ABSTAND/ZOOM
H_HUMANOIDE |
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Perfektionismus nervt auch gewaltig: Maria Schraders Ich bin dein Mensch | ||
(Foto: Majestic / Maria Schrader) |
Von Nora Moschuering
Wenn ich mir das so tagtäglich in unterschiedlichen Lichtsituationen ansehe, die ich je nach Zoom-Ort verschieden gestalte – man ist ja mittlerweile Protagonistin in einer Reihe sehr gleichförmiger Talking-Heads-Dokumentationen – bemerke ich meinen eigenen Alterungsprozess in einer Art und Weise wie ich es nie zuvor getan habe, weil ich mich noch niemals in meinem Leben so viel und so regelmäßig gesehen habe. Aber nicht nur das: auch einen Orthopäden habe ich erstmalig aufgesucht, und all meine Computer sehr gerade vor mir ausgerichtet, weil ich mich massiv schief fühle.
Der menschliche Körper ist aber nicht nur als Virus-Träger ein Problem, als physische Schrägstellung, also als Krankheitsort, sondern er ist noch dazu vollkommen und absolut sterblich.
Ich kenne einen Menschen, der baut schon seit einigen Jahren an einem Roboter, in den er sich in etwa 30-40 Jahren uploaden will, na oder der ihn zumindest pflegen soll. In letzter Zeit stand er dabei unter Stress. Irgendwie war da Druck.
Ich so: Wie läufts?
Er: Ja, gut eigentlich.
Ich: Liegt ihr gut in der Zeit?
Er: Nein, wir müssen uns ein bisschen ranhalten.
Ich: Aber es ist doch auf die nächsten 30 Jahre angelegt?
Er: Das geht schneller als man denkt.
Wem sagt er das.
Aber wenn man während seiner Lebenszeit ordentlich an seiner Unsterblichkeit arbeitet, dann hat man ja im Anschluss richtig viel Zeit dazu, das Leben zu genießen – gesetzt, es funktioniert alles so, wie man es geplant hat.
Gute, wenn auch nicht unbedingt sichere Zielvorstellung. Aber immerhin, er hat da eine Art Zukunftsmuskel, der ihn gerade hält. Ich mache die verordneten Übungen und denke über humanoide Roboter im Film nach. Sie sind ja auch eine Zukunftsvision, nicht unbedingt meine, aber eine der Menschheit. Science Fiction ist Imagination, aber eben auch ein kleiner Versuchsaufbau. Wobei es dabei meist weniger um wirkliche technische Entwicklungen und Möglichkeiten geht, sondern die Roboter meist Metaphern für sehr Menschliches sind: Freiheit, Liebe, Empathie, Machtverhältnisse, Fortpflanzung … was bedeutet es, ein Mensch zu sein?
Eine kurze Definition: Humanoide Roboter sind menschenähnliche Roboter. Wenn sie sehr stark menschenähnlich sind, kann man sie auch als Android oder Gynoid bezeichnen. Die Mutter in I Am Mother ist ein humanoider Roboter, C-3PO auch, Data ist ein Android und Ava aus Ex Machina eine Gynoid. Cyborgs sind Mischwesen aus lebendigem Organismus und Maschine, wie bei Ghost in the Shell (bitte hier das Anime aus den 90ern ansehen und wirklich nicht das amerikanische Remake mit Scarlett Johansson, bei dem sich die eigentlich sehr philosophische Geschichte in der Betonung auf Johanssons fast-nackt-Auftritte verliert. Sie muss nackt sein, um unsichtbar zu werden, das ist so blöd).
Viren können in einer anderen Form natürlich auch diese »Systeme« befallen.
Ich bin dein Mensch von Maria Schrader war bisher nur dem Berlinale-Fachpublikum zugänglich und es sind einige Artikel dazu erschienen (hier zum artechock-Text). Darin geht es um eine Frau (Maren Eggert), die einen Partner, eben einen humanoiden Roboter, der nach ihren Wünschen designt und programmiert ist (ganz wie Ava in Ex Machina), für eine gewissen Zeit auf Probe gestellt bekommt. Interessant ist, dass es keine Dystopie ist, sondern alles eine Art Leichtigkeit hat, wie man sie schon in Schraders »Unorthodox« bemerken konnte. Große Zukunftsfragen oder auch existentielle Lebensfragen verpackt sie in eine, ein wenig hipsterige wohl-situierte Berlin-Geschichte. Drängende Fragen bekommen etwas Beiläufiges. Auch in Ich bin dein Mensch geht es wieder mehr um die Menschen, um Einsamkeit, um Nähe und Liebe, in einer sehr traditionellen Form und weniger um eine Vision eines möglicherweise wirklich neuen Miteinanders. (Ich persönlich finde es ja fast interessanter zu sehen, wie schnell wir nicht-humanoide Roboter vermenschlichen, wie schnell Saug- oder Wischroboter, die sich eigentlich nur bewegen, blinken und vielleicht noch piepsen, wenn sie sich wieder an ihrer Stromstation andocken, in eine Familie integriert werden).
