Scharf wie Chili |
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Música Campesina (Country Music), junge Jungs in jungem Kino |
Von Dunja Bialas
Chile ist irgendwie immer noch Pinochet, so stark hat er sich mit seiner Militärdiktatur, die von 1973 bis 1990 andauerte, in unser historisches Bewusstsein gesetzt. 17 Jahre Diktatur, das sind 17 Jahre Repression und für viele auch 17 Jahre Exil im zumeist europäischen Ausland. In dieser Zeit gab es kaum ein nennenswertes chilenisches Filmschaffen. Seit über 20 Jahren aber leben nun auch die kurz vor oder während der Diktatur Geborenen in demokratischen Verhältnissen, die chilenische Filmproduktion wurde reanimiert und die Zensur abgeschafft. Seit Ende der 90er ist es offensichtlich: Junge chilenischen Filmemacher melden sich mit der belebenden Schärfe ihrer Filme auf der kinematographischen Landkarte zurück.
Sieben Werke aus den letzten fünf Jahren zeigen nun die Lateinamerikanischen Filmtage eine Woche lang in München. Bis auf eine Ausnahme stammen sie alle aus der neuen Generation der Filmemacher. Die Ausnahme macht wie eine Erinnerungsklammer zwischen der Diktatur und dem heutigen Tag der altverdiente Dokumentarfilmmeister Patricio Guzmán, Jahrgang 1941, dessen poetisches Filmessay Nostalgia de la luz gezeigt wird. (So., 17.06., 19 Uhr und Do., 21.06., 21 Uhr)
Guzmán begann ein paar Jahre vor der Diktatur Filme zu machen, ungefähr zur Zeit, als der erste der Filmemacher der »neuen« Generation geboren wurde, Mitte der 60er Jahre. Denn das »junge« chilenische Kino wird von heute nicht mehr ganz jungen Filmemachern geprägt; die bei den Lateinamerikanischen Filmtagen präsentierten Regisseure sind schon weit
in den Dreißigern – ein Anzeichen für die retardierende Wirkung, die die Diktatur auf die Biographien der jetzt Erwachsenen hatte.
Vielleicht ist auch dies der Grund, weshalb viele der chilenischen Filme sich in einer seltsamen Art von vorsichtigem Atemstillstand aufhalten, der so stilprägend geworden ist. Wie der neue Film von José Luis Torres Leiva, der befreiend-bedrückende Verano, der auf dem Filmfest in München zu sehen sein wird, handelt auch Turistas von Alicia Scherson von einem Ausbruch während eines Sommerurlaubs. Die Protagonisten sind hier im besten Erwachsenenalter, Mitte Dreißig, und bereit, sich unter einer unerbittlichen Sonne die wichtigen und schwierigen Fragen des Lebens zu stellen. (So., 17.06., 21 Uhr und Di., 19.06., 19 Uhr)
199 recetas para ser feliz (199 Rezepte, um glücklich zu sein) von Andrés Waissbluth atmet eine ähnliche Atmosphäre. Der Film des 1975 im amerikanischen Exil Geborene spielt in der Sommerhitze Barcelonas. Ein junges Mädchen, das bei einem chilenischen Paar zu Besuch ist, bringt die geordneten Verhältnisse durcheinander. Wunden der Erinnerungen und Sehnsüchte der Begierde kommen an die Oberfläche. (Mo., 18.06., 21 Uhr und Mi., 20.06, 19 Uhr)
Alberto Fuguet, geboren 1964, Regisseur von Música Campesina (Country Music), ist Autor von fast fünfzehn Erzählbänden und gilt als begnadetester Dialogschreiber des südamerikanischen Kontinents. Geprägt hat er eine neue Richtung der Literatur, die »Nueva Narrativa Chilena«, die die Abkehr vom ewigen »Magischen Realismus« einläutete. Gespannt kann man sein, ob Fuguet, der vom »Time Magazine« zu einem der »fünfzig Leader des Kontinents im neuen Jahrtausend« gekürt wurde, auch erneuernd auf das immer noch junge Filmschaffen wirkt. Música Campesina immerhin wurde ohne Drehgenehmigung und mit Studenten in Nashville gedreht. Ein frischer, dokumentarischer Stil durchweht die Geschichte vom lonely heart Alejandro Tazo, der sich auf die Suche nach einem neuen Leben macht. (Sa., 16.06., 21:30 Uhr und Di., 19.06., 21 Uhr)
Alle Filme werden im Vortragssaal der Stadtbibliothek im Gasteig gezeigt. Eintritt 7 Euro / ermäßigt 5 Euro. Eröffnungsfilm Huacho – Ein Tag im Leben (ausführliche Besprechung hier): Eintritt 9,50 Euro / 7,50 Euro mit einem Vortrag von Dr. Verena Schmöller über das zeitgenössische Filmschaffens Chile. Weitere Informationen zur Veranstaltung und das Programm mit allen Filmen finden Sie hier.