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FLATZ - Endzeit auf der Praterinsel

lost generation



Tierähnliche Menschen mit verrohten Sitten auf zusammengeflickten Gefährten, nur noch auf der Suche nach dem letzten Treibstoff in einer Welt, die durch ihre Bewohner größtenteils entleert und zerstört wurde. Die Fortbewegung mit Maschinen als letzter Sinn und Zweck in der menschlichen Endzeit. So sehen die Szenarien in den uns schon lange bekannten und bereits wieder veralteten Mad Max-Filmen aus.
Doch daß die damals provokante Wirkung dieser schrecklichen Visionen immer noch greift, das zeigen die Arbeiten, die den Besucher im Hof der Praterinsel begrüßen. Das Fahrzeug mit dem Namen „Little Boy“ ist nach allen Seiten hin gepanzert, auch die Windschutzscheibe ist von einem gerasterten Blech überzogen, nur durch zwei Schlitze für die Sicht des Fahrers unterbrochen. Die Fahrerseite ist von Einschußlöchern durchsiebt. Gerade der Titel der Arbeit macht die Beklemmung aus, die sich noch weiter steigert, betritt man das Zelt daneben. Ein notdürftig aus Pfählen und schwarzem Tuch errichtetes Heim der „Lost Generation“, dessen Innenraum eine schäbige Matratze, einen martialisch aufgerüsteten Rollstuhl und zwei Motorräder beherbergt.
Die Bedürfnisse dieser „Lost generation“ scheinen auf die Fortbewegung mit erschaffenen Maschinen beschränkt zu sein und auf die rudimentären körperlichen Notwendigkeiten.

physical sculptures

Alle gezeigten Arbeiten stammen aus der Serie „Physical Sculptures“, die der Künstler 1991 begann und wie folgt erklärt: „Ich habe den Begriff gewählt, als Überbegriff für eine Werkgruppe von skulpturalen Arbeiten, wobei ich die englische Bezeichnung gewählt habe, weil es im deutschen keinen Begriff gibt, der beides abdeckt: nämlich einerseits Körper und Körperlichkeit und andererseits Physik oder physikalische Gesetzmäßigkeiten, ebenso wie Produkte, die der Mensch erzeugt. Einen berächtlichen Teil innerhalb der Serie bilden Maschinen. Die Objekte, die ich mit dem skulpturalen Begriff der Mobilität bezeichnen möchte, sind Objekte, die sich der Mensch als einen anderen Körper geschaffen hat, mit dem er seinen eigenen Körper noch einmal beschleunigen kann und verlängern in dem Sinne, daß er die Welt kürzer macht. Jede Maschine erfordert immer den Menschen, der direkt mit ihr umgeht, mit Ausnahme dort, wo der Mensch begonnen hat, die Maschinen oder den Körper zu ersetzen durch einen Micro-Chip. Das ist das, was mich interessiert am Ende des mechanischen Zeitalters, mich noch einmal mit diesen Dinosauriern auseinanderzusetzen, die mich letztlich auch geprägt haben.“

körper

Auch in den Ausstellungsräumen begegnen einem solche Dinosaurier. Hat man sich erst den Weg über Bücherberge und durch aufgehängte schwere Ledersäcke erkämpft, befindet man sich in einem Raum mit Foltergeräten ähnelnden Maschinerien, die man aus Fitneßstudios in chromglänzenden Ausfühungen kennt. Der Betrachter wird zum Akteur, er bedient die Maschinen, führt sinnlose gleichförmige Bewegungen aus, wird dadurch selbst zur Maschine und verschmilzt mit ihr. Die von Flatz und Olaf Gutbrod hergestellte Musik, agressive und repetitive Klänge, unterstreichen die äußerst bedrohliche Athmosphäre dieses Raumes, sowie der anderen.
Meist wird der Körper des Besuchers direkt in die Kunst von Flatz eingebunden, wird mit seinen Widerständen experimentiert. Die Überschreitung des Bücherbergs evoziert in ihm in erster Linie das Gefühl des Täters, der jedoch nicht ganz aus freien Stücken zum Täter wird. Boxt man sich durch die Ledersäcke, dominiert das Gefühl des Opfers.
Das „Fragment Frischluft“ besteht aus drei Ventilatoren, von denen einem zwei ins Gesicht blasen. Der dritte steht still und so kann man die Form der Ventilatorblätter erkennen: drei zusammnegesetzte Haken, fehlt nur der vierte und das Hakenkreuz wäre komplett. Man will in solchem Wind nicht stehen.
Doch auch des Künstlers eigene Haut wird nicht geschont. Er als „Physical Sculpture No.0“ läßt sich die Buchstaben dieses Titels in die Haut stechen, wie auf Fotos zu sehen ist. Der Körper als Skulptur, der Körper als austauschbare Nummer. Und dem Körper des Betrachters wird übel.

provokation



Flatz setzt den Rezipienten extremen Eindrücken aus, schockiert sie permanent aufs Neue. Der möglichen Ansicht, daß man in unserer heutigen, bilderüberspülten Welt nicht noch mehr Reize braucht, um Sensibilität zu entwickeln, setzt er entgegen: „Ich bin der Meinung, daß in der heutigen Zeit, die wesentlich durch Reizüberflutung geprägt ist, es ganz wichtig ist, Selektieren zu lernen, also Entscheidungen - qualitative Entscheidungen - zu treffen, welche Reize man aufnimmt und mit welchen man umgeht. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß ein starker Reiz - und das ist das Element, mit dem ich sehr viel arbeite -, das provokative Element, als Mittel eingesetzt, greift. Provokation der Provokation wegen interessiert mich nicht. Wenn aber eine Provokation etwas auszulösen imstande ist, ein Schock etwas auszulösen imstande ist, ein bestehendes Weltbild erschüttert, ein Bewußtsein ins Rollen bringt oder Irritation hervorruft, dann habe ich schon einen Ansatz oder einen Eingang zu jemandem gefunden.“

Iris Wehn

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