Kino mit Alpenblick |
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Einer der schönsten Filme des Fesitvals: Ama-san von Cláudia Varejão |
Von Ingrid Weidner
Sichtlich stolz präsentiert Matthias Helwig das Programm des 10. Internationalen Fünf-Seen-Filmfestivals. Seit den zaghaften Anfängen 2007 entwickelte sich das noch junge Festival prächtig; allein im vergangenen Jahr zog es mehr als 19.000 Zuschauer an. »Ich bin Filmliebhaber, das ist mein einziger Antrieb«, verrät der Festivalleiter seine Motivation. Anziehend auf die Zuschauer wirken auch die illustren Gäste, die jedes Jahr an den Starnberger See kommen. »Ich habe Glück gehabt, dass Gäste gekommen sind«, kokettiert Helwig. Der Kinobetreiber verfügt über beste Branchenkontakte, die grandiose Alpenkulisse, der Sommer am See und die Wohlfühl-Atmosphäre helfen, Regisseure und Schauspieler an die fünf bayerischen Seen zu locken. Seiner Einladung folgten Kinogrößen wie Armin Mueller-Stahl, Wim Wenders oder Michael Ballhaus, um mit dem Publikum über ihre Filme zu diskutieren. »Der Funke ist übergesprungen«, meint Helwig, denn die Zuschauer teilten die Begeisterung der Festival-Macher.
Vor den Toren Münchens ein eigenes Festival auf die Beine zu stellen, erfordert neben Mut, guten Kontakten und finanzkräftigen Sponsoren auch eigene Ideen, denn kurz nach dem Münchner Filmfestival überfällt manchen Cineasten eine gewisse Müdigkeit. Doch Kino mit Sommerfrische im Fünfseenland zu kombinieren, erwies sich in den vergangenen Jahren als Erfolgsrezept. In diesem Jahr zeigen Helwig und sein Team rund 160 Filme an zwölf Tagen, allerdings an zehn unterschiedlichen Spielorten, was Besuchern viel Mobilität und ein gewisses Selbstorganisationstalent abverlangt. Im Programm finden sich neben vielen bereits angelaufenen Streifen auch fünfzehn Deutschlandpremieren und internationale Filme, die vermutlich nie den Weg ins Programmkino finden werden, aber trotzdem sehenswert sind. Eröffnet wird das Festival mit El Olivo – Der Olivenbaum, mit dem auch die 64. Münchner Filmkunstwochen ihren Filmreigen vor einer Woche begannen.
Um in dieser Vielfalt nicht den Überblick zu verlieren, ordneten die Festivalmacher die Filme nach Reihen, die teilweise nach den zahlreichen Preisen benannt sind, die auf dem Festival vergeben werden: da gibt es den Horizonte-Menschenrechte-Wettbewerb, den Fünf Seen Filmpreis, den Dokumentarfilmpreis, die Perspektive Junges Kino, den Publikumsfilmpreis oder den Kurzfilm-Wettbewerb, insgesamt werden siebzehn Sektionen gelistet. Den diesjährigen Ehrengästen Doris Dörrie und Goran Paskaljević widmet das Festival Werkschauen. Von der in München lebenden Regisseurin und Schriftstellerin Dörrie zeigt das Festival einen ihrer ersten Spielfilme, Mitten ins Herz, aus dem Jahr 1983, Kirschblüten – Hanami sowie Erleuchtung garantiert und ihren aktuellen Film Grüße aus Fukushima. Alle drei Filme passen auch zum Japan-Schwerpunkt des Festivals. Aber auch Dörries Dokumentarfilm Dieses schöne Scheißleben aus dem Jahr 2014 über mexikanische Mariachi-Musikerinnen wird zu sehen sein.
Der 1947 in Belgrad geborene Regisseur Goran Paskaljević wuchs im ehemaligen Jugoslawien auf, begann als Dokumentarfilmer, verließ 1992 das Land und kam erst 1998 zurück nach Serbien, um den Spielfilm Das Pulverfass (Cabaret Balkan) zu drehen, der in gleichen Jahr in Venedig einen Preis gewann. Außerdem zeigt das Festival A Midwinter Night’s Dream (2004) und Die Optimisten (2006). Honeymoons drehte Paskaljević zwar schon 2009, doch die Geschichte von zwei jungen Paaren aus Serbien und Albanien, die sich auf den Weg nach Europa machen, um dort ihr Glück zu finden, ist aktueller denn je.
