Neues von den Geierwallis |
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Die Glenn Close als distinguierter Viktorianer-Butler in Albert Nobbs |
Von Dunja Bialas
München hat starke Frauen. Diese hier nennen sich »Geierwallis«, nach der mythischen Figur der bayerischen Alpen, die durch das Ausheben eines Adlernestes die männliche Ordnung eines Bergdorfes auf den Kopf und plötzlich selbst bestimmen konnte, wen sie heiratet. – Selbst bestimmen, wen man heiratet: Über die mythische Figur nähern sich die Veranstalterinnen des »Bimovie«, die Geierwallis, ihrem Thema an. Ihr Thema: Wir haben das weibliche Geschlecht, aber wir stellen die natürliche Geworfenheit, seine Kreatürlichkeit, grundsätzlich in Frage. Wir wissen um Kulturation, die Gender hervorbringt. Gender, das kulturell gewachsene und selbst ausgekleidete oder interpretierte Geschlecht, ist der Weg der Geierwallis hin zu einer Selbstbestimmtheit ihrer Weiblichkeiten. Und unter diesem sehr theoretisch und dann doch wieder sehr konkreten Gesichtspunkt haben sie ein Filmprogramm zusammengestellt.
Es ist ein sehr vielfältiges Programm, dass das 18. Bimovie im 100 Jahre alten Maxim in Neuhausen präsentiert. Dokumentar- und Spielfilme zeigen unterschiedliche Spielweisen der Wirklichkeit, was Geschlecht und Gender anbelangt. Glenn Close brilliert in Albert Nobbs, einem in Viktorianischer Zeit angesiedelten Historiendrama um eine als Butler verkleidete Frau, die eines Nachts entdeckt, dass ihr Kollege keinesfalls so männlich ist, wie es den anschein hatte. Geschlechter-Camouflage, um einer überkommenen Frauenrolle und der Armut zu entkommen, und um eine andere Rolle zu erproben. Close war in dem Film, der in Deutschland noch keinen Verleih gefunden hat, an Drehbuch und Produktion beteiligt und bekam für ihre schauspielerische Leistung eine Oscar-Nominierung. (Sa., 10.11., 21:00 Uhr und Do., 15.11., 21:00 Uhr)
Ein zweiter Spielfilm im Bimovie-Programm sorgt für ein unbedingtes kinematographisches Highlight. Der türkische Film Zefir von Belma Bas, auf dem Frauenfilmfestival von Ankara (ja, das gibt es) mit dem Preis der Internationalen Filmkritik ausgezeichnet, ist ein starkes Drama von einem Mädchen, das von seiner Mutter auf dem Land bei seinen Großeltern zurückgelassen werden soll. Dagegen kämpft es mit unbeirrbarem Willen. »Zefir« bedeutet wörtlich Westwind und gibt breiten Raum für die poetische Metaphorik, die stillschweigend über dem bilderstarken Film liegt. (Mo., 12.11., 21:00 Uhr und Mi., 14.11., 19:00 Uhr)
Tilda Swinton ist gemeinhin bekannt als androgynes, mehr noch ätherisches Wesen, das irgendwie nicht von dieser Welt stammt. Wie geschaffen für einen Film von Bimovie. In We Need to Talk About Kevin verkörpert sie eine Mutter, deren Kind sich seltsam abwesend und auch abweisend ihr gegenüber zeigt. Die seelische Last wird als psychotischer Thriller inszeniert, dessen Zeitebenen sich überlagern zu einem Gewirr aus Erinnerungen, Erlebtem und reinem Phantasma, das schließlich in ein Desaster mündet. (Mi., 14.11., 21:00 Uhr und Fr., 16.11., 19:00 Uhr)
Frauen sind ja nie »nur« Frauen, und die erste Frage, die sich bisweilen stellt, ob frau überhaupt eine Frau ist. Wie die australische Filmemacherin Phoebe Hart, die das Androgen-Insuffizienz-Syndrom hat. Hier wird es kompliziert. Genetisch »eigentlich« ein Mann, ähneln sie aufgrund ausbleibender Hormonausschüttungen phänotypisch einer Frau und werden meist auch so aufgezogen. Hart macht sich, unterstützt von ihrer Schwester und ihrem Mann, auf die Selbsterkundung ihrer Intersexualität. Orchids – My intersex adventure (So., 11.11., 21:00 Uhr und Do. 15.11., 19:00 Uhr)
Bimovie 18 – Eine Frauenfilmreihe
10.11.-17.11.2012, Maxim in München