24.05.2019
72. Filmfestspiele Cannes 2019

Cannes On Speed 08: Der Verräter

Il Traditore von Marco Bellocchio
Il Traditore von Marco Bellocchio
(Foto: Pandora)

Simultanistische Filmkritik: Il Traditore von Marco Bellocchio

Von Rüdiger Suchsland

Eine groß­ar­tige Szene eröffnet den Film: Eine Mafia-Feier, die in ihrer Opulenz wie in ihren Folk­lo­re­ele­menten an den Anfang von Francis Ford Coppolas The Godfather erinnert. Dann geht die Haupt­figur erstmal nach Brasilien, um am Strand von Rio das Leben zu genießen. Das wird nicht lange dauern, und nachdem Tommaso Buscetta kurz­zeitig in Brasilien nach allen Regeln der (Folter-)Kunst verhört wird, kommt er nach Hause, um in Rom zum Kron­zeugen gegen die »Cosa Nostra« zu werden.
»Die Mafia gibt es nicht« erklärt er schlüssig im Verhör. Und »Die Cosa Nostra weiß, wie man wartet.« Was für ein Mann, was f ür ein Leben!

Dies ist ein im aller­besten Sinne altmo­di­scher und auch ein sehr purer Film. Marco Belloc­chio, der italie­ni­sche Altmeister erzählt in »Il Traditore« von Tommaso Buscetta, dem wich­tigsten »Penditi« der 80er Jahre. Und damit auch von Giovanni Falcone, dem Mafia­jäger, der 1992 vom Corleone-Clan umge­bracht wurde. Dies ist ein Film, der in seiner klaren Erzähl­weise, an italie­ni­sche und fran­zö­si­sche Poli­zei­thriller der 70er Jahre erinnert. Aber damit eben auch überaus effizient.

Belloc­chios Sicht auf die Dinge ist illu­si­onslos, exis­ten­tia­lis­tisch ange­haucht und dabei fast zärtlich intim in seiner offenen Sympathie für Buscetta. Zuviel Sympathie? Keines­wegs. Denn ohne diesen Mann wäre Falcone nicht zum Held geworden, und das Charisma Buscettas ist in dem einen doku­men­ta­ri­schen Ausschnitt noch größer als das seines Darstel­lers. Den Film erweckt es zum Leben.