Spannend dürfte auch der diesjährige Fokus Drehbuch werden. Gleich am ersten Festivalwochenende (30. und 31. Juli) beschäftigen sich die Film- und Branchengespräche mit der Frage, ob Schauspieler andere, vielleicht sogar bessere Filme machen. Darüber diskutieren in einem Werkstattgespräch Nicolette Krebitz und Sebastian Schipper am Sonntag, den 31. Juli um 11 Uhr im Kino Breitwand Seefeld. Wer deren Filme nicht kennt, kann sich neben dem preisgekrönten Victoria auch den weniger bekannten Mitte Ende August aus dem Jahr 2009 und den zehn Jahre früher gedrehten Film Absolute Giganten ansehen. Nicolette Krebitz stellt ihr neuestes Werk Treffen sich zwei vor, für den sie das Drehbuch schrieb (und als Schauspielerin mitwirkte), außerdem ist ihre gefeierte Regie-Arbeit Wild (das Drehbuch stammt ebenfalls von Nicolette Krebitz) im Programm.
Am Sonntag Nachmittag (31. Juli) zwischen 14 und 16 Uhr lädt die Politische Akademie Tutzing zum Filmgespräch am See ein. Sebastian Schipper, Rosa von Praunheim und Matthias Koßmehl (Gewinner des Münchner Starter-Filmpreis) sprechen über »Fremde im Film«. Außerdem werden die Regisseure Dani Levy, Gordian Maugg, Marie Noelle und Florian David Fitz erwartet. Sie alle stellen ihre neuesten Filme vor und diskutieren mit den Zuschauern.
Aus dem Gastland Serbien zeigt das Festival neben den Filmen von Goran Paskaljević auch Klassiker wie Schwarze Katze, weißer Kater von Emir Kusturica. Südtirol ist beispielsweise mit dem dort von Roman Polanski gedrehten Tanz der Vampire vertreten. Auch der Regisseur Andreas Prochaska wählte für Das finstere Tal nach dem Roman von artechock-Autor Thomas Willmann Südtirol als Kulisse. Aus dem Gastland Taiwan kommen neben Kurzfilmen auch der kürzlich angelaufene The Assassin. Das Partnerland Indien zeigt beispielsweise Karuna Grand Show, den wir hier besprochen haben.
Die Reihe Perspektive Junges Kino präsentiert sich international. Das sei nicht unbedingt beabsichtigt gewesen, räumt Matthias Helwig ein, denn anders als die prominenten Ehrengäste zieht es junge, deutsche Nachwuchsregisseure noch nicht für eine Premiere nach Starnberg. »Die Leute wollen nach Berlin, München, Hof oder Saarbrücken«, weiß Helwig. Doch das müsse kein Nachteil sein, wie die international bestückte Reihe beweist.
Neben Feel-Good-Streifen finden sich auch aktuelle, politische Themen im Programm, etwa der diesjährige Berlinale-Gewinner Fuocoammare von Gianfranco Rosi. Japan bildet einen weiteren Schwerpunkt. Als die Sonne vom Himmel fiel, der von dem atomar verwüsteten Hiroshima und dem darauf folgenden gesellschaftlichen Schweigen erzählt, das tiefe Spuren in vielen Familien hinterlassen hat. Einem ganz anderen Thema widmet sich der Dokumentarfilm Ama-San, der Einblicke in eine Gemeinschaft japanischer Fischerinnen zwischen 50 und 85 Jahren erlaubt, die eine alte Tradition fortführen und ohne Sauerstoffflasche nach Muscheln, Algen und Krustentieren tauchen. Der Film war einer der schönsten Entdeckungen, die man dieses Jahr in Nyon auf dem Festival »Visions du Réel« machen konnte.
Natürlich wünscht sich Matthias Helwig für alle Filme viele Zuschauer, doch Cinema Mon Amour liegt ihm besonders am Herzen, denn es geht um die rührende Geschichte eines verzweifelten Kampfes um das Überleben eines Kinos. Victor Purice, ein Kinobesitzer in der rumänischen Provinz, will seinen Kinopalast aus sozialistischen Zeiten nicht aufgeben, auch wenn immer weniger Besucher kommen. Auf der Suche nach neuen Ideen schaute er auch schon im Kino Breitband von Festivalleiter Matthias Helwig vorbei, der einen kleinen Gastauftritt im Film hat.
Ein breit gefächertes Programm lädt die Zuschauer ins beschauliche Voralpenland ein. Von Provinz versus Großstadt will Festivalleiter Helwig nichts wissen. »Es geht nicht um Glamour«, betont er, das könnten andere besser. Ihm geht es um Filme, seine Gäste und natürlich die Besucher. Schönes Wetter wäre famos, doch der Festivalleiter erinnert sich auch an verregnete Tage und versichert, dass Gewitter und Regen der beim Publikum beliebten Fahrt mit dem Kino-Dampfer über den Starnberger See nichts anhaben könnten.
10. Internationales Fünf Seen Film Festival, 27.7.-7.8.2016
Diverse Spielorte, darunter Kino Breitwand Starnberg, Schloss Seefeld und Herrsching (Festivalshuttle vorhanden)