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Ulrich
Karl Traugott Ferdinand Schulz
Der biologische
Kulturfilm
Die Gründung der wissenschaftlichen Filmabteilung für die Herstellung
von Filmen zur Belehrung, Aufklärung und Weiterbildung durch die
Ufa kann als die Geburtsstunde des biologischen Kulturfilms angesehen
werden. Trotz eines im Vergleich zum Ufa-Spielfilm bescheidenen Budgets,
gelang es dem Team um den Tierfilmer Ulrich K.T. Schulz in den 20er und
30er Jahren die Entwicklung der Aufnahmetechnik entscheidend weiterzubringen
und dem Tierfilm ein großes Publikum zu erschließen.
Am 9.1.1920 betrat Schulz mit großer Erwartung die Räume der
damaligen Kulturabteilung der Ufa in Berlin. Ein eigenes Atelier für
die Aufnahmen von Tieren und Pflanzen gab es natürlich nicht. Für
Aussenaufnahmen stand ein Balkon im 4. Stock und für Innenaufnahmen
eine ausgebaute Waschküche zur Verfügung. Man filmte mit einer
alten, vom Spielfilm "abgelegten" Erne-mann-A-Kamera mit Handkurbel.
Dennoch wurde der Hirschkäfer der erste berühmte "Filmstar"
in der Geschichte des deutschen biologischen Films und begründete
eine überraschende Erfolgsgeschichte dieses Genres.
Die 10-15
Minuten langen, feuilletonistisch bearbeiteten Kulturfilme liefen zwar
nur im Beiprogramm der Kinos, aber sie entwickelten sich, gerade bei biologischen
Inhalten, nicht selten zum heimlichen Hauptprogramm. Dabei hatte der biologische
Kulturfilm nicht den Anspruch, wissenschaftlich neue Gebiete zu erforschen,
sondern wollte die Erkenntnisse bekannter Wissenschaftler in unterhaltender
Form präsentieren. Im Mittelpunkt stand die Darstellung einzelner
Tierarten; Zusammenhänge oder Lebensräume wurden nur am Rande
thematisiert. Die Zuschauer hatten einen hohen Informationsbedarf und
sahen die unbekannten Details aus dem Leben der vorgestellten Tierarten
mit Neugier und Vergnügen.
So gelangen mit dem 1923 von U.K.T. Schulz und seinem Kameramann Paul
Krien konstruierten "Fernobjektiv" Filmaufnahmen von Rot- und
Dammwild. Eine mit der Firma Zeiss in Jena entwickelte mikroskopische
Filmapparatur ermöglichte Herta Jülich Aufnahmen von Kleinstlebewesen.
Allerdings hatten diese anfangs in der Wärmestrahlung der Leuchten
nur geringe Überlebenschancen. Neuartige Zeitraffer- und Zeitlupenaufnahmen
machten biologische Prozesse sichtbar, die die Zuschauer begeisterten.
Natürlich fand auch das erste Ufa-Tonfilmexperiment im Kulturfilm
statt: Der Film Gläserne Wundertiere hatte 1929 in Berlin Premiere.
Mit der Verbreitung des Tonfilms eröffneten sich neue Möglichkeiten.
Jetzt ließen sich Tierstimmen oder Texte synchron zum Bild abspielen.
Eine einschneidende Veränderung, denn bis dahin wurde das Abspielen
der Aufnahmen immer von den dazwischen geklebten erklärenden Titeln
unterbrochen. Bei schwierigen Themen machten diese Zwischentexte oft die
Hälfte der Filme aus. In den 30er Jahren begannen Kodak und Agfa
mit der Fertigung von Farbfilmen. Das bisher im biologischen Kulturfilm
verwendete s/w Material ließ die eindeutige Bestimmung von Tieren
nicht immer zu und verringerte auch den ästhetischen Reiz der Aufnahmen.
Der erste deutsche Farb-Ton-Kulturfilm Bunte Tierwelt setzte dann 1931
alles in Szene, was der Tierpark Hagenbeck an Attraktionen bieten konnte.
Das Tempo,
mit dem in dieser Zeit filmtechnische Innovationen im Kulturfilm ausprobiert
und im Spielfilm perfektioniert wurden, erscheint auch aus heutiger Sicht
atemberaubend. Der Alltag der Kulturfilmer erforderte neben dem improvisieren
und verbessern der optischen und akustischen Geräte auch das ständige
Suchen nach technischen Neuerungen. Mit jedem Fortschritt beim Filmmaterial,
der Entwicklung von leistungsfähigen Tele- und Makro-Objektiven,
Ton-, Zeitraffer- und Zeitlupeneinrichtungen etc. ließen sich neue
und ungewöhnliche Filmstoffe erschließen.
Aber wie auch immer die Tieraufnahmen gestaltet wurden, sie spiegelten
die Sicht des Filmers und blieben Inszenierungen seiner Vorstellungen
von den Tieren.
Tierfilme
als ideologische Projektionen
Der biologische Kulturfilm der Ufa hat sich in der Zeit der wachsenden
nationalsozialistischen Medienkontrolle vermutlich weniger propagandistisch
verändert, als es die biologistischen Bezüge in der nationalsozialistischen
Rassen- und Staatsideologie erwarten lassen. Das Ufa-Team um U.K.T. Schulz
produzierte weiter, und der gegenwärtige Forschungsstand lässt
bisher keine grundsätzliche Zäsur zur Weimarer Republik erkennen.
