29.08.2019
76. Filmfestspiele von Venedig 2019

Tofuwurst und Ostwind

Pelikanblut
In diesem Film ist alles drin, was die Ausländer an Deutschland lieben...

Der deutsche Exorzist: Katrin Gebbes »Pelikanblut« – Notizen aus Venedig, Folge 2

Von Rüdiger Suchsland

Da fliegt man nach Venedig und bekommt bei der Lufthansa Neapo­li­taner im Frühstück.

+ + +

Im deutschen Venedig-Beitrag, Katrin Gebbes Peli­k­an­blut, gibt es erstmal Tofuwurst. Hier ein paar kurze Notizen, morgen dann mehr.

Der erste Eindruck: Ein sehr guter Film, heraus­ra­gendes Filme­ma­chen, aber auch ein Film, über den man lange streiten kann und muss.
Man könnte den Film nennen: »System­crasher 2 – the Dark Side«, und da wo System­sprenger noch »ein Mitt­wochs­film« ist (so ein mir gut bekannter ARD-Redakteur), da ist dies hier auch ein B-Movie.
Im Zentrum steht ein böses Kind.

+ + +

Am Anfang Nebelland, totes Land, nur Tiere, Tiere im Nebel, die sich erheben. Western Bilder. Nina Hoss, dem Petzold-Knast entkommen (was ihr guttut), nun betont frei mit Cowboyhut.
Die Polizei, die etwas Positives ist in diesem Film, trainiert eine Reiter­staffel. Sie trainiert gegen Antifa-Demons­tranten. Ein Hauch Hamburger Kessel. Nina Hoss heißt Wiebke und ist Pfer­de­flüs­terin.
Sie kümmert sich besonders sensibel um schwie­rige Pferde. Sie weiß, wie man es macht, wie man mit dem Pferd umgeht. Ihr Kind, ein Mädchen, ist adoptiert. Der Titel ist eine Metapher, ein Märchen: die Peli­k­an­mutter sticht sich die Brust auf und füttert die Tiere mit ihrem Blut.

Dann gibt’s ein neues Kind: Raya, schwer trau­ma­ti­siert. Böses ist bald zu ahnen. Raya ist ein System­crasher, ein böses Geschöpf. Die Zeichen häufen sich: Fiese Kinder­spiele, Gewalt an Schwächeren, tote Tiere, hyste­ri­sche Mütter.
Raya ist schizoid, habe eine »magische Phase«. Die Erklärungen des Wissen­schaft­lers sind eigent­lich Erklärungen für Zuschauer. Das Kind hat weder Empathie noch Gefühle noch Angst. Alles eskaliert.

Wir Zuschauer fragen uns: Muss man eigent­lich alle retten?

Diese Mutter will perfekt sein. Die entschei­dende Frage ist: Liebt sie das Kind oder geht es darum, dass sie perfekt sein will, dass sie sich nicht ihr Scheitern einge­stehen will?

+ + +

»Wir schaffen das« hat Angela Merkel gesagt. »Das kriegen wir hin« sagt Nina Hoss. Eine deutsche Mutter; die deutsche Mutter.

Muss man eigent­lich an Wunder glauben? Die Regis­seurin tut es offenbar oder will es.

+ + +

Der Film fragt: Gibt es das Böse? Was ist das Böse?

So ein Film ist undenkbar aus anderen Ländern. In diesem Film ist alles drin, was die Ausländer an Deutsch­land lieben und was die Deutschen an sich selbst auch ein bisschen hassen: Der deutsche Extre­mismus, der deutsche Perfek­tio­nismus, die deutsche Mutter, der deutsche Wald.

(to be continued)