Roaring Twenties |
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In bed with a donna – Für Margaret in The Foxy Merkins geht das nicht immer gut aus. |
Von Natascha Gerold
»Die Geschichte des Films ist die von Jungs, die Mädchen filmen, und die von Männern, die die Sterblichkeit beunruhigt und von Frauen, die sie nicht beunruhigt.« Zum Glück ist das nur Jean-Luc Godards Wahrheit gewesen. Denn erstens ist das mit der Endlichkeit auch für Frauen so eine Sache und zweitens sind Jungs und Männer weiß Gott nicht die Einzigen: Einen internationalen Überblick über die aktuellen Arbeiten filmschaffender Frauen bietet alljährlich die Bimovie Frauenfilmreihe, und das bereits seit 20 Jahren. Auch diese Jubiläumsausgabe wurde sorgsam ausgewählt und zusammengestellt vom zehnköpfigen Team der Geierwallis, laut Selbstdefinition »Frauen, die selbst im Filmbereich tätig sind oder die sich für das Kino begeistern und dieses Festival ehrenamtlich und in ihrer Freizeit organisieren.«
Ein optimistischer, oft heiter-ermutigender Grundton zeichnet diese Jubiläumsfilmreihe aus. Er zeigt sich unter anderem in der Produktionsgeschichte vieler Werke, die via Crowdfunding gemäß den Vorstellungen der Macherinnen fertiggestellt werden konnten – Stärke zeigt sich eben mitunter auch im Ruf nach Unterstützung. Auch der Eröffnungsfilm Alice Walker: Beauty in Truth (Sa., 8.11. 19 Uhr; Sa., 15.11. 19 Uhr) ist ein solches Werk. Partibha Parmar ermöglicht tiefe Einblicke in die bewegte Biographie der Autorin und Menschenrechtsaktivistin, die in den erbarmungslosen Baumwollfeldern Georgias aufwuchs und 1983 als erste Farbige den Pulitzer-Preis für ihren Roman »Die Farbe Lila« bekam. Mit ihren zahlreichen Interviews und eindrucksvollem graphischen Material setzt sich aber auch jenen Frauen ein bildreiches, plastisches Denkmal, die den Literaturkanon des 20. Jahrhunderts gepr ägt haben.
Sehnsucht nach Wissen und persönliche Entwicklung durch Lernen ist auch zentrales Thema des Spielfilms Le sac de farine (So., 9.11. 19 Uhr; Fr., 14.11. 19 Uhr), in dem Regisseurin Kadija Leclere halb-autobiographisch von Sarahs Kindheit in einer belgischen Klosterschule erzählt, die ihr Vater jäh unterbricht und sie nach Marokko in sein Elternhaus bringt, wo nicht mehr die geliebten Schreibhefte, sondern Wolle und Stricknadeln für lange Zeit ihren Alltag bestimmen. Mitten in den Hungerrevolten der 1970er Jahre begehrt auch Teenager Sarah auf – gegen Zwangsheirat, Frauenfeindlichkeit und bildungsfeindliche Unterdrückung.
Rebellische Musik, ein rückständiges Frauenbild – der Feministin Kathleen Hanna stank diese Haltung vieler Männer in Punk-Kreisen ebenso gewaltig wie Degradierung junger Frauen als Sex-Objekte in ihrem Umfeld. Text- und stimmstark wurde sie eine der prägenden Figuren der Riot-Grrrl Bewegung Anfang der 1990er Jahre. In The Punk Singer – A Film About Kathleen Hanna (So., 9.11. 21 Uhr; Fr., 14.11. 23 Uhr) porträtiert Regisseurin Sini Anderson die Punksinger/Songwriterin in soziopolitisch und für Hanna persönlich aufwühlenden Zeiten. Unter anderem zeigt der folgenschwere Kirchen-Gig der russischen Punkgruppe Pussy Riot während der Dreharbeiten, wie brisant Hannas Anliegen immer noch sind.
Rebellion klopft nicht nur im hämmernden Beat des mean dirty Rock’n’Roll gegen die Türen der Norm – sie tut es auch stark übergewichtig, mit Blumenkappe und Badeanzug im zarten Walzertakt. Aquaporko! (So., 9.11. 17 Uhr; Mi., 12.11. 21 Uhr) ist eine Gruppe dicker Frauen, die sich zur Synchronschwimmerinnengruppe in Melbourne zusammengefunden haben. Die lesbische Dicken-Aktivistin und Filmemacherin Kelli Jean Drinkwater, Mitbegründerin der ersten Aquaporko!-Gruppe in Sidney und bekennender Fan alter Esther-Williams-Hollywood-Schwimmorgien, hat die quirlige Gruppe bei ihren Proben bis zu ihrem ersten Auftritt mit der Kamera begleitet – keine Freakshow, sondern ein klares und dabei höchst vergnügliches Plädoyer für Selbstakzeptanz und Freude an der eigenen Körperlichkeit. »A film how wonderful it is to be different«– dieser Untertitel des nach dem Kurzfilm Aquaporko! gezeigten Dokumentarfilms Kein Zickenfox (ebenda) über das weltweit größte Frauenblasorchester trifft auch hervorragend auf die australischen Supersize-Schwimmerinnen zu.
Nirgends sind dreckige Lacher wohltuender und ansteckender als im Kino – vor allem, wenn Großstadtneurosen, Liebesnöte und Identitätskrisen in vollster New Yorker Blüte stehen wie in den erfrischenden Queer-Komödien The Foxy Merkins (Di., 11.11. 19 Uhr; Fr., 14.11. 21 Uhr) von Madeleine Olnek und Appropriate Behavior (Di., 11.11 21 Uhr; Sa., 15.11. 21 Uhr) von Desiree Akhavan. Während Olneks selbstbewusster Subgenre-Mix zwischen Buddie- und Hustler-Movie die Überlebenstaktiken der glücklosen Hure Margaret und der listigen Trickserin Jo mitten in Manhattan zeigt, wirkt Akhavan auch vor der Kamera in der Hauptrolle als Shirin in Appropriate Behavior, die, gerade von ihrer Freundin geschasst, alles für alle sein möchte: Hetero-Mustertochter für die iranischen Eltern, politisch korrekte Bisexuelle und hippe Brooklyner Filmemacherin. Das ist zu viel, um in einem Leben unterzubringen – aber genug, um zu sich selbst zu finden.
»Bimovie 20 – Eine Frauenfilmreihe« findet vom 8. bis 15. November im Maxim Kino in München statt. Die Einzelkarte kostet 6 Euro.