60. Berlinale 2010
Der Berlinale-Selbstversuch, oder: Festival der einsamen Männerherzen |
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Einsame Männer in How I Ended This Summer | ||
(Foto: fugu Filmverleih) |
Von Thomas Willmann
Okay, ich geb’s zu, es war ein bisschen feige. So, als würde man über Kohlen laufen, die nicht angezündet sind. Aber jedenfalls: Ich hatte den Entschluss gefasst, diesmal so viele Wettbewerbsfilme zu schauen wie ich aushalte. Eine wirkliche Mut- und Durchhalteprobe war das aber gar nicht. Ja, in manch vergangenem Jahr hätte das geradezu übermenschliches Cineastentum erfordert. Da herrschte unter jenen, die beruflich zu diesem Kino-Kraftakt verpflichtet waren, oft ein Heulen und Zähneklappern, da konnte man diesen Kollegen zusehen, wie sie von Tag zu Tag aschener und hoffnungsloser der Suizidgefahr ein Stück näher rückten und hoffte inständig, dass ihre Redaktionen für eine Post-Festival Traumatherapie aufkommen würden.
Doch in diesem mirakulösen 60. Jahrgang trieb mich nicht feuilletonistischer Heldenmut oder kulturkritischer Masochismus zu meiner Entscheidung. Sondern die überraschende Tatsache, dass der Wettbewerb diesmal tatsächlich als interessanteste Reihe anmutete.
Ein bisschen sekundieren dabei freilich die übrigen Reihen durch strategisch opportunes Schwächeln: Das Forum scheint mir – einige große Entdeckungen unbenommen – auf seiner Suche nach dem
Anspruchsvollen, Abgelegenen mittlerweile ein bisschen zu oft das bloß Anstrengende aufzuspüren. Filme, in denen krankhaft übersteigerter Kunstwillen in Tateinheit mit pathologisch unterentwickelten Gestaltungsvermögen anzutreffen ist. (Filme wie Eine Flexible Frau, dem ich nach tapfer-pflichtschuldig erduldeten 20 Minuten in gegeinseitigem Einvernehmen die
Weiterschaubereitschaft kündigen musste.)
Das Panorama hingegen sollte langsam so ehrlich sein, sich in »Fokus Schwulenfilm« umzubenennen. Da hat man inzwischen leider zu regelmäßig das Gefühl, dass etliche Filme nicht aus qualitativen sondern bloß aus thematischen Gründen ausgewählt wurden. Es wäre ja prinzipiell gegen eine dezidierte (aber hoffentlich filmisch überzeugendere) Gay Cinema-Reihe auf der Berlinale gar nichts einzuwenden – wenn die
nicht zu Lasten des Rundblicks auf das Weltkino ginge. Inzwischen hat diese Funktion ein Stück weit die Sektion Generation 14plus aufgefangen. Nominell ist die für Jugendfilme gedacht, doch in den letzten Jahren hat sich hier wieder und wieder das größte, begeisterndste Kino versteckt. Hier liefen beispielsweise Tarsem Singhs The Fall oder der phänomenale
australische Animationsfilm Mary & Max.
Vor allem aber hat sich die Berlinale zum 60. eine Retrospektive auf die eigene Film-Geschichte geschenkt, die zwar an sich sehr schön war – die aber den, wie man’s nimmt, Vor- oder Nachteil hatte, dass man als geübter Cineast so ziemlich alle dort gezeigten Meisterwerke zumeist sogar schon mehrfach gesehen hat. Wo also in vergangenen Jahren oft galt »Retro first!«, da blieb diesmal viel Luft für alles andere.
Und so also das Gefühl: Die Gelegenheit ist günstig wie nie – diesmal muss es sein, diesmal versuche ich mich im Selbstversuch an einer möglichst kompletten Wettbewerbsdiät. Wobei ich mir die erste Auszeit vom Vorsatz gleich ganz zu Beginn nehmen musste, weil Metropolis mit Live-Orchester dann doch wichtiger war als Howl und der neue Polanski, dessen regulärer Kinostart ohnehin unmittelbar bevorstand.
