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eine nach der anderen
rundgang durch die gärtnerplatzgalerien


schadografie
- die kameralose fotografie

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jenseits der euphorie
was vom mythos video bleibt

ein vortrag von dr. friedemann malsch

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eine nach der anderen

rundgang durch die gärtnerplatzgalerien



Mehrmals im Jahr hat man die Chance, um den Gärtnerplatz herum eine Open Art en Miniature, eben nur im Glockenbachviertel, zu zelebrieren. Zahlreiche Kunstgänger sind denn auch jedesmal unterwegs, und bestimmt nicht durchwegs alle nur zu dem Zweck, sich von den Hors d’Oeuvres - die sowieso kaum der Rede wert sind - zum billigen deutschen Weißwein zu hangeln und dabei, die Bilder geflissentlich mit breitem Rücken verdeckend, die Galerienluft mit viel Rauch einzusegnen.
Der Gang von Galerie zu Galerie ist spannend, man entdeckt erstaunliches, aber auch langweiliges, schon x-mal abgesehenes, andererseits wiederum neue junge Ideen von ebensolchen Künstlern.
In einer Reihe liegen mehrere Galerien in der Buttermelcherstraße. Auf der einen Seite die Galerie Dany Keller. Sie zeigt diesmal mit Barbara Bernrieder eine ausgesprochen junge Künstlerin (Jahrgang 1970); die bereits vor drei Jahren bei einer Gruppenausstellung am gleichen Ort vertreten war. Ihre abstrakt-rhythmischen Farbflächenkompositionen sind noch bis zum 14.März zu sehen. Ebenfalls unter den ungeraden Hausnummern zu finden ist gleich darauf die Ausstellung von Heribert C. Ottersbach bei Mathias Kampl. Seine collagierte Erinnerungsarbeit befaßt sich in diesem Rahmen mit der Kunstmoderne: „Moderne und Arbeit macht frei...“ ist seine Antithese zum künstlerischen Ringen mit den klassischen Vorbildern. Ein Augenzwinkern ist jedoch nicht zu übersehen, wenn Mondrian Malevitsch und Malevitsch Mondrian seine Bilder erklärt und dann auch noch Barnett Newman hinzutritt...

von meditation bis farbsensation



Gegenüber werden bei Karin Sachs drei Positionen vorgestellt, deren zwei sehr ähnlich erscheinen: Werner Maier bzw. Edmund Tucholski lavieren und zeichnen fein und feingliedrig Zeichnungen bzw. Aquarelle. Die Werke beider strahlen die meditative Konzentration ihrer Anfertigung aus. Aufsehenerregend stehen daneben die Objekte von Anja Luithle als wohltuender Kontrapunkt. Ungewöhnlich ist ihr Material: Tönerne Schuhe gehören der „Gehörnten“, aus deren Sohlen promt Geweihe hervorwachsen. Aus Satin ist das zweigeteilte Kleid, das sich um die eigene Achse dreht und dabei sein Inneres nach außen kehrt.
In der Baaderstraße lädt das Galeriendoppel Fred Jahn und Waßermann zu Helmut Pfeuffer bzw. Rupprecht Geiger ein. Die Landschaften von Pfeuffer sind aus groben Schwüngen so gekonnt zusammengesetzt, daß trotz der Reduktion das Wesentliche erkennbar bleibt. Auf Rupprecht Geiger muß eigens eingegangen werden.
Am Ende der Straße wartet die Galerie Paal mit kühler Hallenbadatmosphäre auf. Doch nicht der weißgekachelte Untergrund enttäuscht den Augenschmaussuchenden, sondern die farbspritzcholerischen Werke von Michael Chandler lassen dieses Mal die Blicke flugs von der Leinwand ab- und zum Ausgang hingleiten.
Es stehen außerdem an: Ernst Waldners gerahmte Himmel bei Rupert Walser, Hermann Pitz in der Galerie Wittenbrink, Dennis Oppenheim in der Galerie Albrecht, Hans Staudacher und Rudolf Wachter bei Klewan und Siegfried Anzingers und Leif Trenklers "Zusammenhänge" bei Karl Pfefferle. Zugegebenermaßen ein ziemlicher Kunstmarathon - für denjenigen, der es schafft, zwischendurch an allen einladenden Kneipen und Cafés vorbeizueilen...
milena greif

