HOME

16. internationales Dokumentarfilmfestival München 2001
Reihe: Das Tier im Blick

Tagesprogramme:
Fr 27.4. | Sa 28.4. | So 29.4. | Mo 30.4. | Di 1.5. | Mi 2.5. | Do 3.5. | Fr 4.5. | Sa 5.5. | So 6.5.
Filmreihen:
Alle Filme | Wettbewerb | Point of View | Das Tier im Blick | Neue Filme aus Bayern | Hommage an Boris Galanter | Land und Frieden (Palästina und Israel) | Europe in Shorts | Aspects of Future | LiteraVision 2001 | Kurzfilme | Special Screening


Alfred Machin | Hermann Hähnle | Jean Painlevé | Ulrich Karl Traugott Ferdinand Schulz | Hans Schomburgk | Hans Hass | Bernhard Grzimek | Eugen Schumacher | Heinz Sielmann | Horst Stern | Vierzig Jahre Tierfilm in der DDR

Ulrich Karl Traugott Ferdinand Schulz

Ulrich Karl Traugott Ferdinand Schulz

Der biologische Kulturfilm
Die Gründung der wissenschaftlichen Filmabteilung für die Herstellung von Filmen zur Belehrung, Aufklärung und Weiterbildung durch die Ufa kann als die Geburtsstunde des biologischen Kulturfilms angesehen werden. Trotz eines im Vergleich zum Ufa-Spielfilm bescheidenen Budgets, gelang es dem Team um den Tierfilmer Ulrich K.T. Schulz in den 20er und 30er Jahren die Entwicklung der Aufnahmetechnik entscheidend weiterzubringen und dem Tierfilm ein großes Publikum zu erschließen.
Am 9.1.1920 betrat Schulz mit großer Erwartung die Räume der damaligen Kulturabteilung der Ufa in Berlin. Ein eigenes Atelier für die Aufnahmen von Tieren und Pflanzen gab es natürlich nicht. Für Aussenaufnahmen stand ein Balkon im 4. Stock und für Innenaufnahmen eine ausgebaute Waschküche zur Verfügung. Man filmte mit einer alten, vom Spielfilm "abgelegten" Erne-mann-A-Kamera mit Handkurbel. Dennoch wurde der Hirschkäfer der erste berühmte "Filmstar" in der Geschichte des deutschen biologischen Films und begründete eine überraschende Erfolgsgeschichte dieses Genres.

Die 10-15 Minuten langen, feuilletonistisch bearbeiteten Kulturfilme liefen zwar nur im Beiprogramm der Kinos, aber sie entwickelten sich, gerade bei biologischen Inhalten, nicht selten zum heimlichen Hauptprogramm. Dabei hatte der biologische Kulturfilm nicht den Anspruch, wissenschaftlich neue Gebiete zu erforschen, sondern wollte die Erkenntnisse bekannter Wissenschaftler in unterhaltender Form präsentieren. Im Mittelpunkt stand die Darstellung einzelner Tierarten; Zusammenhänge oder Lebensräume wurden nur am Rande thematisiert. Die Zuschauer hatten einen hohen Informationsbedarf und sahen die unbekannten Details aus dem Leben der vorgestellten Tierarten mit Neugier und Vergnügen.
So gelangen mit dem 1923 von U.K.T. Schulz und seinem Kameramann Paul Krien konstruierten "Fernobjektiv" Filmaufnahmen von Rot- und Dammwild. Eine mit der Firma Zeiss in Jena entwickelte mikroskopische Filmapparatur ermöglichte Herta Jülich Aufnahmen von Kleinstlebewesen. Allerdings hatten diese anfangs in der Wärmestrahlung der Leuchten nur geringe Überlebenschancen. Neuartige Zeitraffer- und Zeitlupenaufnahmen machten biologische Prozesse sichtbar, die die Zuschauer begeisterten. Natürlich fand auch das erste Ufa-Tonfilmexperiment im Kulturfilm statt: Der Film Gläserne Wundertiere hatte 1929 in Berlin Premiere. Mit der Verbreitung des Tonfilms eröffneten sich neue Möglichkeiten. Jetzt ließen sich Tierstimmen oder Texte synchron zum Bild abspielen. Eine einschneidende Veränderung, denn bis dahin wurde das Abspielen der Aufnahmen immer von den dazwischen geklebten erklärenden Titeln unterbrochen. Bei schwierigen Themen machten diese Zwischentexte oft die Hälfte der Filme aus. In den 30er Jahren begannen Kodak und Agfa mit der Fertigung von Farbfilmen. Das bisher im biologischen Kulturfilm verwendete s/w Material ließ die eindeutige Bestimmung von Tieren nicht immer zu und verringerte auch den ästhetischen Reiz der Aufnahmen. Der erste deutsche Farb-Ton-Kulturfilm Bunte Tierwelt setzte dann 1931 alles in Szene, was der Tierpark Hagenbeck an Attraktionen bieten konnte.

