20.02.2003
53. Berlinale 2003

»Berlinale Dokumente«

Dream Cuisine
DREAM CUISINE
(Foto: Media Suits)

Dokumentarfilme des 53. Festivals

Von Nani Fux

Seit Dieter Kosslick die Leitung der Berlinale über­nommen hat weht ein Hauch von Hollywood über den Potsdamer Platz. Die frische Brise erfasste in diesem Jahr sogar den für seinen Glamour nicht eben berühmten Doku­men­tar­film.

»He is a hell of an actor«, sagte Regisseur Oliver Stone über den Star seines Doku­men­tar­films COMANDANTE. Das Interview-Porträt über Fidel Castro entpuppte sich als ein unter­halt­sames Treffen der Giganten, bei dem sich der eine im Ruhm des anderen sonnt. Einziger Wermuts­tropfen bei der Präsen­ta­tion im Berlin: Castro selbst ist nicht wie geplant zur Premiere erscheinen. In welt­po­li­ti­schen Krisen­zeiten bleibt ein Máximo Líder eben besser auf seiner Kari­bik­insel.

Fans selbst­iro­ni­scher Hong­kong­ac­tion hatten die Gele­gen­heit, ein Autogramm des Groß­meis­ters Jackie Chan zu ergattern. In TRACES OF THE DRAGON wechselt Chan aller­dings das Genre. Mabel Cheungs Doku­men­ta­tion über den Kung-Fu-Helden ist weit mehr als ein Star­por­trät. Durch die Rekon­struk­tion von Chans verlo­rener Vergan­gen­heit lüftet die Regis­seurin erstaun­liche Fami­li­en­ge­heim­nisse und zeigt die Wirrnisse der chine­si­schen Geschichte auf.

Den Sprung vom Spiel- zum Doku­men­tar­film hat in diesem Jahr auch Andreas Dresen gemacht. Während im vergan­genen Jahr sein gran­dioser HALBE TREPPE zu sehen war, hatte auf den Tag genau zwölf Monate später bereits der nächste Film von ihm Berlinale-Premiere: HERR WICHMANN VON DER CDU ist eine tragi­ko­mi­sche Don Quijo­terie über den Bundes­tags­wahl­kampf in der ostdeut­schen Provinz. »Da sieht man mal, wie schnell Filme­ma­chen gehen kann«, kommen­tierte der Regisseur sein unver­hofft frühes Berli­na­le­come­back. Die Einladung des erst kürzlich fürs Fernsehen fertig­ge­stellten Films zu den Fest­spielen kam in letzter Minute. Im Eiltempo stellte die Produk­ti­ons­firma Megaherz die Finan­zie­rung für die teure Kinokopie auf die Beine. Schönes Nachspiel der Tour de Force: Demnächst soll der Film bundes­weit in den Kinos anlaufen.

Neben den »Panorama Doku­menten« fand sich ein inter­na­tio­nales Doku-Angebot auch im Forum des Jungen Films. Stell­ver­tre­tend für viele sollen hier nur zwei genannt werden: Einen philo­so­phi­schen Streit der Koch­schulen zeigt die japa­ni­sche Produk­tion DREAM CUISINE von Li Ying. POWER TRIP hingegen führt nach Georgien, wo es ein ameri­ka­ni­scher Ener­gie­kon­zern nicht nur mit Millionen cleverer Strom­pi­raten sondern auch einem post­so­wje­ti­schem Dickicht aus Korrup­tion und Vettern­wirt­schaft zu tun bekommt.

Für alle Münchner, die die schönen Doku­men­ta­tionen nicht auf der Berlinale sehen konnten, gibt es einen kleinen Trost: Vom 1. bis zum 10. Mai ist wieder Dokfilm­woche in der bayri­schen Landes­haupt­stadt. Und da ist erfah­rungs­gemäß auch einiges zu sehen, was schon in Berlin begeis­tert hat.