Da mir dieses Mal kein Film begegnet ist, den man irgendwo sehen kann, stelle ich hier einfach mal eine subjektive Liste von Filmrobotern auf, die mir in den letzten Jahren untergekommen sind. Dabei geht es mir um physisch anwesende Humanoide (na ja, ein paar Ausnahmen gibt es schon in der Liste) und z.B. nicht darum, dass Menschen auf künstliche Weise filmisch wiederauferstehen können, wie Audrey Hepburn als CGI (Computer Generated Imagery) in einer Werbung, die auch schon etwas in die Jahre gekommen ist oder Jeff Bridges, der in Tron: Legacy digital verjüngt wurde oder um Künstliche Intelligenzen, die mittlerweile schon für Hauptrollen gecastet werden.
1927, Metropolis: Weibliche Roboter sind tatsächlich eher selten, aber oft sind sie, wie Maria in Metropolis und Ava in Ex Machina dazu da, um zu verführen. Beide, wie eigentlich fast alle filmischen, humanoiden Roboter, wurden von Männern konstruiert. Da hat man es: die vollkommene Kontrolle über das Weibliche, das in Metropolis schließlich auch noch auf dem Scheiterhaufen landet. Puh, wieder gebändigt. Die »Väter« überleben ihre Schöpfungen übrigens häufig nicht, auch in Metropolis nicht. Nebenbei: In Metropolis agieren die ArbeiterInnen auch als eine Art vielkörperliche Maschine, aber das ist ein anderes Thema.
1963, Westworld: Die langsamste Verfolgungsjagd der Westerngeschichte. Ein Roboter (Yul Brynner), der nicht reiten kann und einen Menschen (Richard Benjamin) verfolgt, der auch nicht reiten kann, weil er eigentlich in der Westernwelt auf Urlaub und im wahren Leben Jurist ist. (Fortsetzungen und Serie habe ich leider nicht gesehen). Zitate: »Davon wachsen einem Brusthaare!« und: »Urlaub des Lebens«.
1963-66, Serie, »Astro Boy«: Ein Wissenschaftler verliert seinen Sohn bei einem Unfall und baut ihn nach.
1965, Alphaville: Ja, auch die Nouvelle Vague kann Science Fiction.
1968, 2001 – Odyssee im Weltraum: Nicht der einzige Science Fiction, dessen Geschichte mittlerweile von der Zeit eingeholt wurde und sich nicht bewahrheitet hat. Der Bordcomputer Hal ist körperlos wie die Stimme in Her, aber HERs Samantha und Hal hätten sich wahrscheinlich nicht »verstanden« und auf ein gemeinsames Ziel einigen können. Aber wer weiß.
1974, Dark Star: eine Bombe mit – und völlig zurecht – existentialistischen Problemen. Die Bombe hat eine männliche Stimme, der Bordcomputer eine weibliche: »Erfolgreicher Bombenabwurf, Jungs!«, lobt sie die männliche Besatzung, wenn diese wieder eine Bombe abgeworfen haben (die meistens unkomplizierter sind, bis die eine kommt). Die »Jungs« sind dazu da, instabile Sterne zu sprengen. Wham!
1975, Stepford Wives und Stepford Wives 2 (2004): Männer bauen sich die perfekten Frauen: Kochen, Kinder erziehen, die Eigenheime und sich adrett halten, guter Sex und die Männer dabei, aber auch sonst: loben. Das ist wirklich Horror, aber auch sehr augenöffnend, was Geschlechter-Rollen angeht und dabei so komisch wie bitter. Die beiden Versionen unterscheiden sich besonders im Schluss, beim Initiator des Planes. Die 2004er Version versucht cleverer zu sein, ist sie aber nicht.
1977, Des Teufels Saat: Julie Christie wird von ihrem computerisierten Haus festgehalten und geschwängert. Ja, wirklich.
