Von der Sohle bis zur Spitze |
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Familienkapitalismus in Italien: Qualunquemente |
Von Dunja Bialas
Endlich kehrt Ruhe ein. Silvio Berlusconi, der seit 1994 mit seinen Skandalen und seiner ruinösen Politik Italien und die ganze Welt in Atem hielt, ist seit dem 27. November 2013 offiziell aus dem Senat ausgeschlossen und damit von der Bühne der Politik verbannt. Berlusconi verliert zwar seine politische Immunität, konnte sich aber als Politiker lange genug halten, um nicht hinter Gittern zu müssen: Er wurde rechtskräftig zur Steuerhinterziehung in Höhe von über 400 Millionen Euro verurteilt, ist jetzt aber mit 77 Jahren zu alt, um die Haftstrafe anzutreten. Pein genug für einen, der sein natürliches Alter nicht nur Minderjährigen gegenüber immer verleugnet hat.
Am hemmungslosen »Familienkapitalismus« Italiens (Süddeutsche Zeitung) sind auch andere große Familien zuletzt gescheitert. Nur die Mafia hält sich wacker. »'Ndrangheta« heißt sie in Kalabrien, dem Landstrich, der die Spitze des italienischen Stiefels bildet. Der in München ansässige Circolo Cento Fiori hat für seinen diesjährigen Regionenschwerpunkt Filme ausgesucht, die in Kalabrien und Basilikata spielen, also genau an Spitze und Sohle Italiens. Das alte Lied von der Mafia wollen sie aber mit ihrer Filmauswahl bewusst nicht noch einmal singen.
Denn jetzt kehrt wieder Ruhe ein. Endlich solle man sich wieder auf die Schönheit der Landschaft besinnen, sich an die einfachen Leute und kleinen Geschichte in der Regionen an Sohle und Spitze des italienischen Stiefels erinnern, so die Veranstalter. Eröffnet wird mit einem Film, der in der kargen Region Basilicata spielt. Der Turiner Schriftsteller, Maler und Arzt Carlo Levi wird 1935 wegen antifaschistischer Tätigkeit in das lukanische Bergnest Gagliano verbannt. Christus kam nur bis Eboli von 1979 beruht auf dem gleichnamigen Roman von Carlo Levi; der Titel spielt auf die Legende an, dass selbst Jesus durch die Kargheit der Landschaft abgehalten wurde, weiterzuwandern. (Do., 5.12., 19 Uhr)
Ein zwölfjähriger Junge aus Kalabrien hat es sich zur Aufgabe gemacht, als Langstreckenläufer bei den Weltjugendspielen in Rom 1960 teilzunehmen. Um seine Schuhe zu schonen trainiert er – fast schon Jesus-gleich – immer barfuß. Bis er bei den Olympischen Spielen einen äthiopischen Läufer entdeckt, der mit nackten Füßen Langstreckensiege erringt und er beschließt, es ihm gleich zu tun. Ein Junge aus Kalabrien von 1987 ist ein Lehrstück, bei Schwierigkeiten nicht gleich aufzugeben, sondern es erst noch auf unorthodoxem Wege zu versuchen. (Fr., 6.12., 19 Uhr)
Drei Filme aus den vergangenen Jahren zeigen, dass das Schalten und Walten Berlusconis auch thematisch nicht am Kino vorbeigegangen ist. In Qualunquemente von 2011 versucht Cetto La Qualunque, ein korrupter und skrupelloser Geschäftsmann in seiner kalabrischen Heimat mit Moral und Ordnung aufzuräumen – anders als dies gemeinhin verstanden wird. Um dies zu ändern, steigt er in die Politik ein, als Gegenkandidat zu einem Bürgerrechtsaktivisten, der sich für das Gemeinwohl einsetzt. Die Anspielungen zu Berlusconi sind unverkennbar. (Sa., 7.12., 20:30 Uhr)
Um einen Immobilienhai geht es in Aspromonte von 2012. Torquato Boatti steht vor dem Geschäft seines Lebens, braucht dazu nur noch die Unterschrift seines Bruders Marco, mit dem er sich zerstritten hat. Er fährt nach Kalabrien, um ihn aufzusuchen, doch sein Bruder verschwindet plötzlich. Auf der Suche nach ihm streift er durch das wilde Aspromonte. (So.,8.12., 18:00 Uhr)
Gänzlich unbeschwert geht es in Basilicata Coast to Coast aus dem Jahre 2010 zu. Regisseur Rocco Papaleo wollte die »poetische Leichtigkeit« Süditaliens feiern, wo er seine Jugend verbracht hat. Sein Film erzählt die Geschichte von vier Freunden, die zusammen in einer Schülerband spielten, und noch einmal aufbrechen, um ihr Glück bei einem Musikfestival in Scanzano Jonico zu versuchen. Zu Fuß werden sie den Apennin überqueren: von Küste zu Küste, Von der Sohle bis zur Spitze. (So., 8.12., 20:30 Uhr)