schadographie - die kameralose fotografie

und ihre Anfänge



Anläßlich der Christian Schad-Ausstellung im Lehnbachhaus wird es Zeit, sich mit einem eher unbekanntem und von der Kunstgeschichte vernachlässigtem Thema zu befassen: dem Fotogramm oder wie nach Christian Schad benannt, der Schadographie. Diese Technik der kameralosen Fotografie, die im allgemeinen neben Solarisation und abstrakter Fotografie als eine Form der experimentellen Fotografie gilt, also meist nur als Randgebiet der klassischen Fotografie angesehen wird, hat sich längst von der Fotografie emanzipiert und beansprucht eine autonome Position zwischen Fotografie und Malerei.
Die Technik der kameralosen Fotografie besitzt viele Namen und Ausprägungen entsprechend ihren “Erfindern”. Sie ist bekannt als Fotogramm (Moholy-Nagy, El Lissitzky), Schadographie (Christian Schad) , Rayographie (Man Ray) oder photogenische Zeichnung (Henry W. Fox Talbot). Denn “erfunden”, d.h. neu entdeckt wurde die kameralose Fotografie immer wieder: Zum ersten mal wurde die Lichtempfindlichkeit von Silbernitrat noch vor Erfindung der eigentlichen Fotografie entdeckt. Henry W. Fox Talbot, der Erfinder des Negativ-Positiv-Verfahrens, schuf in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts bei seinen Versuchen zur Erforschung der Lichtempfindlichkeit von chemisch behandeltem Papier Bilder von poetischer Schönheit. Nur durch das Licht, die Pflanze und das Papier gelang es ihm, ohne Zuhilfenahme eines Objektives oder der zeichnerischen Hand des Künstlers, den “Pinsel der Natur” selber zeichnen zu lassen (vgl. sein gleichnamigen Buch “the Pencil of Nature” von 1844). Indem er lichtdurchlässige Pflanzen auf das präparierte Papier legt und es mit Sonnenlicht belichtet, erscheinen die, in ihren Helligkeitswerten vertauschten Konturen und Strukturen der Pflanze. Die belichteten Stellen werden dunkel, je nach Präparierung dunkelviolett, braun oder schwarz und die unbelichteten Stellen bleiben weiß. Auf dieser Technik, die Talbot “photogenischen Zeichnung” nennt, beruht sein Positiv-Negativ-Verfahren, da das negative Abbild der äußeren Welt mittels photogenischer Zeichnung in ein Postiv umkopiert wird. Talbot erkannte schon bei seinen frühen Versuchen die besondere Schönheit und Faszination der reinen photogenischen Zeichnung, die die aufgelegten Gegenstände in ihrer Orginalgröße und ihrem Detaillreichtum wiedergibt.

das 20. jahrhundert:

CHRISTIAN SCHAD

In den darauf folgenden Jahren waren die Fotografen und Künstler vollauf mit der Entwicklung und der Faszination der eigentlichen Technik der Fotografie beschäftigt, ohne die Sonderformen der Fotografie zu erkunden. Erst in den 10er und 20er Jahren unseres Jahrhunderts wurden Wege einer neuen Darstellung der Welt gesucht. Die bisher bekannten Mittel der Fotografie und Malerei reichten vielen Künstlern nicht mehr aus, die Phänomene der Welt zu erklären, die angesichts neuester physikalischer Erkenntnisse (Relativitätstheorie, Quantenphysik) die Auffassung der visuell erfaßbaren Welt erschüttert hatte. Gerade die Dadaisten lehnten sich im Angesicht des 1. Weltkrieges gegen die bürgerlichen Konventionen auf und suchten, z.B. in der Vereinigung von Wort und Bild oder der Integration von Alltagsgegenständen neue, ungewohnte Ausdrucksmittel.
Seit etwa 1916 arbeitete Christian Schad mit den Dadaisten zusammen und entdeckte 1918, als erster in diesem Jahrhundert, die Möglichkeiten der kameralosen Fotografie (wieder). Wie das Vorgehen bei der Entdeckung zeigt, sah er in dem Endprodukt keine Sonderform der Fotografie, sondern vielmehr eine Variante der Collage. Er beschreibt die Entdeckung folgendermaßen:“Beim experimentieren mit lichtempfindlichem Papier und gefundenen Gegenständen [entdeckte ich] dieses neue Ausdrucksmittel”, das die Gegenstände “in einer ganz neuen Wirklichkeit abbildet.” Entscheidend für ihn war, entsprechend dem kunstfeindlichen Geist der Dadaisten, die Abkehr von der traditionellen Malerei, die Eliminierung des künstlerischen Subjekts aus dem Bild und die Auflehnung gegen die herrschenden Konventionen. In dem er Papier- und Zeitungsfetzen (Relikte der Alltagswelt) auf Tageslicht-Auskopierpapier legte, durch eine Glasscheibe auf das Papier drückt und mit Sonnenlicht so lange belichtete bis sich die unbedeckten Stellen schwärzten, erzeugt er keine illusionistische Repräsentation der Welt wie die gewöhnliche Fotografie, sondern bringt ihre Gestalt durch den direktem Kontakt mit dem Papier zum Ausdruck. Die erste Phase der Schadographien, in der ca. 30 Werke entstanden von denen einige qualitative Exemplare in der Ausstellung im Lehnbachhaus zu sehen sind, dauert jedoch nur wenige Jahre, da er sich nach 1920 von den Dadisten ab und der Malerei der “Neuen Sachlichkeit” zuwandte. Erst in den 60er Jahren greift er die Schadografie wieder auf, nachdem er von dem Fotohistoriker Helmut Gernsheimer zu einer Neuauflage der frühen Schadografien gedrängt wird. Schad zieht es jedoch vor, sich von neuem diesem Thema zu widmen und schafft eine Reihe neuer Schadografien, von denen auch einige Beispiele im Lehnbachhaus vertreten sind. Diese späten Arbeiten unterscheiden sich von den frühen durch ihren schwarzen Tiefenraum, die stärkere Verhaftung an der Gegenständlichkeit und die in bewußter Gestaltung (im Gegensatz zu den zufälligen Fundstücken der Dadazeit) entstandenen Phantasiewesen, die ihre Nähe zu den Halbwesen des Dichters Aloysius Betrand (1807-1841) nicht leugnen.
Der Begriff “Schadographie” stammt allerdings nicht von Christian Schad selber, sondern wurde von einem der Hauptakteure des Dada, Tristan Tzara 1936 nachträglich geprägt.