Dennoch zeigen sich in den Tierfilmen über die Insektenstaaten -
z.B. im Film Der Bienenstaat von 1937 - deutliche Parallelen zur NS-Propaganda,
insbesondere wenn die Bedeutung straffer Organisation und die Pflichten
jedes Einzelnen im ständigen Kampf gegen fremde Eindringlinge herausgestellt
werden. Vom biologischen Begriff der Lebensgemeinschaft zum Propagandabegriff
der Volksgemeinschaft war es dann nicht weit. Allerdings lassen auch Tierfilme
aus der Weimarer Zeit - z.B. der Film über den Hirschkäfer -
solche ideologischen Interpretationen zu.
In ihrer
Propaganda versuchten die Parteideologen von Anfang an, den Nationalsozialismus
als eine "biologisch begründete und biologisch denkende Weltanschauung"
darzustellen. Bestimmte - bei den Tieren beobachtete Verhaltensweisen
- wurden in Propaganda umgesetzt und zu einer Kampfansage gegen innere
und äußere Feinde umfunktioniert. Die Betonung des Kampfes,
der Auslese und des Überlebens stützte die Erziehung zur rassischen
Weltanschauung und sozialdarwinistische Sichtweisen erhielten darin ein
besonderes Gewicht.
Seit 1934
war jedes Filmtheater verpflichtet, einen Kulturfilm in seinem Beiprogramm
vorzuführen. Man förderte u.a. Filme, die den Deutschen Wald
ideologisierten und die Arbeit des Försters und Jägers zeigten.
Horst Siewerts Filmarbeit unterstützten z.B. der "Reichsbund
Deutsche Jägerschaft" und die Wildforschungsstätte am Werbellinsee.
1937 konnte im Rahmen der internationalen Jagdausstellung sein Film über
die Großtrappe und den Elch unter dem Titel Auf der Wildfährte
vorgeführt werden. Einzelne Sequenzen waren in den Schaugehegen der
Forschungsstätte "Deutsches Wild" entstanden, deren Leitung
Horst Siewert seit 1937 hatte.
Der Kulturfilm
wurde mit fortschreitenden Zuspitzung der politischen Lage immer mehr
als eine Art Heilquelle gesehen, aus der das Volk Kraft und Glauben für
den Alltag und die großen Ziele des Kampfes schöpfen sollte.
Dabei durfte allerdings auch die Unterhaltung nicht zu kurz kommen, zu
der die meist unpolitischen, oft auch lustigen Tierszenen bestens geeignet
waren. Zu seinem 25. Ufa- Jubiläum im Januar 1945 erhielt U.K.T.
Schulz Glückwünsche von höchster Stelle und noch im Frühjahr
1945 entstanden - u.a. mit den Mikroskopaufnahmen von Herta Jülich
- die Filme Unser täglich Brot und Der Karpfen. Die Produktion von
Kulturfilmen lief also bis zum Kriegsende.
From
Biological Culture Film to the Ufa Animal Film
The time of "biological culture film"- created by Ulrich K.T.
Schulz and his Ufa-Team- is at the same time the starting point for the
animal film. With plenty of new techniques like tele , macro, time lapse
and slow motion shots it was now possible to film also fast, shy and very
small animals. The spectrum of the exceptional cross section from the
Ufa production presented here, reaches from objective entertainment films
to films within a political context. The first culture film in German
cinemas, The Stag Beetle is followed by Animal Idyll in the City (1932).
Inventor Nature (1926/27) looks for analogies between human situations
of daily life and their counterparts in nature.
In Inspired Marriages (1930) added trick films shall enhance the entertainment
value. Colourful Animal World (1931) shows the first coloured shots from
Hagenbeck Zoo. Micro shots , done by Herta Jülich, are presented
in Secrets of Nature, featuring unicellular organisms in a pond, and also
in The Smallest in the Gulf of Naples (1938).
The North Sea coast is the setting for the film Camera Hunting Seals.
During the NS era, animal films were also used for political propaganda.
The Heritage by C. Hartmann (director) and Walter Lüddeke (author)
picks up where the The Stag Beetle ended and draws parallels between NS
race politics and the reproductive behaviour of animals. Social insects
like bees and ants were convenient to demonstrate the meaning of solidarity,
rational organisation and combative spirit.
The Bee State (1937) shows ideal virtues like order, togetherness and
purposefulness.
BIO-FILMOGRAPHIE
Ulrich Karl Traugott Ferdinand Schulz
1897 Geboren am 15. Dezember in Berlin
1919 Abschluß des Studiums der Zoologie, Botanik und Philosophie
an der HU/Berlin, Promotion
1920 Leiter der biologischen Abteilung der Ufa/Berlin
1921 Der Hirschkäfer, erster Kulturfilm im deutschen Kino
1929 Gläserne Wundertiere, erster deutscher Tonfilm
1931 Bunte Tierwelt, erster deutscher Farbfilm
1937 Der Bienenstaat
1946 wiss. Mitarbeiter des Russisch-Technischen Büros für Kinematographie
1947-49 Arbeit bei Kulturfilmfirmen/im Institut für Film und Bild
in Hamburg
1956 Autor und Regisseur bei der Roto-Film GmbH
1957 Regisseur/Leiter des Studios für populärwissenschaftliche
Filme der Defa zu Potsdam/Babelsberg
1983 Gestorben am 18. November in Potsdam
Die Zeit
des biologischen Kulturfilms ist zugleich eine Zeit der großen Veränderungen
im Tierfilm. Ulrich K.T. Schulz und seinem Ufa-Team gelang es mit einer
Fülle neuer Techniken wie Tele-, Makro-, Zeitraffer- und Zeitlupenaufnahmen,
auch schnelle, scheue Tiere und Kleinstlebewesen zu filmen. Die Bandbreite
des hier präsentierten außergewöhnlichen Querschnitts
aus der Ufa Produktion reicht vom sachlichen und unterhaltsamen bis zum
politisch eingesetzten Film.
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