Das Tempo, mit dem in dieser Zeit filmtechnische Innovationen im Kulturfilm ausprobiert und im Spielfilm perfektioniert wurden, erscheint auch aus heutiger Sicht atemberaubend. Der Alltag der Kulturfilmer erforderte neben dem improvisieren und verbessern der optischen und akustischen Geräte auch das ständige Suchen nach technischen Neuerungen. Mit jedem Fortschritt beim Filmmaterial, der Entwicklung von leistungsfähigen Tele- und Makro-Objektiven, Ton-, Zeitraffer- und Zeitlupeneinrichtungen etc. ließen sich neue und ungewöhnliche Filmstoffe erschließen.
Aber wie auch immer die Tieraufnahmen gestaltet wurden, sie spiegelten die Sicht des Filmers und blieben Inszenierungen seiner Vorstellungen von den Tieren.

Tierfilme als ideologische Projektionen
Der biologische Kulturfilm der Ufa hat sich in der Zeit der wachsenden nationalsozialistischen Medienkontrolle vermutlich weniger propagandistisch verändert, als es die biologistischen Bezüge in der nationalsozialistischen Rassen- und Staatsideologie erwarten lassen. Das Ufa-Team um U.K.T. Schulz produzierte weiter, und der gegenwärtige Forschungsstand lässt bisher keine grundsätzliche Zäsur zur Weimarer Republik erkennen. Dennoch zeigen sich in den Tierfilmen über die Insektenstaaten - z.B. im Film Der Bienenstaat von 1937 - deutliche Parallelen zur NS-Propaganda, insbesondere wenn die Bedeutung straffer Organisation und die Pflichten jedes Einzelnen im ständigen Kampf gegen fremde Eindringlinge herausgestellt werden. Vom biologischen Begriff der Lebensgemeinschaft zum Propagandabegriff der Volksgemeinschaft war es dann nicht weit. Allerdings lassen auch Tierfilme aus der Weimarer Zeit - z.B. der Film über den Hirschkäfer - solche ideologischen Interpretationen zu.

In ihrer Propaganda versuchten die Parteideologen von Anfang an, den Nationalsozialismus als eine "biologisch begründete und biologisch denkende Weltanschauung" darzustellen. Bestimmte - bei den Tieren beobachtete Verhaltensweisen - wurden in Propaganda umgesetzt und zu einer Kampfansage gegen innere und äußere Feinde umfunktioniert. Die Betonung des Kampfes, der Auslese und des Überlebens stützte die Erziehung zur rassischen Weltanschauung und sozialdarwinistische Sichtweisen erhielten darin ein besonderes Gewicht.

Seit 1934 war jedes Filmtheater verpflichtet, einen Kulturfilm in seinem Beiprogramm vorzuführen. Man förderte u.a. Filme, die den Deutschen Wald ideologisierten und die Arbeit des Försters und Jägers zeigten. Horst Siewerts Filmarbeit unterstützten z.B. der "Reichsbund Deutsche Jägerschaft" und die Wildforschungsstätte am Werbellinsee. 1937 konnte im Rahmen der internationalen Jagdausstellung sein Film über die Großtrappe und den Elch unter dem Titel Auf der Wildfährte vorgeführt werden. Einzelne Sequenzen waren in den Schaugehegen der Forschungsstätte "Deutsches Wild" entstanden, deren Leitung Horst Siewert seit 1937 hatte.