Und einen bedenklichen Nebeneffekt meiner Aktion muss ich freilich eingestehen: Der Kreis der potentiellen Gewinner eines goldenen Bären war dieses Jahr kleiner denn je – denn traditionell kann immer nur ein Film gewinnen, den ich nicht gesehen habe. Und das ließ neben Howl und The Ghost Writer nur noch Der Räuber, Bal, Na putu, Jud Süss – Film ohne Gewissen, Rompecabezas und En familie übrig. Schade eigentlich, dass ich mein untrügliches Insider-Wissen nicht im nächsten Wettbüro in bare Münze umgesetzt habe. Denn offensichtlich handelt es sich hier inzwischen um ein Naturgesetz: Der Goldene Bär für Bal beweist, dass die Regel »Der Willmann darf den Gewinner nicht gesehen haben« sogar die Vorschrift »Der Kritikerfavorit ist nie der Juryfavorit« außer Kraft setzt!
Das Interessanteste an einem solchen Selbstversuch sind selbstverständlich jene Filme, um die man unter normalen Umständen einen mehr oder minder großen Bogen gemacht hätte. Um dann herauszufinden: Positive Überraschung oder Strafe für den Leichtsinn? Also quasi eine experimentelle Überprüfung der eigenen Vorurteile. Und um’s vorwegzunehmen: Die Vorurteile schlugen sich ganz wacker – aber keineswegs unfehlbar.
Die in meinen Augen größte Zumutung im Wettbewerb jedenfalls war auch genau jener eine Film, den ich mir ohne die übergeordnete Versuchsanordnung am allerwenigsten angeschaut hätte: Ein deutscher Erstlingsfilm in der morgendlichen 9 Uhr-Schiene, eine ZDF-Fernsehspiel-Koproduktion, ein Episodenfilm über junge Muslime in Berlin – Shahada. Der erwies sich als fast unerträglich konzeptüberladen: Eines jener Kunstwerke, bei denen erstmal die »Botschaft« ausgeheckt wurde, die es transportieren soll, um ihr dann alles andere unterzuordnen. Der Film will was über die Welt sagen, aber er kann dann kaum einen Hauch von wahrer Welt mehr zulassen in seinem Thesengebäude. Und damit nicht genug: Mit dem dicken Schöpflöffel wird dann noch ganz tief in den Symboltopf getunkt und über alles schwerer Bedeutungsrahm gegossen, von den religiös aufgeladenen Kapitelüberschriften bis zum apokalyptischen Bluthagel. Das Ganze ist ziemlich exakt Crash (der von Haggis, nicht von Cronenberg) mit Islam statt Rassismus als »Thema« und Berlin statt L.A. als Kulisse. (Und – falls es Leser geben sollte, die Oscars für Qualitätssiegel halten – das ist alles andere als ein Kompliment.)
Es wäre aber verfehlt, arg zornig über den Film herzuziehen – den Ärger haben sich eher die Berlinale-Verantwortlichen verdient. Denn die haben Shahada wirklich keinen Gefallen getan, indem sie ihn in den Wettbewerb steckten. Das war – sorry! – ein rechter Bärendienst. Klar, da hatte der Hauptsponsor ZDF garantiert ein Wörtchen mitzureden, und die Hauptstadt will auch lokale Talente pushen. Aber man sollte grade mit solch jungen Talenten etwas verantwortungsvoller, behutsamer umgehen. Denn man kann Debütanten auch schaden, wenn man sie zu früh in die zu große Arena schickt. Wenn die Programmverantwortlichen nicht ganz taub und blind sind, dann muss ihnen offensichtlich gewesen sein, dass Burhan Qurbanis Hochschul-Abschlussfilm noch nicht reif ist für die internationale Liga und er bei der versammelten Kritik auf wenig Gegenliebe stoßen würde. In einem anderen Rahmen wären viele seiner Schwächen durchaus lässlich gewesen – Qurbani ist ja nicht der erste Jungfilmer, der beim Debut einfach zu viel will, der sein Werk unter einem Anspruch erstickt, den er gestalterisch nicht einlösen kann. Ein bisschen mehr Erfahrung, Gelassenheit, und er hätte vielleicht gemerkt, dass mindestens eine der drei parallelen Geschichten schlicht zuviel ist, er hätte vielleicht den Figuren mehr eigenen Willen gelassen, hätte die forcierten Zufalls-Beziehungsbande des Personals gelockert. Aber wer mit Roman Polanski, Zhang Yimou, Michael Winterbottom in den Wettbewerb geschickt wird, muss sich auch auf diesem Niveau messen lassen. Und da konnte Shahada nur verlieren, da hat das Festival einen Jungregisseur ins offene Messer laufen lassen.
