30.06.2009
26. Filmfest München 2009

Filmtipps fürs Fest

Rocksteady
Macht gute Laune: Rocksteady
(Foto: Rapid Eye Movies HE)

Hingehen oder wegschauen

Von artechock-Redaktion

Jetzt liegen schon ein paar Tage Filmfest hinter uns. Nicht immer hielten die Filme, was sie verspra­chen, andere boten große, gar freudige Über­ra­schungen. Hingehen oder wegschauen – wir stellen Ihnen Hilfe­leis­tung bei der Entschei­dung.

Hingehen

Glamorous Youth (Philip Yung) – Fokus Fernost
Das Spiel­film­debüt des Hong­konger Film­kri­ti­kers Philip Yung erzählt episo­den­haft die Geschichte dreier Heran­wach­sender sowie einiger anderer Personen aus deren näherem Umfeld. Yung zeichnet ein präzises Bild der aktuellen Hong­konger Gesell­schaft vor allem aus der Sicht der Jugend­li­chen. Nie senti­mental, aber mit einem hervor­ra­genden Blick für die häufige Komik der Situa­tionen gelingt ein realis­ti­sches Porträt der Stadt Hong Kong und ihrer Menschen. In einem Interview gibt Yung an, dass einer der Gründe für seine Wandlung vom Kritiker zum Regisseur der von ihm empfun­dene Mangel an Filmen aus Hong Kong war, die das Alltags­leben der Menschen in realis­ti­scher Weise schildern. Statt­dessen würden vor allem Genre­filme – wie Gangs­ter­filme – entstehen. Sein Ziel, diesen Mangel ein wenig wett zu machen, ist ihm mit diesem atmo­sphäri­schem Film auf groß­ar­tige Weise gelungen. – Frie­de­rike Steimer
Sa., 04.07., Forum 2, 15:00 Uhr

Cali­fornia Company Town (Lee Ann Schmitt) – American Inde­pend­ents
Lee Ann Schmitt ist Schülerin des ameri­ka­ni­schen Doku­men­tar­film-Trappers James Benning, und das merkt man ihren Filmen auch an. Fast schon narrativ erzählt sie in ihrem Doku­men­tar­film von alten, bald verschwin­denden Orten Cali­for­niens. Alte Sägewerke, Mili­tär­basen, Fabriken, einst mit dem blühenden Leben erfüllt, sind heute unter einer dicken Staub­schicht begraben. Lee Ann Schmitt hat für uns den Blick auf eine verschwun­dene Welt frei­ge­legt. – Dunja Bialas
Do., 02.07., Film­mu­seum, 17:30 Uhr

Rocks­teady: The Roots of Reggae (Stascha Bader) – Inter­na­tio­nales Programm
»Musik berührt die Seele – und das kann kein Arzt.« Tref­fender als Sängerin Judy Mowatt kann man all die Freude am Leben und an der Musik in der Rocks­teady-Ära der 60er wohl kaum in Worte fassen. Und das spürt man auch. Anhand unter­schied­lichster Lebens­ge­schichten jamai­ka­ni­scher Musiker und auf den Spuren von Bob Marley ergründet Regisseur Stascha Bader die Wurzeln der »Mutter des Reggae«, dem Rocks­teady.
40 Jahre später kommen Musik­le­genden aus jener Zeit noch einmal für eine gemein­same Album-Aufnahme und ein Reunion-Konzert zusammen. In erster Linie aber, um das zu machen, was sie alle auch nach so langer Zeit noch verbindet: Musik. Mit welt­weiten Hits wie »The Tide is High«, »By the Rivers of Babylon« oder »No.No.No« verspricht der Doku­men­tar­film nicht nur Balsam für die Seele für einge­fleischte Musik­lieb­haber – dem Zuschauer bleibt fast keine andere Wahl, als zumindest ein paar Sonnen­strahlen jamai­ka­ni­scher Lebens­freude zu absor­bieren. Lädt zum mitgrooven ein und sorgt garan­tiert für gute Laune! – Nadine Fischer
Mo., 29.06., Rio Palast 1, 19:00 Uhr; Mi., 01.07., Cinemaxx 2, 15:00 Uhr