1977-1983, Star Wars IV-VI: C-3PO ist ein humanoider Roboter, der für Protokollfragen und Übersetzung programmiert wurde, zusammen mit R2-D2 bildet er eine Art Komiker-Duo.
1979, Alien: Der mitreisende Wissenschaftler Ash ist ein Roboter, ein Roboter mit einem Geheimauftrag. Ein perfekter Organismus, der, wie die in Metropolis und Terminator 2, schließlich verbrannt wird. War bei dem Namen aber auch absehbar.
1982, Blade Runner und Blade Runner 2049 (2017): Der erste auch ein Science Fiction, der sich überholt halt, er spielt 2019. Die dort im Zentrum stehenden Replikanten sind eigentlich keine Roboter, sondern organisch-gezüchtete Lebewesen, die nur vier Jahre Lebenszeit haben, um keine Emotionen zu entwickeln. Und ja, als der Replikant Roy Batty seinem »Schöpfer« begegnet, will er: »Mehr Leben!« Das nimmt der neue Blade Runner 2049 auf, wie auch die Frage danach, was den Menschen zum Menschen macht: »Geboren werden heißt, eine Seele zu haben«, und die Rolle, die Erinnerung für die Menschen spielt. Für das Finden einer Selbstdefinition ist ein elektronischer Kreislauf vielleicht sogar einfacher als einer aus Blut, wie ihn die Replikanten haben.
1987, RoboCop: Good Cop – Bad Cop? Kommt immer auf die Firma an, die einen herstellt, aber natürlich ist ein menschlicher Kern wichtig für gute Polizeiarbeit.
1987, Cherry 2000: Melanie Griffith zwischen unfassbar blöden Männern die, siehe auch The Stepford Wives, ihren kantenlosen, künstlichen Idealfrauen hinterherjagen. Schön irgendwie trotzdem die Szene, in der die künstliche Partnerin Cherry beim Sex in der Küche einen Kurzschluss erleidet, weil das Spülwasser überläuft.
1991, Eve of Destruction: Der einzige humanoide Roboter, den ich kenne, der von einer Frau geschaffen wurde, schon dafür einen Daumen nach oben! Und sonst? Die Farbe rot ist sexy, sie manipuliert Männer, lebt ihre Sexphantasien aus und eigentlich ist sie eine nukleare Waffe. Alles klar.
1991-2019, Terminator 1-6 und »Terminator S.C.C.« (Serie, 2008-2009): Eine kleine Geschichte der Emanzipation, sowohl der weiblichen als auch der männlichen, denn selbst Schwarzenegger macht eine Entwicklung durch, die man als emanzipatorisch verstehen könnte. Einer der wenigen Filme, in denen mich das Zeitreise-Paradox oder das Großvater-Paradox kaum stört.
1995, Anime, Ghost in the Shell (&US-Remake 2017): Eine Welt aus (Ersatz-)teilen, Cyborgs und dem Verschmelzen der analogen mit der digitalen Welt und des biologischen mit dem technischen Körpers. Wie definiert man sich, wenn es keine Grenzen mehr gibt?
1999, Bicentennial Man: So episch wie kitschig: In einer nicht allzu fernen Zukunft wird eine Haushaltshilfe geliefert, Robin Williams, ein freundlich lächelnder Roboter, der aber im Laufe seines Lebens sehr viele existentielle, aber auch etwas naive Fragen an sich und den Menschen denen er begegnet stellt. Wichtiges Thema hier: Unsterblichkeit und Familie. »Ich will lieber als Mensch sterben, als alle Ewigkeit als Maschine zu leben!« Ich persönlich habe zu dieser Frage noch keine abschließende Meinung.
1999–2003, 2007–2013, Serie, »Futurama«: Bender: »Ach was soll’s, dann bau ich mir eben meinen eigenen Vergnügungspark, mit Black Jack und Nutten!« Alkoholiker (er braucht das um zu funktionieren), Raucher, Roboter-Pornografie-Konsument, Spieler, Egoist, faul, unmoralisch, Lügner, stiehlt, kann sich verlieben … also ein durch und durch menschlicher Roboter.
2001, A.I. – Artificial Intelligence: Mecha als Kinderersatz, die lieben können, wenn man sie prägt. Wie Pinocchio will auch der Mecha David ein Mensch werden, weil er nur so glaubt, dass seine Mutter ihn wirklich lieben kann.