Der Islam war übrigens eins der großen Themen auf der diesjährigen Berlinale – und eigentlich der überzeugendste Beitrag dazu war My Name Is Khan, der neueste Ausflug des Bollywood-Überstars Shah Rukh Khan ins Message-Melodram. Der Film zeigte, wie man das mit dem Überladen richtig macht: Ist die erste Hälfte noch ziemlich Hollywood-domestiziert und enttäuschend einheitlich und gradlinig erzählt, und verzichtet der Film als Anbiederung an den westlichen Markt sogar auf richtige Musical-Nummern, so schlägt in der zweiten Hälfte dann doch sein indisches Herz durch und die Nebenhandlungen, die tränendrüsenwringende Tragik, die tröstenden Albernheiten, die kitschigen Übertreibungen, all das darf wuchern und überreif werden. Und es gibt einen Moment in einer US-Südstaatenkirche, da stimmt Khan – ein Rain Man-ähnlicher Asperger-Patient – mit einer Gemeinde dicker Afroamerikaner gemeinsam We Shall Overcome an. Und da hält man’s entweder nicht mehr aus und geht raus, oder man streckt die Waffen und lässt sich überwältigen – getreu dem Motto dass ein Klischee furchtbar ist, tausend Klischees auf einmal aber irgendwann wieder großartig sind und es auch sowas gibt wie eine Transzendenz des Kitsches. So wie die »Botschaft« des Films – ein »An ihren Taten sollt ihr sie erkennen«-artiges »Gute Menschen tun Gutes, böse Menschen Böses,« die Religion ist egal – ja zugleich eine Stickkissen-Platitüde ist und eine tiefe Wahrheit. Und wenn dann am Ende sogar noch ein Obama-Double auftritt, dann darf man nicht nur staunen, wieviel die Kairo-Rede doch offenbar in der gemäßigten muslimischen Welt bewegt hat. Sondern man kann auch mal wieder feststellen: Wenn das Unterhaltungskino schon politisch und moralisch werden will, dann bitte nur mit soviel Schmackes und Schamlosigkeit, wie Bollywood es sich noch traut.
Aber wo wir’s grad von Filmen mit einer Botschaft haben: Es war dann doch gut, dass ich mir Caterpillar angeschaut habe. Sonst hätte ich womöglich noch eine Dummheit begangen. Ganz knapp war ich davor, für Kaiser, Ehre und Vaterland in den Krieg zu ziehen, weil ich dachte, das ist bestimmt eine Fetzengaudi und heldenhaft noch dazu. Aber da kam das neue Werk von Koji Wakamatsu noch grade rechtzeitig.
Wakamatsu wurde bereits bei der letzten Berlinale eine kleine Werkschau gewidmet, und man kann ihn als eine Art Altmeister des japanischen Films bezeichnen – nur, ehrlich gesagt, ohne den »Meister«-Teil. Caterpillar handelt von einem Nippon-Soldaten des Zweiten Weltkriegs, der das auch geglaubt hat mit der Fetzengaudi. Was sich auch quasi bewahrheitet hat, nur eindeutig ohne den »Gaudi«-Teil. Der Mann kehrt in sein Heimatdorf, zu seiner Frau zurück, Arme und Beine aber hat er auf dem Schlachtfeld gelassen. Drum die »Raupe« des Titels.