Der Kulturfilm wurde mit fortschreitenden Zuspitzung der politischen Lage immer mehr als eine Art Heilquelle gesehen, aus der das Volk Kraft und Glauben für den Alltag und die großen Ziele des Kampfes schöpfen sollte. Dabei durfte allerdings auch die Unterhaltung nicht zu kurz kommen, zu der die meist unpolitischen, oft auch lustigen Tierszenen bestens geeignet waren. Zu seinem 25. Ufa- Jubiläum im Januar 1945 erhielt U.K.T. Schulz Glückwünsche von höchster Stelle und noch im Frühjahr 1945 entstanden - u.a. mit den Mikroskopaufnahmen von Herta Jülich - die Filme Unser täglich Brot und Der Karpfen. Die Produktion von Kulturfilmen lief also bis zum Kriegsende.

From Biological Culture Film to the Ufa Animal Film
The time of "biological culture film"- created by Ulrich K.T. Schulz and his Ufa-Team- is at the same time the starting point for the animal film. With plenty of new techniques like tele , macro, time lapse and slow motion shots it was now possible to film also fast, shy and very small animals. The spectrum of the exceptional cross section from the Ufa production presented here, reaches from objective entertainment films to films within a political context. The first culture film in German cinemas, The Stag Beetle is followed by Animal Idyll in the City (1932). Inventor Nature (1926/27) looks for analogies between human situations of daily life and their counterparts in nature.
In Inspired Marriages (1930) added trick films shall enhance the entertainment value. Colourful Animal World (1931) shows the first coloured shots from Hagenbeck Zoo. Micro shots , done by Herta Jülich, are presented in Secrets of Nature, featuring unicellular organisms in a pond, and also in The Smallest in the Gulf of Naples (1938).
The North Sea coast is the setting for the film Camera Hunting Seals.
During the NS era, animal films were also used for political propaganda. The Heritage by C. Hartmann (director) and Walter Lüddeke (author) picks up where the The Stag Beetle ended and draws parallels between NS race politics and the reproductive behaviour of animals. Social insects like bees and ants were convenient to demonstrate the meaning of solidarity, rational organisation and combative spirit.
The Bee State (1937) shows ideal virtues like order, togetherness and purposefulness.

BIO-FILMOGRAPHIE
Ulrich Karl Traugott Ferdinand Schulz
1897 Geboren am 15. Dezember in Berlin
1919 Abschluß des Studiums der Zoologie, Botanik und Philosophie an der HU/Berlin, Promotion
1920 Leiter der biologischen Abteilung der Ufa/Berlin
1921 Der Hirschkäfer, erster Kulturfilm im deutschen Kino
1929 Gläserne Wundertiere, erster deutscher Tonfilm
1931 Bunte Tierwelt, erster deutscher Farbfilm
1937 Der Bienenstaat
1946 wiss. Mitarbeiter des Russisch-Technischen Büros für Kinematographie
1947-49 Arbeit bei Kulturfilmfirmen/im Institut für Film und Bild in Hamburg
1956 Autor und Regisseur bei der Roto-Film GmbH
1957 Regisseur/Leiter des Studios für populärwissenschaftliche Filme der Defa zu Potsdam/Babelsberg
1983 Gestorben am 18. November in Potsdam

Die Zeit des biologischen Kulturfilms ist zugleich eine Zeit der großen Veränderungen im Tierfilm. Ulrich K.T. Schulz und seinem Ufa-Team gelang es mit einer Fülle neuer Techniken wie Tele-, Makro-, Zeitraffer- und Zeitlupenaufnahmen, auch schnelle, scheue Tiere und Kleinstlebewesen zu filmen. Die Bandbreite des hier präsentierten außergewöhnlichen Querschnitts aus der Ufa Produktion reicht vom sachlichen und unterhaltsamen bis zum politisch eingesetzten Film.

Tierfilme bei der UFA Tierfilme bei der UFA FILMMUSEUM
Di. 1.5., 17:30
website: artechock