2004, I, Robot: Lehnt sich an das Buch »Ich, der Robot« (1950) von Isaac Asimov an, dem Verfasser von zahlreichen Robotergeschichten. Auf ihn gehen auch die drei Robotergesetze zurück und dieser Film, der mich mit einem sehr ambivalenten Gefühl zurückgelassen hat, ähnlich wie I Am Mother. I Am Mother, die Terminator-Reihe, Tron oder Ghost in the Shell und eben auch I, Robot bringen den Gedanke eines »denkenden Systems dahinter« auf, der ja in Zeiten der möglichen Singularität immer drängender wird.
2006, I am a cyborg, but thats ok: gehört wie Electric Girl nicht unbedingt in diese Reihe, aber die beiden Filme thematisieren Technik, oder was sie für den Menschen sein kann, auf eine ganz andere, sehr erstaunliche Art und Weise.
2007-2017, Transformers (1- 5 und ein Prequel): Außerirdische Maschinenwesen, die sich in Autos verwandeln können. Ganz cool anzusehen, aber schon auch sehr bescheuert, wenn man drüber nachdenkt.
Ich habe Exoskelette oder technische Erweiterungen wie bei Avatar, Batman oder Iron Man übrigens auch rausgelassen, weil dieser Mann-&-Maschine-Machismus nervt und den gibt es beim Transformers-Autofetisch eigentlich auch. Inkonsequente Liste.
2008, WALL-E: Einer der wenigen nicht menschlichen Roboter, neben R2-D2 (Star Wars, der in der Funktion eines Mechanikers Raumschiffe reparieren kann), der eine Hauptrolle spielt und vielleicht der, der uns am meisten von allen in dieser Liste anrührt.
2009, Moon: Kammerspiel in einer Raumstation und die Macht von Smileys, mit denen der Computer kommuniziert und wie sich damit erstaunlicherweise Emotionen weitergeben lassen. Aber das wissen wir ja mittlerweile eh alle all zugut.
2012-2014, Serie: »Real Humans«: Wie leben wir mit ihnen im Alltag, in Reihenhaussiedlungen, im vermeintlich Unspektakulärem und wie sie mit uns?
2011-1019, Serie: »Black Mirror«: Verschiedene Episoden mit Robotern in unterschiedlichen Formen.
2012, Robot And Frank: Superkitschig, auf einer Linie mit dem Bicentennial Man, der Roboter hier ist nur etwas robotiger und halt nicht Robin Williams.
2013, Elysium: Die Welt ist ein Slum und Polizeiroboter patrouillieren. Matt Damon wird auf seiner Reise ins rettende ELYSIUM zum Cyborg.
2013, Her: Samantha ist körperlos wie Hal, aber vielleicht eine der »realistischeren« Versionen von KI in der Zukunft und nebenbei geht es auch noch um den Besitzanspruch in Liebes-Beziehungen.
2015, Ex Machina: Wahrscheinlich die schlauere Version von allem.
2015, A World Beyond – Tomorrowland: Da gab’s Roboter, hab aber vergessen, wo und in welcher Form.
2015, Chappie: Chappie, nun ja, ein Kind das eigentlich kämpfen sollte, aber gar keine Lust drauf hat und für den sich dann doch die Bösen opfern, weil sie nicht nur böse sind, sondern auch ein Herz haben oder so.
2019, Alita: Battle Angel: Die Verfilmung eines Mangas, in dem eine Cyborg versucht herauszufinden, woher sie kommt. Dazu muss sie sehr sehr viel kämpfen. Mehr so ein Game, bei dem man versucht, eine Stufe weiterzukommen, hier in die verbleibende Himmelsstadt.
2019, Hi, AI: Dokumentarfilm, der die Interaktion zwischen humanoiden Robotern und Menschen beobachtet: Wie werden wir leben, denn wir sind schon auf dem Weg.
2019, I Am Mother: Ein humanoider Roboter und seine menschliche Tochter, für die er nur das Beste will. Oder sie? Siehe artechock.
2019, Electric Girl: Abrutschen in ein Super-Heldinnensein der ganz anderen Art, vielleicht pathologisch, vielleicht eskapistisch, vielleicht wie ein Märchen.
Allerdings und auch im Hinblick darauf, dass wir alle eben sehr viel zu Hause und online sind, bin ich immer mehr davon überzeugt, dass die Zukunft weniger in einer neuen Verkörperung, sondern vielmehr in einem Upload liegen wird. Das ist in Ordnung, aber leider auch sehr unspektakulär und wenig filmisch. Aber wer weiß.