Hätte der Film nicht die Ästhetik des Freizeit-Videoprojekts eines talentierten Amateurtheaters, wäre durchaus der Aspekt interessant gewesen, wie die Frau des Soldaten – gleichsam eine Gliedmaßen-Witwe – nun damit umgeht, wie ihr eins so dominanter Gatte ihr hilflos ausgeliefert ist und wie das Verhältnis ihrer Körper (auch sexuell) ganz neu verhandelt wird. Aber der Film hat ja eine viel wichtigere Botschaft. Denn man stelle sich vor: Der Zweite Weltkrieg war gar keine Gaudi! Da sind fei ganz, ganz viele Menschen umgekommen. Und die Soldaten waren auch nicht alle Helden, sondern manche haben ganz böse Dinge getan. Und das mit dem Heldentum, das hätte man dem Kaiser gar nicht so blind glauben dürfen!
Welch Glück, dass es furchtlose Filmemacher wie Wakamatsu gibt, die das jetzt 2010 – wann wäre es je dringlicher gewesen! – schonungslos aufdecken. Und die sich da zur Sicherheit auch gar nicht zu sehr verkünsteln; die da nicht die Gefahr eingehen, dass das Publikum die zu seiner Belehrung konstruierte Geschichte vielleicht doch missversteht. Nein, mehrere Minuten von über Dokumentaraufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg eingeblendete Schrifttafeln müssen es sein am Ende! Wo dann explizit steht, wieviele Menschen umkamen im Zweiten Weltkrieg. Wo man dann schon mal schluckt und sagt: Pardauz, das wusste ich nicht! Tote, im Zweiten Weltkrieg – das muss man sich mal vorstellen! Und wo man dann sehen UND lesen kann, dass Atombomben abgeworfen wurden. Über Hiroshima. Und Nagasaki. Mit noch mehr Toten. Atombomben! Hätten Sie das gewusst? Eben. Gut, dass das jetzt endlich mal ans Licht kam. Das durfte nicht länger verschwiegen werden.
Wenn Caterpillar dann aber doch mit einem silbernen Meister Petz nach Hause gegangen ist, dann lag das vermutlich weder daran, dass die Jury die Darstellerleistung von Shinobu Terajima wirklich derart überragend fand, noch daran, dass sie die Professionalität der Schauspielerin in einem eher amateurhaften Umfeld belohnen wollte. Nein, es muss schlicht der Mangel an Alternativen gewesen sein: Denn der diesjährige Wettbewerb war fast eine reine Männerveranstaltung.
Ja, es gab auch starke Frauenfiguren – diese aber fast ausschließlich in den außer Konkurrenz angetretenen Filmen. Ansonsten war es tiefst verblüffend, wie alleine all die Männer durch die Welten dieses Wettbewerbsjahrgangs stapften. Paradigmatisch mag man dafür den iranischen Beitrag Shekarchi / The Hunter und den russischen Kak ya provel etim letom / How I Ended This Summer nehmen: Im einen verliert der Protagonist sehr früh im Film Frau und Kind und streicht dann als einsamer (Menschen-)Jäger durch die Stadthügel in und Wälder um Teheran. Im anderen sitzen zwei Männer, ohnehin vom Rest der Menschheit isoliert, in einer arktischen Wetterstation, aber nicht einmal die Ferne der Familie des Älteren scheint zu genügen: Auch hier rafft bald ein Unglück Weib und Nachkomme dahin. Was hier allerdings unsichtbar bleibt – und es ist genau die aus einer seltsamen Furcht nicht an den Schicksalsgeschlagenen weiterübermittelte Botschaft, welche eine beinahe tödliche Eskalation in Gang setzt.
Beides sind sehr methodische, strenge Filme: Rafi Pitts Werk hat mich stark an Bresson erinnert, an Un condamné à mort s'est échappé etwa – doch was ihn latent nervig machte waren die offensichtlich allegorischen Untertöne. Der Film beginnt gleich mit einer Fotografie aus den ‘80er Jahren von Basidj oder Revolutionsgarden (leider fehlt eine explizite Angabe) auf Motorrädern vor einer auf den Boden gemalten US-Flagge. Und es ist schon klar, dass die Auseinandersetzung des Protagonisten mit der Polizei etwas über die Staatsmacht im jetzigen Iran sagen soll. Bloß: Das Publikum, das genug Ahnung hat, um die an der Zensur vorbeigeschmuggelte Botschaft zu entschlüsseln, wird den Film wohl entweder doch eh nicht zu Gesicht bekommen, oder es weiß ohnehin schon alles vorher, was Pitts zu sagen hat. Und für alle anderen ist die Sache zu enigmatisch – aber eben durch die spürbare Bedeutungsbefrachtung als Geschichte an sich nicht mehr stimmig genug.