Parque vía (Enrique Rivero) – Visiones latinas
Im dies­jäh­rigen »Visiones latinas«-Programm kann man zwei Filme über süda­me­ri­ka­ni­sches Haus­per­sonal entdecken. Dies hier ist der bessere (wir raten dringen von La nana ab), und er ist sogar richtig gut, mit einer kleinen Einschrän­kung, die wir aber für uns behalten, da wir den Schluss nicht verraten wollen. Beto ist ein »House­keeper« im besten Sinne des Wortes: Er hält eine unbe­wohnte Villa in Schuss, putzt regel­mäßig das unbe­nutzte Bad, gießt den Garten, macht das Licht im Haus an und wieder aus. Er selbst bewohnt in dem herr­schaft­li­chen Gebäude ein kleines Kämmer­chen, in dem er hin und wieder eine befreun­dete Nutte empfängt und sich ansonsten aufs Allein­sein und Fernsehen bescheidet. Der Film ist wortkarg und mini­ma­lis­tisch, insze­niert die Räume des Hauses wie einen stummen Prot­ago­nisten. Ein eindring­li­cher Film, der von einer unge­wöhn­li­chen, positiven Einsam­keit erzählt. – Dunja Bialas
Sa., 27.06., Film­mu­seum, 20:00 Uhr und So., 28.06., Film­mu­seum, 22:30 Uhr

Annehmbar

Le père de mes enfants (Mia Hansen-Love) – Nouveau Cinéma Français
Die von uns so hoch­ge­schätzte Mia Hansen-Love (Fin août, début septembre) hat sich mit ihrer Hommage an den verstor­benen Pariser Film­pro­du­zenten Humbert Balsan (er produ­zierte u.a. Bela Tarr, Claire Denis oder Youssef Chahine) ein wenig verrannt. Nervig ist die Schil­de­rung des Milieus, das sich durch Dauer­te­le­fo­nate, Schnel­lig­keit und Hektik auszeichnet. Dennoch versucht der busy Produzent seinen beiden Töchtern ein guter Papa zu sein (hier liegt vor allem der Fokus der Erzählung). Nach seinem Suizid, der ungefähr in der Mitte des Films passiert, begleitet man dann die Trauer der Kinder und das langsame Heraus­kommen aus ihr. Dabei lenken jedoch die ewigen, typisch fran­zö­si­schen Blüm­chen­kleider und das restliche bürger­liche Ausstat­tungs­brim­bo­rium ganz schön von dem Erzählten ab. – Dunja Bialas
Fr., 03.07., Cinemaxx 3, 15:00 Uhr

Wegschauen

La nana (Sébastian Silva) – Visiones Latinas
Wer gerne über 90 Minuten herun­ter­hän­gende Mund­winkel sehen möchte, dem sei dieser Film angeraten, ansonsten empfiehlt es sich hier eher wegzu­sehen. Die »Nana« Raquel, also das Haus­mäd­chen, um das es hier geht, hat kein eigenes Leben, ist vertrocknet und Gefangene ihrer eigenen Regeln. Mürrisch setzt sie vor allem der ältesten Tochter des Hauses zu und vertreibt mit dem immer­glei­chen Trick ihre Nana-Konkur­ren­tinnen: Sie lockt sie vor die Haustür und schlägt dann ganz schnell die Tür hinter ihnen zu. Bumm! Gähn! Bis zum Ende hin darf man nicht erfahren, was diese Nana eigent­lich rumtreibt. Ein über­flüs­siger Film. – Dunja Bialas
Fr., 03.07., Cinemaxx 1, 14:45 Uhr

Blind­lings (Wolfgang Weigl) – Neue deutsche Kinofilme
Max fährt seine Ex-Freundin Eva gegen ihren Willen in eine Hütte im Wald, wo er sie zu einer Aussprache zwingen will. Unterwegs bleibt das Auto liegen und die beiden verirren sich im verschneiten Wald. Dort entwi­ckelt sich der Film von Wolfgang Weigl statt zu der erwar­teten Bezie­hungs­studie in einen Psycho­thriller, dessen Span­nungs­bogen so über­spannt wird, dass bald gar nichts mehr spannend ist. Die beiden Haupt­fi­guren des mit ohnehin nur drei Personen besetzten Films irren getrennt von einander im Wald umher. Dialoge fehlen. Sinn­bild­lich für ihre längst geschei­terte Beziehung? Die kalten, winter­li­chen Bilder, die anfangs noch ganz schön sind, lassen einen irgend­wann im wahrsten Sinne des Wortes kalt und man ist froh, wenn das Ganze dann irgend­wann ein (viel zu drama­ti­sches) Ende hat. – Lena Spel­len­berg
Mi., 1.7., Cinemaxx 4, 14:00 Uhr