Zeit für die Halbzeit! |
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»Gift« heißt das Video von Nozomi Matsuyama, das im Japan-Salon »Melting Borderline« im Rahmen der UNDERDOX-Halbzeit zu sehen ist |
Von Dunja Bialas
Klaus Wyborny ist einer der großen Avantgarde-Dokumentarfilmer Deutschlands. In den 70er Jahren wollte er einmal »Filme wie Schallplatten« machen, um den eintönigen »Flucht-Vorstellungen der Traumfabriken« entgegenzuhalten, im Zeitalter des damals anbrechenden »Kassetten-Fernsehens«. Das konnte man damals sogar im Spiegel lesen.
Das internationale
Filmfestival UNDERDOX, spezialisiert auf Dokumentarfilmexperimente, zeigt jetzt zur Halbzeit seinen neuesten Film Studien zum Untergang des Abendlands. Inspiriert ist der Film durch das gleichnamige Buch von Oswald Spengler aus dem Jahr 1918, einem Abgesang auf die menschliche Geschichte als Fortschrittsgeschichte.
Seit 1918 bis heute sind fast 100 Jahre vergangen, aber die menschliche Geschichte hat sich auch dieses Jahr als Geschichte des Untergangs manifestiert, mit der Reaktorkatastrophe von Fukushima. So hat Wybornys Film Studien zum Untergang des Abendlands doppelte Aktualität: Die Geschichte der Menschheit ist als Kreislauf von entstehenden und vergehenden Kulturen zu verstehen. Seine seit 1979 auf Super-8 eingefangenen Bilder von industriellen Ruinen zeigen die Begrenztheit des technischen Fortschritts: Dieser sollte immer vom Ende her gedacht werden. Der Film ist ein Tanzen der Bilder und Töne, mit einer Wyborny typischen, sehr sinnlichen Intellektualität. (Donnerstag, 26.5., 19 Uhr, Filmmuseum München, in Anwesenheit von Klaus Wyborny)
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Die japanische Regisseurin Naomi Kawase hat in Cannes soeben ihren neuesten Film Hanezu no Tsuki vorgestellt. Wir zeigen ihren ersten Spielfilm aus dem Jahre 1997, mit dem sie auch schon nach Cannes eingeladen war und dort die Caméra d’Or gewann. Moe no Suzaku (The God Suzaku) war in München noch nie zu sehen, und was noch schlimmer ist: Kawases
Werk ist hierzulande fast unbekannt.
Kawase charakterisiert sich durch äußerst sinnliche Aufnahmen der Natur, in die sich die Menschen gleichsam poetisch einbetten. Ihre Filme sind stille Beobachtungen, die direkt in die Herzen der Menschen gehen – und den Zuschauer überwältigen.
Ähnlich wie Studien zum Untergang des Abendlands handelt auch Moe no Suzaku von dem Untergang einer Industrie, der noch archaischeren Holzindustrie. Als Folge verlassen die Bewohner des kleinen Ortes fluchtartig das Land, ein Tunnel soll gebaut werden, um den Ort an die moderne Zivilisation anzubinden. Der Film spielt Anfang der 70er Jahre in dem Dorf, in dem Kawase ihre Kindheit verbracht hat. (Samstag, 28.5., 20:30 Uhr, Werkstattkino)
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»Melt your line. Dig films!« heißt es dann Samstagnacht beim legendären UNDERDOX-Salon, der diesmal Videokunst aus Japan zeigt. Sechs japanische Videokünstlerinnen bringen mit ihren Filmen die Grenzen zwischen den verschiedenen Geschlechtern, Lebensaltern und Nationalitäten zum schmelzen. Die Videos sind Fiktion und Experiment, Animation und Musikvideo. (Samstag, 28.5., 22:30 Uhr, Werkstattkino, in Anwesenheit von Nozomi Matsuyama und Aiko Okamoto)
Übrigens war der Japan-Salon schon im Januar 2011 geplant, entstanden als Idee für die »Japan-Broschüre«, mit der das Kulturreferat München dieses Jahr einen kuratorischen Schwerpunkt auf Japan gesetzt hat. Das programmatische »Schmelzen« der Videoarbeiten des Japan-Salons hat jetzt mit Fukushima natürlich noch eine weitere, politische Dimension bekommen.
Die Autorin des Textes ist übrigens Co-Direktorin des vorgestellten Festivals. Mehr zu diesem Thema