Da war How I Ended This Summer schon ein anderes Kaliber – der erinnerte mich in seinen besten Momenten an Gus van Sants »Männer verlieren sich in Landschaft«-Meisterwerk Gerry. Und er ist gewiss auch ein Film, der nochmal gewinnen wird, wenn er mit seiner erbarmungslosen Strenge und Ruhe einem als einziger Film an einem Tag begegnet und nicht inmitten eines Festivals voller langsamer, ruhiger Filme.
Das waren aber nur zwei Beispielen von in fast beliebiger Menge aufzählbaren Wettbewerbs-Filmen über Männer, die ganz allein oder ausschließlich unter anderen Männern durch die Lande streifen. Männer, deren Frauen abwesend oder tot sind oder die nie welche hatten. Männer, deren katastrophale Mütter sie ohnehin schon von Anfang an verkorkst und für eine gesunde Beziehung zum anderen Geschlecht unfähig gemacht haben. Verblüffend war dabei vor allem auch, wie selten in diesen Filmen überhaupt noch die Liebe gesucht wurde. Wie sehr sich viele dieser Männerfiguren mit ihrer Einsamkeit arrangiert zu haben schienen, oder sogar zufrieden mit ihr. Und wie regelmäßig die dennoch unternommenen Versuche einer Kontaktaufnahme dann mit misshandelten oder, öfter noch, toten Frauen endeten. Und wo die Leiber zueinander fanden, da war auch das meist unangenehm oder freudlos: Wohl noch nie gab es so viele absichtlich unerotische, peinvoll-peinliche Sexszenen in einem Wettbewerbsjahrgang wie in diesem.
Ich weiß nicht, was das über den Zustand der Welt, des derzeitigen Kinos oder der Berlinale sagt. Und es ist einem während des Festivals gar nicht so extrem aufgefallen wie nun im Rückblick, weil es eben dazwischen immer wieder Filme außer Konkurrenz gab, in denen Frauen sehr präsent waren: Ein Please Give mit Catherine Keener, Rebecca Hall und Amanda Peet, ein The Kids Are All Right mit Julianne Moore und Anette Benning als lesbisches Mütterpaar wiegen freilich schnell einen ganzen Kinotag voll einsamer Männer auf. Wobei auch da interessant war, dass hier umgekehrt die Männer eher zu Randfiguren wurden, die Frauen die wesentlichen Dinge unter sich ausmachten.
Und all das eben nicht im Sinne einer großen Thematisierung der angeblichen fundamentalen Gräben zwischen den Geschlechtern. (Die in Wahrheit ja immer nur Gräben zwischen Individuen sind – nicht Mann passt schlecht zu Frau, sondern der Mensch passt schlecht zum anderen Menschen.) Sehr viele dieser Filme zeigten diese seltsame Geschlechtertrennung, diese fehlende Aussicht auf Fruchtbarkeit, nicht mehr als lebendigen Konflikt, sondern als fundamentale Ausgangssituation.
Vielleicht erlebten wir hier die Asche des alten Klischees von der Paarstiftung als alles gut machende Utopie am Ende fast jeder Geschichte. Vielleicht ist dieses Modell inzwischen wirklich ziemlich ver- und ausgebrannt. Aber andererseits gibt Asche ja auch einen fruchtbaren Boden. Und da, wo die Filme dieser Berlinale wahre Liebe zuließen in ihrer Welt, da war es dann als zartes Pflänzchen Hoffnung, als wunderbarer, fragiler Möglichkeit statt vorbestimmter Gewissheit. Und das hatte den Vorteil, dass man diese Art von Kino-Liebe auch tatsächlich glauben konnte.