72. Filmfestspiele Cannes 2019
Cannes On Speed 08: Der Verräter |
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Il Traditore von Marco Bellocchio | ||
(Foto: Pandora) |
Eine großartige Szene eröffnet den Film: Eine Mafia-Feier, die in ihrer Opulenz wie in ihren Folkloreelementen an den Anfang von Francis Ford Coppolas The Godfather erinnert. Dann geht die Hauptfigur erstmal nach Brasilien, um am Strand von Rio das Leben zu genießen. Das wird nicht lange dauern, und nachdem Tommaso Buscetta kurzzeitig in Brasilien nach allen Regeln der (Folter-)Kunst
verhört wird, kommt er nach Hause, um in Rom zum Kronzeugen gegen die »Cosa Nostra« zu werden.
»Die Mafia gibt es nicht« erklärt er schlüssig im Verhör. Und »Die Cosa Nostra weiß, wie man wartet.« Was für ein Mann, was f ür ein Leben!
Dies ist ein im allerbesten Sinne altmodischer und auch ein sehr purer Film. Marco Bellocchio, der italienische Altmeister erzählt in »Il Traditore« von Tommaso Buscetta, dem wichtigsten »Penditi« der 80er Jahre. Und damit auch von Giovanni Falcone, dem Mafiajäger, der 1992 vom Corleone-Clan umgebracht wurde. Dies ist ein Film, der in seiner klaren Erzählweise, an italienische und französische Polizeithriller der 70er Jahre erinnert. Aber damit eben auch überaus effizient.
Bellocchios Sicht auf die Dinge ist illusionslos, existentialistisch angehaucht und dabei fast zärtlich intim in seiner offenen Sympathie für Buscetta. Zuviel Sympathie? Keineswegs. Denn ohne diesen Mann wäre Falcone nicht zum Held geworden, und das Charisma Buscettas ist in dem einen dokumentarischen Ausschnitt noch größer als das seines Darstellers. Den Film erweckt es zum Leben.