurde. Es handelt sich um genau die Frau, die Diana Iljine einst auf den Münchner Chef­sessel gehoben hat: Bettina Reitz, einst Redak­teurin bei HR und ZDF, einst Mit-Gründerin von Teamworxx, einst BR-Spiel­film­chefin, einst sehr kurze Degeto-Chefin, einst kurze BR-Fern­seh­di­rek­torin, zur Zeit Leiterin der Münchner Film­hoch­schule. Als Produ­zentin war sie besonders eng mit den frühen TV-Filmen von Christian Petzold verbunden, und hat auch sonst eine Filmo­gra­phie, die sich sehen lassen kann. Das wäre eine faszi­nie­rende Wahl – schon weil Bettina Reitz zehnmal mehr Stil­ge­fühl im kleinen Finger hat, als Kosslick im ganzen Leib.
Diesen Klatsch wollten wir den Lesern nicht vorent­halten – wir sind gespannt auf die weiteren Entwick­lungen.

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Ein Thema für sich sind die Wohnungen und ihre Preise. Wer hier­her­kommt, muss für das komplette Festival mieten, unter 2000 Euro ist das in Cannes kaum möglich. Ganz schön teuer für Menschen, die hier nur für ein Wochen­ende kommen. Immerhin drei Tage hatten wir daher Susanne und Paul aus Berlin in unserem fens­ter­losen Schrank­zimmer zu Gast, die hier einen durch­ge­tak­teten Arbeits- und Meeting­plan hatten, zu dem auch regel­mäßiges Trinken gehört, dass sich am Ende des Tages auf zwei Liter Wein oder Ähnliches summiert und zwie­lich­tige Angebote unter­schied­lichster Natur.

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Neulich im »Le Crillon« habe ich zu später Stunde Camilla kennen­ge­lernt, eines jener typischen Spät-Cannes-Treffen, wo man eine Zehn­tel­se­kunde zu lang auf Badge, Getränk oder Augen starrt und sich dann mit voll­kommen Unbe­kannten in ein Gespräch verwi­ckelt, das einen zwei Stunden und vier Biere zu spät ins Bett gehen lässt. Camilla kommt aus Schweden und Norwegen und Schott­land und lebt gerade in Kali­for­nien. Zuerst wollte sie von mir wissen, ob mich eine Chinesin am Neben­tisch auch so an das »Grudge-Girl« erinnere – tat sie. »You are white, but she is scary,« sagte Camilla, von der ich dann erfuhr, wie es war, als »first black girl in northern Sweden« aufzu­wachsen, und was sie in ihrem ersten Cannes an den Franzosen stört: »Why d‘on‘t they learn englisch?« Vor allem aber tauschten wir Cannes Erfah­rungen aus. Camilla ist nur für fünf Tage hier und zahlt für ein Airbnb-Appar­te­ment (mit Meerblick), das sie sich mit einer Kollegin teilt, 400 Europ pro Nacht. Das wäre schon in Cannes deftig, aber die beiden charmant-unbe­darften Girls wohnen in La Napoule, also etwa 20 Auto­mi­nuten entfernt. Morgens kommen sie mit dem Bus, die Taxifahrt am Abend kostet sie weitere 80-120 Euro pro Tour. Unfassbar!

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Was ist gerade los mit dem Autoren­kino? Eine Woche nach Festi­val­be­ginn und zur Halbzeit des Festivals, pulsiert diese Frage immer stärker und nicht erst nach dem dritten Bier in den Köpfen.
Woher dieser Selbst­hass bürger­li­cher Regis­seure in den Filmen von Haneke, Östlund und Lanthimos? Und warum führt er zu nichts? Nicht zu Zers­törungs­fan­ta­sien, nicht zu Utopien?
Diese drei sind für mich die bisher besten Wett­be­werbs­filme. »Sind das nicht eigent­lich alles schlechte Filme?« fragt Hans aus Wien, mit dem ich im Crillon einen sehr schönen Abend verbrachte, »Filme die nichts zu sagen haben, außer billiger Kritik, über die sie nie darüber hinaus kommen. Auch der Haneke ist eben kein Bunuel.« Hans findet den Film sogar schlecht geschrieben, er empfindet das, was ich als »offen« begrüße, denkfaul und undis­zi­pli­niert.

Tatsäch­lich fragt man sich auch, ob es bei den Dreien, vor allem bei Haneke und Lanthimos auch nur eine Figur gibt, die die Regis­seure mögen. Nicht dass ein Regisseur seine Figuren immer lieben muss, aber viel­leicht doch gele­gent­lich die eine oder andere.

Was für ein Unter­schied zu früheren Gene­ra­tionen. Ein Jean Renoir hat alle seine Figuren geliebt, sagt Hans. Etwa in La Marseil­laise kämen die Revo­lu­ti­onäre genauso gut weg, wie der Monarch und sein Hof. Mir fällt auch Visconti ein. Er war überzeugt, dass die aris­to­kra­ti­sche Welt dem Untergang geweiht war, aber er zeigt diese Welt in seinen Filmen voller Liebe und aus eigenem Recht. Natürlich konnte man dagegen argu­men­tieren, dass zwar Renoir und Hawks und Truffaut die Menschen mehr liebten, als das Kino, dagegen Lang, Hitchcock und Godard das Kino mehr als die Menschen – geschadet hat es Letzteren nicht.
Was ist es aber dagegen mit dem Hass der Heutigen, die ihre Figuren jeden­falls nicht lieben. Die Frage ob er die Menschen liebe, löst im Fall von Haneke wohl bei vielen spontanes sarkas­ti­sches Gelächter aus. Und lieben Haneke, Lanthimos und Östlund wenigs­tens das Kino?

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Viel­leicht liegt das alles aber auch nur daran, dass die Regis­seure eben doch keine Bürger sind, schon gar keine Groß­bürger wie Renoir und Visconti. Viel­leicht sind sie alles Klein­bürger: Mit großen Augen blicken sie auf jene Welt, die ihnen verschlossen bleibt, sehn­suchts­voll und verach­tend. Sie erkennen den Feind, und iden­ti­fi­zieren sich mit dem Aggressor, bewundern, was ihnen überlegen scheint, weil es überlegen scheint.

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Wozu aber die Kunst? Wenn nicht, um Utopien zu entwi­ckeln, dann um Trost zu spenden, oder um eine Revo­lu­tion zu schaffen. Das heutige Kunstkino ist in weiten Teilen geprägt von dem Versuch, all dem auszu­wei­chen. Es ist darin nihi­lis­tisch, dass es nicht mehr will, dass es das Nichts will.
Dies ist eine Fehl­wahr­neh­mung. Kunst führt ja so oder so zu Resul­taten über das Kunstwerk hinaus, dazu, dass man mit einem Ergebnis aus einem Film rauskommt. Aus den Filmen von Haneke, Lanthimos und Östlund kommt man als Nihilist.

(to be continued)