76. Filmfestspiele von Venedig 2019
Tofuwurst und Ostwind |
||
In diesem Film ist alles drin, was die Ausländer an Deutschland lieben... |
Da fliegt man nach Venedig und bekommt bei der Lufthansa Neapolitaner im Frühstück.
+ + +
Im deutschen Venedig-Beitrag, Katrin Gebbes Pelikanblut, gibt es erstmal Tofuwurst. Hier ein paar kurze Notizen, morgen dann mehr.
Der erste Eindruck: Ein sehr guter Film, herausragendes Filmemachen, aber auch ein Film, über den man lange streiten kann und muss.
Man könnte den Film nennen: »Systemcrasher 2 – the Dark Side«, und da wo Systemsprenger noch »ein Mittwochsfilm« ist (so ein mir gut bekannter ARD-Redakteur), da ist dies hier auch ein B-Movie.
Im Zentrum steht ein böses Kind.
+ + +
Am Anfang Nebelland, totes Land, nur Tiere, Tiere im Nebel, die sich erheben. Western Bilder. Nina Hoss, dem Petzold-Knast entkommen (was ihr guttut), nun betont frei mit Cowboyhut.
Die Polizei, die etwas Positives ist in diesem Film, trainiert eine Reiterstaffel. Sie trainiert gegen Antifa-Demonstranten. Ein Hauch Hamburger Kessel. Nina Hoss heißt Wiebke und ist Pferdeflüsterin.
Sie kümmert sich besonders sensibel um schwierige Pferde. Sie weiß, wie man es macht, wie man mit dem
Pferd umgeht. Ihr Kind, ein Mädchen, ist adoptiert. Der Titel ist eine Metapher, ein Märchen: die Pelikanmutter sticht sich die Brust auf und füttert die Tiere mit ihrem Blut.
Dann gibt’s ein neues Kind: Raya, schwer traumatisiert. Böses ist bald zu ahnen. Raya ist ein Systemcrasher, ein böses Geschöpf. Die Zeichen häufen sich: Fiese Kinderspiele, Gewalt an Schwächeren, tote Tiere, hysterische Mütter.
Raya ist schizoid, habe eine »magische Phase«. Die Erklärungen des Wissenschaftlers sind eigentlich Erklärungen für Zuschauer. Das Kind hat weder Empathie noch Gefühle noch Angst. Alles eskaliert.
Wir Zuschauer fragen uns: Muss man eigentlich alle retten?
Diese Mutter will perfekt sein. Die entscheidende Frage ist: Liebt sie das Kind oder geht es darum, dass sie perfekt sein will, dass sie sich nicht ihr Scheitern eingestehen will?
+ + +
»Wir schaffen das« hat Angela Merkel gesagt. »Das kriegen wir hin« sagt Nina Hoss. Eine deutsche Mutter; die deutsche Mutter.
Muss man eigentlich an Wunder glauben? Die Regisseurin tut es offenbar oder will es.
+ + +
Der Film fragt: Gibt es das Böse? Was ist das Böse?
So ein Film ist undenkbar aus anderen Ländern. In diesem Film ist alles drin, was die Ausländer an Deutschland lieben und was die Deutschen an sich selbst auch ein bisschen hassen: Der deutsche Extremismus, der deutsche Perfektionismus, die deutsche Mutter, der deutsche Wald.
(to be continued)