72. Filmfestspiele Cannes 2019
Cannes On Speed 09: Mektoub, My Love: Intermezzo |
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Mektoub, My Love: Intermezzo von Abdellatif Kechiche | ||
(Foto: Pathé) |
»Look at me!« sagt eine junge Frau, fast noch ein Mädchen, ganz am Anfang. Darum geht es: Ums Hinsehen; um die Freude und Lust am Hinsehen, um das, was man Voyeurismus nennt, also verbotene Blicke, aber mindestens genauso auch um erlaubte und gewollte; es geht um »objektifizierende« Blicke, wie darum, dass es solches »Objektifizieren« eigentlich gar nicht gibt, weil alles was angeschaut wird, auch zurückschaut. »Da ist keine Stelle, die dich nicht sieht.« Es geht also um Genauigkeit des Blicks.
Sie zeichnet das Werk von Abdellatif Kechiche seit jeher aus. Kechiche, der schon mal die Goldene Palme gewonnen hat, mit Blau ist eine warme Farbe, ist seit jeher ein Regisseur des Offenen, Durchlässigen. Kechiches Filme (unvergessen La graine et le mulet, 2008) sind Experimente mit sich selbst und dem was er zeigt. Logischerweise interessiert sich dieser Regisseur daher auch besonders für junge Menschen, für Anfänge, Aufbrüche und Experimente, für produktives Chaos.
Mektoub, my Love: Intermezzo ist ein Sommerspiel, es dauert vier Stunden, und konzentriert sich ganz auf nur einen Nachmittag und eine Nacht in einem Club, die 12 Personen erleben, und um deren Beziehungen untereinander – das alles in der sehr besonderen französischen Küstenstadt Sète im Süden, im Spätsommer.
Was gefällt an diesem Film, ist, dass Kechiche sich ganz auf die Perspektive seiner Figuren einlässt. Dazu gehört dann eine 15-minütige Sexszene. Warum muss der Film so lang sein? Es gibt zwei Antworten auf diese Frage. Die bessere lautet: Muss er nicht. Aber er kann.