Die Welt ist nicht gerecht |
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Selbstjustiz ist auch eine Lösung: Unfair World |
Von Dunja Bialas
Auch heute war wieder »Rembetiko« auf dem Syntagmata-Platz in Athen. Mit Wut und Feuer wurde gegen das unglaubliche Sparprogramm demonstriert, dass die Regierung auf Kosten der Bevölkerung zur Staatssanierung durchsetzen wird. »Rembetiko«: Das ist in diesem Zusammenhang sehr flapsig formuliert. Der bekannteste Exportschlager Griechenlands aber zeugt von einer Subkultur, die in den 60er Jahren zu einzigartiger Popularität gelangte und von einer Bevölkerungsgruppe zeugte, die, von ihrer ursprünglichen Heimat in Kleinasien vertrieben, in Armut und Perspektivlosigkeit lebte. Musik als Identitätsstiftung: Rembetiko von 1983 zeigt dies, basierend auf der Lebensgeschichte der Sängerin Marika Ninou. Jetzt wird der Filmklassiker bei der 26. Griechischen Filmwoche wiederaufgeführt. (Fr., 16.11., 20:00 Uhr, Gasteig)
Im Programm der diesjährigen Griechischen Filmwoche ist eine gewisse Ratlosigkeit aufzuspüren. Kann man über die gegenwärtige Politik sprechen, ohne dass sich das Problem ergibt, wie die Programmmacher meinen, »dass man nicht mehr willens ist, über die Position auch des Anderen zu reflektieren«. Unsere Position, eure Position. Bei so viel Ausgewogenheit bleibt natürlich eins auf der Strecke: die klare Stellungnahme, die auch mal provoziert.
Griechenland hat in den letzten Jahren eine neue Generation an Filmemachern hervorgebracht, die das Land zu den Lieblingen unter den Kritikern und Festivalbesuchern gemacht hat. Von einem neuen Filmland war gar die Rede, und von dem neuen griechischen Kino – das übrigens auch wie das junge türkische Kino – eine ganz eigene Sprachlichkeit hervorgebracht hat. Dogtooth, Attenberg und jüngst L, Filme um Namen wie Yorgos Lanthimos oder Athina Rachel Tsangari sorgen derzeit international für Furore und werden mit ihren spröden Filmen interpretiert als Vorboten oder Interpreten der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krise, in der sich ihr Heimatland befindet.
Die Griechische Filmwoche setzt da lieber auf bewährte Themen oder Stimmungen. Wie zum Beispiel die Migration, auch um den »Akt der kulturellen Verständigung« zu erbringen und »Stimme der Vernunft« zu sein, die gemeinsame (deutsch-griechische) Geschichte im Blick. In Töchter des Aufbruchs werden die Geschichte von Migrantinnen erzählt, die als Gastarbeiterinnen in den 60er Jahren nach Deutschland kamen erzählt – aus der temporeichen Perspektive der Rapperin Ebow. (So., 11.11., 11:00 Uhr)
Der Eröffnungsfilm Unfair World erzählt im weistesten Sinne die Geschichte einer gutgemeinten Selbstjustiz. Der Kriminalbeamte Sotiris, der nicht mehr zusehen will, wie die Welt ungerecht ist, beschließt, fortan selbst zu bestimmen, wer als freier (aber nicht unbedingt unschuldiger) Mann gehen darf, und wer in den Knast soll. Eine Kriminalstory auf höchstem Niveau, die durchaus auch metaphorisch auf den aktuellen Zustand der griechischen Gesellschaft verstanden werden kann.
Beamte und Politiker haben in Griechenland nicht den besten Leumund. Die Wahl als Gesundheitsminister kann sich so nur als Komödie inszenieren, ist sie ja im wirklichen Leben bereits eine Farce. In Lügner gesucht muss Ferekis allerhand Gefälligkeiten managen, die den Weg zu seiner Wahl pflastern; der flunkernde Parlas steht ihm dabei zur Seite – bis er über die kurzen Beine seiner Lügen zu stolpern droht. Lügner gesucht (Sa., 10.11., 18:00 Uhr und Mi. 14.11., 20:00 Uhr, Gasteig)
Die 26 Griechische Filmwoche findet statt vom 09.11.-18.11.2012 im Vortragssaal des Gasteig in München.