Engagement braucht Energie |
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Der Traum vom bedingungslosen Grundeinkommen geht weiter: Free Lunch Society – Komm komm Grundeinkommen eröffnet am heutigen Donnerstag die FilmWeltWirtschaft | ||
(Foto: FilmWeltWirtschaft / Filmmuseum München) |
Von Dunja Bialas
»Art but fair«, »Initiative Festivalarbeit«, Mindestlohn oder bedingungsloses Grundeinkommen: die Vorstöße, das Engagement im kulturellen Bereich besser zu stellen, sind vielfältig. Ehrenamt heißt eine der Säulen, die unsere Gesellschaft tragen. Es ist in der Kultur anzutreffen, aber auch in den sozialen Einrichtungen, in der Kinderbetreuung, in der Seniorenpflege, im Umweltschutz, in der Flüchtlingshilfe. Am kommenden Sonntag findet gar eine eigene Messe zum Ehrenamt statt, die sogenannte »Freiwilligen Messe«, auf der man sich ein Ehrenamt aussuchen kann, das zu einem passt. Klingt gut, oder etwa nicht?
In der freien Wirtschaft heißt es immer: »Engagement macht sich bezahlt.« – »Zeit ist Geld.« Für die ehrenamtlich Arbeitenden klingt dies zynisch. Prinzipiell ist nichts gegen die ehrenamtliche Tätigkeit einzuwenden, Renterinnen und Rentner können mit ihr weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, den Generationenvertrag sinnvoll erfüllen, indem sie ihr Wissen an die Jüngeren weitergeben, Hobbys können einen wertvollen Rahmen finden. In vielen Bereichen aber gilt, dass mit dem Ehrenamt bezahlte Arbeit eingespart wird. Angeblich fehlt es dem Staat am notwendigen Kleingeld für essentielle Bereiche – die Wirtschaft, die als Sponsor einspringen könnte, hält sich lieber raus.
Die neueste Ausgabe der Filmreihe »FilmWeltWirtschaft« erinnert daran, dass das Engagement auch Energie benötigt – Körperenergie, Kraft, Zeit, Man- und Womanpower, alles, was man eben so reinsteckt in ein Projekt oder Thema, das einem wichtig ist. Sieben Filmprogramme stellen unterschiedliche Initiativen vor, die Bahnbrechendes erreicht haben oder noch erreichen wollen.
Eine der wichtigsten Forderungen für ein unentlohntes gesellschaftliches Engagement ist die nach dem bedingungslosen Grundeinkommen. Es könnte ermöglichen, dass auch außerhalb von bezahlten Stellen zu fairen Bedingungen Arbeit geleistet wird – in den traditionellen Bereichen des Ehrenamts. Auch die prekäre Situation von Künstlern könnte hier aufgefangen werden. Free Lunch Society – Komm komm Grundeinkommen des Österreichers Christian Tod setzt sich intensiv mit dem Thema auseinander. In einer Reise rund um den Globus sammelt er Stimmen zur Idee des Grundeinkommens ein – in der Schweiz gab es hierfür sogar eine Volksabstimmung. Ein Roadmovie, das die Utopie bereist.
Wesentliches Merkmal der FilmWeltWirtschaft sind die tiefgehenden Diskussionen zu den gezeigten Filmen. Die stellvertretende Filmmuseums-Leiterin Claudia Engelhardt, die die Filmreihe nun schon zum 13. Mal organisiert, hat diesmal die entscheidenden Initiativen ins Filmmuseum eingeladen. Zum Grundeinkommen ist dies die »Initiative Grundeinkommen München« (Donnerstag, 19 Uhr), zum Film Bellevue Di Monaco (Freitag, 21 Uhr) kommt Christian Ganzer ins Kino und stellt das außergewöhnliche Wohn- und Kulturzentrum »für Menschen mit und ohne Asyl« vor – es befindet sich übrigens in nächster Nähe zum Filmmuseum in der Müllerstraße 2. Das Café im »Bellevue« könnte sich so auch als alternativer Ort zum Stadtcafé etablieren, obendrein tut man dann noch etwas Gutes und ist sogar ein gern gesehener Gast, während man seinen Kaffee trinkt (Do-Sa von 11 bis 18 Uhr geöffnet).
