01.03.2012

Freche Filme­ma­cher, singende Rabbis

Leaving the Fold
Hier wird der große Schritt gewagt, das Regelwerk der Orthodoxie zu verlassen und sich in die große weite Welt der Vergnügungen zu begeben:
Leaving the Fold

Die 3. Jüdische Filmtage in München zeigen dieses Jahr Filme über Liebe und Geschichte, Kultur und cultural Clash

Von Dunja Bialas

Wie immer man an die deutsche Film­ge­schichte denkt, sie ist undenkbar ohne ihre großen Regis­seure Lubitsch, Lang, Ophüls, Oswald, Preminger und 1.995 andere jüdische Film­künstler, die vor und während des Nazi-Regimes aus Deutsch­land emigrierten. Wenn man an den Zustand der deutschen Komödie heute denkt (Rainer Gansera in der SZ: »dumm, dümmer, deutsche Komödie«) und sich dann zum x.ten Male Lubitschs Hitler-Komödie To Be or Not to Be aus dem Jahre 1942 ansieht, dann wird der große Verlust deutlich, dass der jüdische Witz nicht mehr in der Mitte unserer Gesell­schaft zu finden ist.

In Erin­ne­rung auch an die jüdischen Film­schaf­fenden, möchte die Gesell­schaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition »Einsichten« bereit­halten, wenn sie vom kommenden Sonntag an bis zum 7. März zu den 3. Jüdischen Filmtagen bittet. Einsichten in die Kultur der Juden, aber auch in »Riten und Spiri­tua­lität«.

Im Hinblick auf den Verlust der größten komö­di­an­ti­schen deutschen Regis­seure, sollte man sich unbedingt am Sonntag den Doku­men­tar­film Hitler und die Traum­fa­brik von Michael Kloft ansehen. In Archiv­auf­nahmen entsteht rund um Hollywood noch einmal der freche Geist der Emigrierten: Billy Wilders Genie­streiche sind in Ausschnitten zu sehen, ebenso wie Lubitschs bereits erwähnte Hitler-Komödie. (So., 04.03., 11:30 Uhr)

Eröffnet wird dann mit The Art of Living, einem israe­li­schen Doku­men­tar­film. Amir Har-Gil erzählt über die Verflech­tung mit Geschichte: Sein Vater liebte eine nicht­jü­di­sche Deutsche, diese möchte ihm nach Israel folgen, als sie erfährt, dass ihr Vater wiederum in den Holocaust verstrickt war. Geschichte lässt uns nicht los. (So., 04.03., 18:00 Uhr und 20:00 Uhr (Reprise))

Die Unaus­weich­lich­keit, mit der die Vergan­gen­heit immer noch auf die Gegenwart wirkt, ist auch das Thema des Doku­men­tar­films von Malte Ludin, 2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiss, der hier die »Geschichte meines Vaters, eines Kriegs­ver­bre­chers« erzählt (Mi., 07.03., 18:00 Uhr). Und auch im Spielfilm von Claude Miller, Ein Geheimnis (2007), geht es um ein düsteres Geheimnis aus dem Zweiten Weltkrieg, das bis heute auf die Eltern­ge­ne­ra­tion nachwirkt. (Mi., 07.03., 20:00 Uhr)

Einsichten in die jüdische Kultur offenbart der Doku­men­tar­film über Jüdische Rapper und singende Rabbis in New York (Mo., 05.03., 18:00 Uhr) und Leaving the Fold (Di., 06.03., 18:00 Uhr): Hier geht es um die chas­si­di­schen Enklaven von Montreal, Brooklyn und Jerusalem, die sich von ihren ultra-ortho­doxen Wurzeln lösen. Ein ganzes Regelwerk bestimmt hier bis heute das Leben auch der jungen Menschen: Was soll ich anziehen? Welchen Beruf ergreifen? Wen heiraten? Alles ändert sich, wenn man das Regelwerk verlässt.

Alle Filme werden im Vortrags­saal der Stadt­bi­blio­thek im Gasteig gezeigt. Eintritt 7 Euro / ermäßigt 4,50 Euro. Eröff­nungs­film: Eintritt 10 Euro inklusive Empfangs-Buffet (beide Vorstel­lungen). Jüdische Rapper: Eintritt frei. Weitere Infor­ma­tionen zur Veran­stal­tung und das ausführ­liche Programm mit allen Filmen finden Sie hier.

Zum Weiter­lesen empfiehlt Artechock: Die Emigra­tion Film­schaf­fender während der Nazizeit (Hg. vom deutschen Film­portal)