MAN RAY

Kurze Zeit nach den Experimenten Christian Schads, entdeckte auch Man Ray, von einer anderen künstlerischen Position ausgehend und ohne gesicherte Kenntnisse der Arbeiten Schads, “zufällig” wie er selber es nennt, die Möglichkeiten der kameralosen Fotografie, die er Rayographie tauft. Als dem Surrealismus nahe stehender Fotograf sieht er im Fotogramm das surrealistische Prinzip des “automatischen Schreibens” im Medium der Fotografie verwirklicht. Seine durch eine spielerische Komposition entstandenen poetischen Bildwelten offenbaren eine mehrdeutige und vielschichtige Sehweise, die dem postulierten “Wahrheitsgehalt” der Fotografie entgegensteht. Die zufällig aus seiner direkten Umgebung ausgewählten, sich zu einem neuen Kontext zusammenschließenden Gegenstände erzählen ihre eigene Geschichte, losgelöst von einem Repräsentationsanspruch.

MOHOLY-NAGY



Von einer ganz anderen Seite nähert sich Laszlo Moholy-Nagy, von 1923 bis 1928 Lehrer am Bauhaus, dem Umgang mit Licht, Objekten und Fotopapier. Ohne jegliche praktische fotografische Erfahrung erschließt er die gestalterischen Möglichkeiten der kameralosen Fotografie zunächst rein theoretisch und liefert in seinem Aufsatz “Produktion/Reproduktion” (1922) das theoretische Gerüst zu dieser Technik. Er erkennt in dem Licht, d.h. in der Niederschrift der Welt im Schatten mittels fotografischer Technik das eigentlich Wesentliche der Fotografie und versucht die Wahrnehmung des Menschen durch die Gestaltung des reinen Lichts zu schärfen. Durch den gesamtgesellschaftlichen, funktionalen Ansatz des Bauhauses geprägt propagiert er die Fotografie als das der Zeit angemessene künstlerische Ausdrucksmittel, das in speziellen Techniken wie dem Fotogram, oder ungewöhnlichen Perspektiven nahezu unbegrenzte Möglichkeiten einer neuen Wahrnehmung offeriert. So entfernen sich seine Fotogramme noch stärker als bei den übrigen Künstlern bisher von der Gegenständlichkeit der äußeren Welt und bilden einen autonomen aperspektivischen Tiefenraum, der von durch das immaterielle Licht gestalteten Formen bevölkert wird. Die verwendeten Objekten dienen nur noch als Lichtmodulatoren. Ihre ursprüngliche oder verfremdete Funktion ist nicht mehr von Bedeutung, wie noch bei Schad oder Man Ray.

das fotogramm heute

ADAM FUSS



Seit diesem “Boom” der Fotogramme Anfang des Jahrhunderts ist diese Technik wieder sehr in den Hintergrund getreten. Zwar benutzten viele Künstler und Fotografen sie immer wieder für Experimente mit dem fotografischen Medium, jedoch sind sie selten Ausdruck einer umfassenden künstlerischen Position In den 60er Jahren greift Florian Neusüss die kameralose Fotografie wieder auf und gibt dieser Technik mit seinen Körperfotogrammen unter Einbeziehung der menschlichen Gestalt eine neue Dimension. Mit Werken von besondere Faszination vollzieht der amerikanisch/britische Künstler Adam Fuss in den 90er Jahren konsequent den Schritt in die Farbigkeit. Denn obwohl die Farbfotografie schon in den 30er Jahren entwickelt wurde, gab es bisher kaum überzeugende Versuche, diese Errungenschaften auf das Fotogramm zu übertragen. Nicht nur erstaunt dieser Künstler im Zeitalter der computergenerierten Bilder mit der simpelsten aller fotografischen Techniken, sondern er überträgt auch die Diskussion um die heutige Kunst, die Aktualität der Malerei auf dieses Medium. Er spiegelt in seinen Farbfotogrammen den Diskurs zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, zwischen Fiktion und Wirklichkeitswiedergabe, zwischen der Ästhetik der Bilder und Brüchigkeit der Welt wieder.

Vielleicht bleibt, angesichts ihrer immer wiederkehrenden Erscheinung, die Hoffnung, daß diese Technik sich wird befreien können aus ihrer Nebenrolle im Schauspiel der Fotografie und einen eigenen Part zuerkannt bekommt. Denn das eigentlich faszinierende an den Fotogrammen ist die Uneindeutigkeit ihrer Zugehörigkeit.

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