Gastfreundlich ist auch die Wirtin des Café Waldluft, den der Starter-Filmpreisträger Matthias Koßmehl persönlich vorstellt (Freitag, 21 Uhr). Die Berchtesgardenerin Flora Kurz hat ihr Hotel in der Bergidylle für die Flüchtlinge geöffnet, und muss nun gegen die Vorurteile im Ort ankämpfen. Mittlerweile musste sie ihr Projekt leider wieder beenden, Matthias Koßmehl kann dazu die Hintergründe erzählen.
Völkerverständigend ist übrigens nicht nur Fußball. Dass auch das Kochen zum solidarischen und zusammenführenden Akt werden kann, steht am Anfang der Intiative »Kitchen on the Run«, die in The Taste of Home von Mathias Niepenberg vorgestellt wird. Menschen mit Fluchterfahrung kochen die Gerichte ihrer Heimat und setzen sich mit den Menschen der neuen Heimat zum Essen an einen Tisch (Freitag 18:30 Uhr). Eine Idee, die man in München derzeit auch als Videoinstallation erleben kann: Das »Bimovie«-Festival zeigt im Rahmen der Mittelmeerfilmtage im Aktionsraum des Gasteigs »Pixel« die Arbeit der israelischen Künstlerin Anna Sherbany A Place At The Table, in der es genau darum geht, dass verschiedene Kulturen in einem kommunikativen und solidarischen Akt zusammen essen (die Installation ist noch bis zum 28. Januar zu sehen).
Keine Initiative kann Erfolg haben, wenn man nicht frei sprechen oder an der Gesellschaft partizipieren kann. Free Speech Fear Free des jungen Briten Tarquin Ramsay geht dem Grundrecht der Redefreiheit nach – und wie beängstigend sie sich in den letzten Jahren gewandelt hat (Samstag 18:30 Uhr). Suffragette: Taten statt Worte zeigt die Anfänge der Frauenrechtsbewegung, die in der Einführung des Frauenwahlrechts mündete – in wenigen Ländern. Das Frauenwahlrecht in Deutschland wird dieses Jahr übrigens hundert Jahre alt, der entscheidende Beschluss des Rates der Volksbeauftragten erging am 12.11.1918. Gewählt wurde allerdings erstmals am 19. Januar 1919 – die Vorführung im Filmmuseum am Samstag, den 20.1. um 21 Uhr feiert damit das genau 99 Jahre und einen Tag praktizierte Wahlrecht – anschließend wird mit Susanne Klingner von Frauenstudien München e.V. diskutiert.
Zwei Filme runden am Sonntag das Programm zum Thema Umweltschutz ab. Bertram Verhaags Der Bauer und sein Prinz zeigt, wie sich der Prince of Wales für die ökologische Landwirtschaft in England einsetzte und es zur Gründung der Duchy-Home-Farm kam, die England auch das traditionelle Landschaftsbild mit den Hecken, in denen die Vögel nisten können, zurückgab (Sonntag, 18:30 Uhr).
Wichtigster globaler Aktivist in Sachen Umwelt- und Klimaschutz ist Al Gore. Vor allem hat er den psychologischen Faktor der Problematik erkannt: Es ist eine Wahrheit, die uns nicht angenehm ist, eine »inconvenient truth«. An Inconvenient Sequel: Truth to Power zeigt die Dringlichkeit des Kampfs gegen die Klimaveränderung – zumal US-Präsident Donald Trump den Klimawandel leugnet.
FilmWeltWirtschaft
18.-21. Januar 2018, Filmmuseum München
Eintritt: 4 € (Mitglieder des MFZ 3 €)
Das Programm wird von der stellvertretenden Leiterin des Filmmuseums München, Claudia Engelhardt, kuratiert.