67. Berlinale 2017
Kritikerpreis an libanesischen Film |
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A Feeling Greater Than Love | ||
(Foto: TRICONTINENTAL MEDIA) |
»Dies ist ein Film, der genaue Beobachtung und Sensibilität, multiple Perspektiven, sehr verschiedenes Bildmaterial, mehrere persönliche Geschichten und Schicksale zu einer kollektiven Geschichte eines Landes und einer Generation verbindet.
Voller Melancholie, ist er doch voller Hoffnung und der Sehnsucht nach einer besseren Zukunft.
Dokumentarisches Kinos im besten Sinn ist dies aufregend, spannend, ermutigend. Mary Jirmanus Saba gelingt ein sehr tapferer und
reifer Film, der seinem Publikum viel über die unbekannte Geschichte des Nahen Ostens erzählt.
Eine Suche ohne eine bestimmte Antwort, aber mit vielen Hinweisen und produktiven Fragen – ein Film, der nach Ende der Vorführung noch lange weiterlebt. Das Gefühl, das darin mitlebt, ist in de Tat ›größer als Liebe‹. Es ist ein Gefühl für Andere, für die Gesellschaft, für die Menschheit. Wir nennen es Politik.«
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Soweit die Begründung der internationalen Kritikerjury für den Preis der internationalen Filmkritik (FIPRESCI) im Internationalen Forum an A Feeling Greater Than Love (Shu'our akbar min el hob) von Mary Jirmanus Saba. Ich gehörte der Jury in diesem Jahr selber an, kann aber
mit Recht sagen, es war mein Wunschgewinner, und es war unter den Kollegen so gut wie keine Überzeugungsarbeit nötig.
Die einzige echte Entscheidung war die für einen Dokumentarfilm, gegen einen Spielfilm.
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In der Sektion »Wettbewerb« ging der Preis an On Body and Soul (Teströl és lélekröll) von Ildikó Enyedi: »...eine eigenwillige Liebesgeschichte, lyrisch und voller Humor, die sich allen gesellschaftlichen Konventionen widersetzt. Der Film beeindruckt uns mit seiner stilistischen
Feinsinnigkeit und Eloquenz, er zieht uns hinein in seine Freude am Leben und Lieben.«
In der Sektion »Panorama« ging der Preis an Pendular von Julia Murat: Pendular erhält den FIPRESCI-Preis in der Sektion Panorama für seine herausragende visuelle Qualität und seine erzählerische Kraft, die in einem präzisen Porträt zweier zeitgenössischer Künstler resultiert. Der Ausdruck der modernen und unerschrockenen Choreografie
menschlicher Beziehungen in der Geschichte verbindet sich vollkommen mit der ästhetischen und dramaturgischen Originalität des Films.
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»Seit 1992 sind die internationalen Filmorganisationen der evangelischen und der katholischen Kirchen – Interfilm und Signis – durch eine aus sechs Mitgliedern bestehende gemeinsame ökumenische Jury vertreten. Die Jury vergibt ihren Hauptpreis für einen Film aus dem Wettbewerb, sowie je einen mit 2.500 Euro dotierten Preis für einen Film aus der Sektion Panorama und aus dem Programm des Forums.
Die Jury ehrt mit den Preisen Filmschaffende, die in ihren
Filmen ein menschliches Verhalten oder Zeugnis zum Ausdruck bringen, das mit dem Evangelium in Einklang steht, oder die es in ihren Filmen schaffen, das Publikum für spirituelle, menschliche und soziale Werte zu sensibilisieren.«
Die Preisträger 2017: Teströl és lélekröl von Ildikó Enyedi, Lobende Erwähnung: Una Mujer Fanstatica von Sebastián Lelio; im Panorama Tahqiq Fel Djenna von Merzak Allouache, Lobende Erwähnung: I Am Not Your Negro von Raoul Peck; im Forum 2017: Maman Colonelle von Dieudo Hamadi, Lobende Erwähnung: El Mar La Mar von Joshua Bonnetta und J.P. Sniadecki
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Die beiden Kompagnon-Förderpreise Berlinale Talents und Perspektive Deutsches Kino für je ein neues Projekt gingen an Nora Fingscheidt, sowie an Levin Peter und Elsa Kremser. Die Preise sind mit 5.000 Euro dotiert.
Die Berlinale-Pressemitteilung erklärt weiter: »Die Initiative zielt dabei auf mehr als ›nur‹ das konkrete Filmprojekt. Neben einer Stärkung der künstlerischen Handschrift unterstützt das Mentorenprogramm die Preisträger*innen bei der
Vernetzung mit der Branche und bietet berufsbegleitende Coachings.«
Klingt ganz schön unkünstlerisch und industrienahe, als ob die armen Kinder jetzt auch mal lernen müssten, wie es in der richtigen Welt zugeht. Aber wir gratulieren trotzdem, denn die Filmemacher sind tatsächlich vielversprechend – und die Jury, bestehend aus den Filmemachern Feo Aladag, Sigrid Hoerner und Johannes Naber, wird es schon wissen.